1868

[765] Erste Jahresstunde. Entscheidende Omina. Cosimas Ring verloren und wiedergefunden. Große Bangnisse. – Hans zurück. Sein Geburtstag (8. Januar) bei Queroy. Toast: »freudelose Erfolge«! Einsame Wanderung durch die Stadt. Gute Stimmung. – Perfall (spricht wenn ich spreche.). Draeseke (hört nicht). Konzertprogramme. (Schumann:) Manfred. Lachners Abschied (Armide). Tenorist Bachmann. (Chor zur »Stummen«.) Meistersinger für März bestimmt. (Beck- und Betz-Konfusion.) Viel Hartes und Leidenvolles. Öfters unwohl. (Schanzenbach.) Auch Fürst Hohenlohe. Einstweilige Rückkehr nach Triebschen beschlossen: 8 Tage Aufschub. Schwere Stimmung. (Auch Großmama Bülow.) Zweite Woche des Februar mit Nachtzug abgereist. – Eva. 17. Februar: 1. Geburtstag. – Annalen. März: »David Strauß«. Herausgabe von Kunst und Politik, mit Vorwort, besorgt. (Schiller. Goethe.) Buddha. Brief des Königs in der alten Sprache. Meine Ablehnung. Enthusiastische Antwort seinerseits. Cosima mahnt ab vom Wiederbesuch in München. Gegen 20. März: Reise nach München. Verworrene, unsichere Erinnerungen. (Meine Ankunft scheint den König zu überraschen. Er läßt nichts von sich hören noch sehen.) Schweres Gewölk auf den Herzen. Die Kindermorgen: Loldi zu drei. (Franz und Anna!) »Wasserträger«. (Lachners Herzlichkeit.) – Verhaftungsbesuch: Advokat Simmerl. (Klepperbeinsche alte Schuld.) Düfflipp. Bald darauf: Schauß wegen Semper; im Begriff, zu Sempers Umstimmung nach Zürich zu reisen. Konferenzen mit Schauß (Advokat: auch der Schwabe!) und Düfflipp. Bruch des Königs[765] mit Semper. Theater abgetan. – Meistersinger, Baritonist Stägemann aus Hannover. (Konzert.) Einmal kein Platz im Konzert. (Auch Ouvertüre: zu Vestalin.) Perfall unnützer Weise nach Dresden (wegen Tenorist Bachmann). Nötigung des Hinausschubes auf Mitte Juni. (Betz. Nachbaur.) Richter nach Gotha (wegen Tenor: Wurst). Hans stürzt eines Abends aus dem Zimmer wegen der Photographie am Titel des Entwurfmanuskriptes der Meistersinger. Eindrücke. Konservatorium (Freischütz-Probe: Christen. Perfalls Verhalten. Mein Schwanken.) Lohengrin (Prinz von Preußen!) (Zu Hause geblieben.) Cosima. Lila. Dunkel: Dämmerung. Unmöglichkeit des Versuches mit München bereits klar erkannt. Resultat: die Meistersinger abwarten. (Verhandlungen mit J.J. Weber.) Abermalige Zurückreise nach Triebschen beschlossen und Mitte April ausgeführt. (König nicht gesehen.) Nachtzug: Augsburg; 3 Mohren. – Eva! – 26. April: Vorwort zur 2. Auflage von »Oper und Drama« an Constantin Frantz. Anordnung der Gesamtherausgabe meiner Schriften in 10 Bänden. Mai »Meine Erinnerungen an Schnorr«. Buddhismus: Sieger neu überdacht. Dhyâna-Regionen: Musik. Schwermütige weiche Stimmung. (Mérimée: Alfred de Musset.) (Liszt an Cotta!) Heftigkeit: Verwirrung. Leidenschaftlichste Mißverständnisse. Äußerste Spannung. – Mitte Mai Cosima mit Kindern und Schwiegermutter abends ankommend: kann nicht empfangen; sie allein beim Tee im Speisezimmer. Große Wildnis der Empfindungen: stets neue Schwierigkeiten. Unsäglicher Liebeskummer. Bin zu Flucht und Verschwinden geneigt: Harz. Eisleben! – Stets schneller Wechsel: erhabenste Besänftigungen. Rettung nötig. – Cosima am 20. Mai nach München zurück. (Zuvor: Jakob als Schreckbringer!) Reise selbst am 21. Mai nach. Gute Ankunft. Cosima hinter der Portière hervortretend, 22. Mai Geburtsmorgen: (»nicht 10 Pferde!«) Bescherung: der Mutter Bild! Große, tiefe Beglückung! – Meistersinger im Anzug. (Perfall bereits ganz rückfällig vorgefunden. Alles erkannt.) Mittag (Geburtstag) mit dem König auf der Roseninsel gespeist. (Tristanfahrt.) Betz. Nachbaur (Richters Wunderwerk) Hölzl. Klavierproben: schwere dumpfe Empfindung von der tiefen Feindseligkeit und Entfremdung des Hans. Direktion, alles hinterhältig. Sänger gut: Schlosser (David). Kostümier Seitz. Angstschikanen Perfalls: Fronleichnamsfestprobe! (Dazwischen: Becks Gastspiel mit Fliegendem Holländer elend. – Pecht.) Richter in Glorie. Ausfahrten mit Cosima. Weißheimer: Körner-Not; seine Entfremdung. Cornelius immer albern und in tiefster Seele verlegen. Juni. Orchesterproben: tiefe Not mit Hans. Perfall schikaniert wo es möglich. Scheinbare Orchesterauflehnung (Hornist Strauss). Regisseur Hallwachs. Meine Ordnung der Proben. Esser aus Wien. Zunehmende Gäste. Malwida von Meysenbug mit Fräulein Herzen aus Florenz. Einladung Schwester Klaras mit ihrer Tochter. Gute Proben bei Esser und Cosima. Freude an Betz. Viel Besuch: auch Claire. Frau Laussot: Brille, keiner macht mir's nach; Kunst und Politik ihr aus dem Herzen geschrieben.[766] Fränzi Ritter. Mathilde Maier (bescheiden!) Die Meistersinger gefallen Cosima. Generalprobe: wieder Ärger über – alles. Keine Freude mehr. (Letzte Worte an das Personal.) 21. Juni: 1. Aufführung. (Hofbräuhaus!) Heimlich in die Loge zu Cosima. Zum König gerufen während des Vorspiels: muß an seiner Seite die Meistersinger öffentlich anhören. Sehr ermüdet und erschöpft. Cosima traurig, daß ich nicht an ihrer Seite verblieben. Abschied von Parzival nach der Aufführung. – Franzosen: Pasdeloup, Leroy, Chandon etc. Schott. Claire. (Diner zuvor im Hotel Bellevue.) (»Ami de Weißheimer«.) Cosima verspricht in 8 Tagen nachzukommen. Reise 24. Juni früh nach Triebschen zurück. Kinder allein. Vreneli schwanger. – Ernste schwere Stimmung. Nach wenigen Tagen Erkältung: Erkrankung. Täglich Arzt: Nerven; Schweiße, Schwäche. Eintretende große Klarheit über meinen Zustand und die Lage der Dinge. Tiefste Mutlosigkeit zu irgendwelcher Bewegung: in dem Schicksal meines Verhältnisses zu Cosima und Hans den Grund der Unfähigkeit alles Wollens erkannt. Alles nichtig; die Münchener Versuche gänzlich gescheitert. Niewiederrückkehr dorthin als unerläßlich befunden. – Verkehr mit Schott. Mit Dresden und Wien wegen Verunstaltungen der Meistersinger. Ohnmacht dagegen. Füge mich. Scheußliche Rezensionen: muß, meiner Bedürfnisse wegen, froh sein, die Meistersinger als gemeinen Theatersukzeß zu retten. Nach 10tägiger Krankheitsschwäche langsame Erholung. (Kinder ohne die Mutter unerfreulich.) Notwendig dünkende Ergebung in das elendeste Schicksal: von Cosima eigentlich seit unsrer vorjährigen Trennung vorausgesehen: sie glaubte an nichts, und mußte an mir somit zweifeln. – Brief des Königs an Cosima: Röckels Klatscherei über mein Verhältnis zu Cosima. An den König. Sofort Entschluß zu Cosimas Fortgang von München gefaßt. Ihre verzögerte Ankunft. Spannung. Sie kommt 20. Juli. Kinderempfang. Schwierige Mitteilungen über Entschluß: plutonische und neptunische Lösungen! Über die Hauptsache einverstanden. – Cornelius auf 5 Tage im August (Gunlöd: auch Suttung!) Luzerner Gesellschaft zum Diner. Eva – Loldi. Schwermütige und leidenschaftliche Tage. (Spiegelrahmen; auch Fuggerstuhl.) Bad. Räuberpack. – Lustspiel. – Viel Korrespondenz. Lucca. (Giovanna!) Verkauf meiner Opern an ihn für Italien. Dazwischen Pasdeloup: Pariser Kontrakt über Rienzi. Viel Pariser Durcheinander: Truinet, Perrin. (Auch Eckert.) Ausflug nach Interlaken: Jungfrau. (3 Tage.) September: Ausflug nach Oberitalien. 14. September abgereist. Götterdämmerung auf dem Gotthardt. (Piroscafo.) Stresa und borromeische Inseln. (Cablasatoni!) 17. September Genua. Viel Freude. Cosima voll Leben. »I miei palazzi«. Van Dyck. Pianella, Angelo peccatore. (Maria Stuart: Herzog Lerma.) Liphort junior und senior: ärgerlich. (Café und Markt.) Seefahrt. Villa Pallavicini. (Mi. Vamenes.) Nach Mailand. (Coupé-Sorge für Rückreise.) Luccas, (Madame Chaillot.) Cirque. 28. September über Como abgereist. Überschwemmungsnachrichten: Lugano geblieben. 29. September Bellinzona.[767] Abwarten oder Umkehren? Donnerstag 1. Oktober nach Biasca. Von da zu Fuß (Bodio, Giornico etc.) nach Faido. Ausmarsch von Giornico, furchtbares Gewitter: 1 Stunde schreckenvollster Art: Cosima immer vom Sitz gesprungen. Lavorno – Schlamm-Marsch. Laterne! Zerbrochene Brücke: durch die Wässer. Faido – Hotel de Poste! Mit Cosima in einer Stube. Fortgesetzte Sündflut: Weiterkommen mit Wagen unmöglich. Drei böse, aber tiefe Tage. 3. Oktober: (Sonnabend:) tiefste Stimmung. Cosima schreibt. Todesnähe. Jakob will heim zur Niederkunft seiner Frau. Sonntag: 4. Oktober immer Regenströme. (Trügende Sterne: Schärne (nach Loldi).) Unschlüssigkeit: gesteigerte Schwierigkeiten des Weges. Postkarawane. Mittag Aufbruch beschlossen. 1/22 Uhr fort. Cosima im Wachsmantel. Regenströme. Furchtbarer Marsch: in 4 Stunden ebenso viele Poststunden zurückgelegt. Ankunft in Airolo. (Coupé!) Übernachtet. 5. Oktober früh mit Post über Gotthard (mit Schwierigkeiten) Andermatt, Amsteg – nach Flüelen. 6. Oktober (Dienstag) heimgekehrt. Was wollte das Schicksal? – Vreneli bereits entbunden. Kinder gut. – 7. Oktober früh Cosima in das kalte Bad! Einpacken: nach München. Große Not. Schlimme Nacht. 8. Oktober milder. 9. Oktober Verständnis und Verständigung. Wehmütige, hochwichtige Tage. Cosimas Versprechen. 14. Oktober Abreise Cosimas mit den 4 Kindern nach München: begleite sie bis Augsburg; von dort 15. Oktober mittags allein zurück nach Triebschen. – Bange Erwartungen. Nur Briefe. (Aladdin. Luther, Derniers abbés.) Cosimas Bericht: Konfessionswechsel-Versprechen. (Goethe und Knebel.) Nach Rom? – Verwirrung und leidenschaftliche Sorge: an Claire Charnacé – nach München. Cosima außer sich. Große Niedergeschlagenheit: beschließe Reise, mit Besuch in der Arcostraße. Cosima milder. 1. November nach München: (Mondnacht auf dem Bodensee.) Cosima bei Mrazeks: Eva. (2. November:) Nachmittag nach Leipzig. (3. November) Clemens, Hermann und Ottilie (Anna und Doris). An den König wegen Unterredung (Familie?) Marbach. (Schillerporträt.) Dr. Nietzsche. Dr. Rietschel mit Frau. (Kaiserin von Rußland hindert die erbetene Unterredung: An Düfflipp.) 9. November nach Augsburg: Eisenbahnhemmung: muß dort warten; telegraphiere. 3 Mohren. Abend 3 Kinder aus München. (Loldi der 4. Mohr!) 9 Uhr abends bereits im Lindauer Zuge: springe wieder heraus; Kinder zurückgehalten durch Eisenbahnverhinderung. Nach Gasthof zurück: alles zu Bett. 10. November früh auf: Kinder 5 Minuten vor mir nach München. Spät nach Triebschen. (Viel Unglück in der Welt: Eisenbahntötungen, Überschwemmungen, Schneestürme auf dem Gotthard. Erdbeben überall!) Cosimas Brief. (Erinnerungen an Liszt durch Nohl: Skizzenbuch.) Not um Hans. (Untere Wohnung für dauernd bezogen. Schicksal?) Französische Enthusiasten: deutsche Niederträchtigkeiten. (Geibel. Heyse – Katastrophe.) Erwartung Cosimas. – 16. November Cosima mit Loldi und Eva allein angekommen. (Erklärte Verzögerung der Entscheidung.) Meine Wohnungsabteilung von Cosima und den Kindern[768] bezogen. Wenig von außen. Innen: Biographie-Diktate, Siegfried-Partitur. Anfang Dezember, schwäbisches Stubenmädchen: Kinderstube eingerichtet. (Judith Mendès.) An Porges wegen seines zu schreibenden Buches. (Nohl: Skizzen-Not.) Viel Todesfälle: Sterberegister angelegt. »Erinnerung an Rossini«. Hans schreibt. Unterhandlungen mit Wien. (Dingelstedt.) Berlin – Mimi Buch: Eckert engagiert. (Kaviar und Hering: Leipzig.) Marbach: Medeia-Abend. Sonst viel Körner und etwas Schiller. Reinschrift von Siegfried I. Akt beendigt. Judentum wieder ins Auge gefaßt. Claire Charnacé: einiges Mathildliches. – Unterleibsplage mit Herzensheiterkeit. Cosima meistens leidend. Genelli †. Seine Umrisse zu Homer, 1 schwarzes und 4 weiße Lieder aus alter Zeit: Geburtstags-Weihnacht, Kinder als Schmetterlings-Engel. 25. Dezember: »Schiller und Chaillot«. Diktate bis zu Schopenhauer. Nichts Äußeres: große Regelmäßigkeit; Arbeitsmaschinerie. Etwas Düfflipp: Münchener Universitätskassierer und Tochter (angeblich vom König unter meiner Vermittelung geschwängert!) Neue Bestätigungen des Entschlusses, nichts mehr mit München zu tun zu haben. Gutes Weihnachten unter Vermittelung Büchis in Zürich. Sulzer. Sanfter, etwas abgespannter Silvester. Gutes Neujahr. Oben und unten: das dreifache Etagenglück![769]

Quelle:
Wagner, Richard: Mein Leben. München 1963, S. 765-770.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon