Dritte Szene


[551] Nibelheim



Alberich zerrt den kreischenden Mime an den Ohren aus einer Seitenschlufft herbei.


ALBERICH.

Hehe! hehe!

hieher! hieher!

Tückischer Zwerg!

Tapfer gezwickt

sollst du mir sein,

schaffst du nicht fertig,

wie ich's bestellt,

zur Stund das feine Geschmeid!

MIME heulend.

Ohe! Ohe!

Au! Au!

Laß mich nur los!

Fertig ist's,

wie du befahlst,

mit Fleiß und Schweiß

ist es gefügt: –

nimm nur die


Grell.


Nägel vom Ohr!

ALBERICH.

Was zögerst du dann,

und zeigst es nicht?

MIME.

Ich Armer zagte,

daß noch was fehle.

ALBERICH.

Was wär noch nicht fertig?

MIME verlegen.

Hier – und da –

ALBERICH.

Was hier und da?

Her das Geschmeid!


Er will ihm wieder an das Ohr fahren: vor Schreck läßt Mime[551] ein metallnes Gewirke, das er krampfhaft in den Händen hielt, sich entfallen. Alberich hebt es hastig auf und prüft es genau


Schau, du Schelm!

Alles geschmiedet

und fertig gefügt –

wie ich's befahl.

So wollte der Tropf

schlau mich betrügen?

Für sich behalten

das hehre Geschmeid,

das meine List

ihn zu schmieden gelehrt?

Kenn ich dich, dummer Dieb?


Er setzt das Gewirk als Tarnhelm auf den Kopf.


Dem Haupt fügt sich der Helm:

ob sich der Zauber auch zeigt?


Sehr leise.


»Nacht und Nebel –

Niemand gleich!« –


Seine Gestalt verschwindet; statt ihrer gewahrt man eine Nebelsäule.


Siehst du mich, Bruder?

MIME blickt sich verwundert um.

Wo bist du? Ich sehe dich nicht.

ALBERICH unsichtbar.

So fühle mich doch,

du fauler Schuft!

Nimm das für dein Diebsgelüst!

MIME windet sich unter empfangenen Geißelhieben, deren Fall man vernimmt, ohne die Geißel selbst zu sehen

Ohe! Ohe!

Au! Au! Au!

ALBERICH lachend, unsichtbar.

Hahahahahaha!

Hab Dank, du Dummer!

Dein Werk bewährt sich gut! –

Hoho! Hoho!

Niblungen all,

neigt euch nun Alberich!

Überall weilt er nun

euch zu bewachen;

Ruh und Rast

ist euch zerronnen;

ihm müßt ihr schaffen,[552]

wo nicht ihr ihn schaut,

wo ihr nicht ihn gewahrt,

seid seiner gewärtig!

Untertan seid ihr ihm immer!


Grell.


Hoho! Hoho!

hört ihn, er naht:

der Niblungen Herr!


Die Nebelsäule verschwindet dem Hintergrunde zu: man hört in immer weiterer Ferne die tobende Ankunft Alberichs. – Mime ist vor Schmerz zusammen gesunken. Wotan und Loge lassen sich aus einer Schlufft von oben herab.


LOGE.

Nibelheim hier.

Durch bleiche Nebel

was blitzen dort feurige Funken?

MIME am Boden.

Au! Au! Au!

WOTAN.

Hier stöhnt es laut:

was liegt im Gestein?

LOGE sich zu Mime neigend.

Was Wunder wimmerst du hier?

MIME.

Ohe! Ohe!

Au! Au!

LOGE.

Hei, Mime! Muntrer Zwerg!

Was zwingt und zwackt dich denn so?

MIME.

Laß mich in Frieden!

LOGE.

Das will ich freilich,

und mehr noch, hör!

Helfen will ich dir, Mime.


Er stellt ihn mühsam aufrecht.


MIME.

Wer hälfe mir!

Gehorchen muß ich

dem leiblichen Bruder,

der mich in Bande gelegt.

LOGE.

Dich, Mime, zu binden,

was gab ihm die Macht?

MIME.

Mir arger List

schuf sich Alberich

aus Rheines Gold

einen gelben Reif:

seinem starken Zauber

zittern wir staunend;

mit ihm zwingt er uns alle,

der Niblungen nächt'ges Heer. –

Sorglose Schmiede,[553]

schufen wir sonst wohl

Schmuck unsren Weibern,

wonnig Geschmeid,

niedlichen Niblungentand;

wir lachten lustig der Müh. –

Nun zwingt uns der Schlimme,

in Klüfte zu schlüpfen,

für ihn allein

uns immer zu müh'n.

Durch des Ringes Gold

errät seine Gier,

wo neuer Schimmer

in Schachten sich birgt:

da müssen wir spähen,

spüren und graben,

die Beute schmelzen,

und schmieden den Guß,

ohne Ruh und Rast

dem Herrn zu häufen den Hort.

LOGE.

Dich Trägen soeben

traf wohl sein Zorn?

MIME.

Mich Ärmsten, ach!

mich zwang er zum Ärgsten.

Ein Helmgeschmeid

hieß er mich schweißen;

genau befahl er,

wie es zu fügen.

Wohl merkt ich klug,

welch mächt'ge Kraft

zu eigen dem Werk,

das aus Erz ich wob;

für mich drum hüten

wollt ich den Helm;

durch seinen Zauber

Alberichs Zwang mich entziehn:

vielleicht – ja vielleicht

den Lästigen selbst überlisten,

in meine Gewalt ihn zu werfen;

den Ring ihm zu entreißen,

daß, wie ich Knecht jetzt dem Kühnen,


Grell.


mir Freien er selber dann frön'![554]

LOGE.

Warum, du Kluger,

glückte dir's nicht?

MIME.

Ach! der das Werk ich wirkte,

den Zauber, der ihm entzuckt,

den Zauber erriet ich nicht recht:

der das Werk mir riet

und mir's entriß,

der lehrte mich nun

– doch leider zu spät –,

welche List läg in dem Helm.

Meinem Blick entschwand er;

doch Schwielen dem Blinden

schlug unschaubar sein Arm.


Heulend und schluchzend.


Das schuf ich mir Dummer

schön zu Dank!


Er streicht sich den Rücken. Wotan und Loge lachen.


LOGE zu Wotan.

Gesteh, nicht leicht

gelingt der Fang.

WOTAN.

Doch erliegt der Feind,

hilft deine List!

MIME betrachtet die Götter aufmerksamer.

Mit eurem Gefrage,

wer seid denn ihr Fremde?

LOGE.

Freunde dir;

von ihrer Not

befrei'n wir der Niblungen Volk!

MIME schrickt zusammen, da er Alberich sich wieder nahen hört.

Nehmt euch in acht.

Alberich naht.


Er rennt vor Angst hin und her.


WOTAN ruhig sich auf einen Stein setzend.

Sein harren wir hier.


Alberich, der den Tarnhelm vom Haupte genommen und an den Gürtel gehängt hat, treibt mit geschwungener Geißel aus der unteren, tiefer gelegenen Schlucht aufwärts eine Schar Nibelungen vor sich her: diese sind mit goldenem und silbernem

Geschmeide beladen, das sie, unter Alberichs steter Nötigung, all auf einen Haufen speichern und so zu einem Horte häufen.


ALBERICH.

Hieher! Dorthin!

Hehe! Hoho!

Träges Heer![555]

Dort zu Hauf

schichtet den Hort!

Du da, hinauf!

Willst du voran?

Schmähliches Volk!

Ab das Geschmeide!

Soll ich euch helfen?

Alles hieher!


Er gewahrt plötzlich Wotan und Loge.


He! wer ist dort?

Wer drang hier ein? –

Mime, zu mir!

Schäbiger Schuft!

Schwatzest du gar

mit dem schweifenden Paar?

Fort, du Fauler!

Willst du gleich schmieden und schaffen?


Er treibt Mime mit Geißelhieben in den Haufen der

Nibelungen hinein.


He! an die Arbeit!

Alle von hinnen!

Hurtig hinab!

Aus den neuen Schachten

schafft mir das Gold!

Euch grüßt die Geißel,

grabt ihr nicht rasch!

Daß keiner mir müßig,

bürge mir Mime,

sonst birgt er sich schwer

meiner Geißel Schwünge!

Daß ich überall weile,

wo keiner mich wähnt,

das weiß er, dünkt mich, genau! –

Zögert ihr noch?

Zaudert wohl gar? –


Er zieht seinen Ring vom Finger, küßt ihn und streckt ihn drohend aus.


Zittre und zage,

gezähmtes Heer!

Rasch gehorcht

des Ringes Herrn!


Unter Geheul und Gekreisch stieben die Nibelungen – unter[556] ihnen Mime – auseinander und schlüpfen

nach allen Seiten in die Schachten hinab.


ALBERICH betrachtet lange und mißtrauisch Wotan und Loge.

Was wollt ihr hier?

WOTAN.

Von Nibelheims mächt'gem Land

vernahmen wir neue Mär;

mächt'ge Wunder

wirke hier Alberich;

daran uns zu weiden

trieb uns Gäste die Gier.

ALBERICH.

Nach Nibelheim

führt euch der Neid:

so kühne Gäste,

glaubt, kenn ich gut!

LOGE.

Kennst du mich gut,

kindischer Alp?

Nun sag, wer bin ich,

daß du so bellst?

Im kalten Loch,

da kauernd du lagst,

wer gab dir Licht

und wärmende Lohe,

wenn Loge nie dir gelacht?

Was hülf dir dein Schmieden,

heizt ich die Schmiede dir nicht?

Dir bin ich Vetter

und war dir Freund:

nicht fein drum dünkt mich dein Dank!

ALBERICH.

Den Lichtalben

lacht jetzt Loge,

der list'ge Schelm?

Bist du Falscher ihr Freund,

wie mir Freund du einst warst: –

haha! – mich freut's! –

Von ihnen fürcht ich dann nichts.

LOGE.

So denk ich, kannst du mir trau'n.

ALBERICH.

Deiner Untreu trau ich,

nicht deiner Treu!

Doch getrost trotz ich euch allen.

LOGE.

Hohen Mut

verleiht deine Macht;

grimmig groß

wuchs dir die Kraft![557]

ALBERICH.

Siehst du den Hort,

den mein Heer

dort mir gehäuft?

LOGE.

So neidlichen sah ich noch nie.

ALBERICH.

Das ist für heut,

ein kärglich Häufchen!

Kühn und mächtig

soll er künftig sich mehren.

WOTAN.

Zu was doch frommt dir der Hort,

da freudlos Nibelheim,

und nichts für Schätze hier feil?

ALBERICH.

Schätze zu schaffen,

und Schätze zu bergen

nützt mir Nibelheims Nacht.

Doch mit dem Hort,

in der Höhle gehäuft,

denk ich dann Wunder zu wirken:

die ganze Welt

gewinn ich mit ihm mir zu eigen!

WOTAN.

Wie beginnst du, Gütiger, das?

ALBERICH.

Die in linder Lüfte Weh'n

da oben ihr lebt,

lacht und liebt: –

mit gold'ner Faust

euch Göttliche fang ich mir Alle!

Wie ich der Liebe abgesagt,

Alles was lebt

soll ihr entsagen!

Mit Golde gekirrt,

nach Gold nur sollt ihr noch gieren!

Auf wonnigen Höh'n,

in seligem Weben

wiegt ihr euch;

den Schwarzalben

verachtet ihr ewigen Schwelger! –

Habt Acht! Habt Acht!

Denn dient ihr Männer

erst meiner Macht,

eure schmucken Frau'n,

die mein Frei'n verschmäht,

sie zwingt zur Lust sich der Zwerg,

lacht Liebe ihm nicht! –


Wild lachend.
[558]

Hahahaha!

Habt ihr's gehört?

Habt Acht!

Habt Acht vor dem nächtlichen Heer,

entsteigt des Niblungen Hort

aus stummer Tiefe zu Tag!

WOTAN auffahrend.

Vergeh, frevelnder Gauch!

ALBERICH.

Was sagt der?

LOGE dazwischen tretend.

Sei doch bei Sinnen! –

Wen doch faßte nicht Wunder,

erfährt er Alberichs Werk?

Gelingt deiner herrlichen List,

was mit dem Horte du heischest:

den Mächtigsten muß ich dich rühmen,

denn Mond und Stern,

und die strahlende Sonne,

sie auch dürfen nicht anders,

dienen müssen sie dir. –

Doch – wichtig acht ich vor allem,

daß des Hortes Häufer,

der Niblungen Heer,

neidlos dir geneigt?

Einen Reif rührtest du kühn;

dem zagte zitternd dein Volk: –

doch, wenn im Schlaf

ein Dieb dich beschlich',

den Ring schlau dir entriß: –

wie wahrtest du Weiser dich dann?

ALBERICH.

Der Listigste dünkt sich Loge;

andre denkt er

immer sich dumm:

daß sein ich bedürfte

zu Rat und Dienst,

um harten Dank,

das hörte der Dieb jetzt gern!

Den hehlenden Helm

ersann ich mir selbst;

der sorglichste Schmied,

Mime mußt ihn mir schmieden:

schnell mich zu wandeln,

nach meinem Wunsch

die Gestalt mir zu tauschen,

taugt der Helm.[559]

Niemand sieht mich,

wenn er mich sucht;

doch überall bin ich,

geborgen dem Blick.

So ohne Sorge

bin ich selbst sicher vor dir,

du fromm sorgender Freund!

LOGE.

Vieles sah ich,

Seltsames fand ich,

doch solches Wunder

gewahrt ich nie.

Dem Werk ohne Gleichen

kann ich nicht glauben;

wäre dies eine möglich,

deine Macht währte dann ewig!

ALBERICH.

Meinst du, ich lüg

und prahle wie Loge?

LOGE.

Bis ich's geprüft,

bezweifl' ich, Zwerg, dein Wort.

ALBERICH.

Vor Klugheit bläht sich

zum Platzen der Blöde!

Nun plage dich Neid!

Bestimm, in welcher Gestalt

soll ich jach vor dir stehn?

LOGE.

In welcher du willst;

nur mach vor Staunen mich stumm!

ALBERICH setzt den Helm auf.

»Riesenwurm

winde sich ringelnd!«


Sogleich verschwindet er. Statt seiner windet sich eine ungeheure Riesenschlange am Boden; sie bäumt sich und sperrt den aufgerissenen Rachen auf Wotan und Loge zu.


LOGE stellt sich von Furcht ergriffen.

Ohe! Ohe!

Schreckliche Schlange,

verschlinge mich nicht!

Schone Logen das Leben!

WOTAN.

Hahaha! Hahaha!

Gut, Alberich!

Gut, du Arger!

Wie wuchs so rasch

zum riesigen Wurme der Zwerg!


Die Schlange verschwindet; statt ihrer erscheint sogleich Alberich wieder in seiner wirklichen Gestalt.
[560]

ALBERICH.

Hehe! Ihr Klugen!

Glaubt ihr mir nun?

LOGE mit zitternder Stimme.

Mein Zittern mag dir's bezeugen!

Zur großen Schlange

schufst du dich schnell:

weil ich's gewahrt,

willig glaub ich dem Wunder.

Doch, wie du wuchsest,

kannst du auch winzig

und klein dich schaffen?

Das Klügste schien mir das,

Gefahren schlau zu entfliehn:

das aber dünkt mich zu schwer!

ALBERICH.

Zu schwer dir,

weil du zu dumm!

Wie klein soll ich sein?

LOGE.

Daß die feinste Klinze dich fasse,

wo bang die Kröte sich birgt.

ALBERICH.

Pah! Nichts leichter!

Luge du her!


Er setzt den Helm auf.


»Krumm und grau

krieche Kröte.«


Er verschwindet: die Götter gewahren im Gestein eine Kröte auf sich zukriechen.


LOGE zu Wotan.

Dort, die Kröte!

Greife sie rasch!


Wotan setzt seinen Fuß auf die Kröte: Loge fährt ihr nach dem Kopfe und hält den Tarnhelm in der Hand.


ALBERICH.

Ohe! Verflucht!

Ich bin gefangen!

LOGE.

Halt ihn fest,

bis ich ihn band.


Alberich ist plötzlich in seiner wirklichen Gestalt sichtbar geworden, wie er sich unter Wotans Fuße windet. Loge bindet ihm mit einem Bastseil Hände und Füße.


LOGE.

Nun schnell hinauf:

dort ist er unser!


Den Geknebelten, der sich wütend zu wehren sucht, fassen Beide und schleppen ihn mit sich zu der Kluft, aus der sie herabkamen. Dort verschwinden sie, aufwärts steigend. – Die Szene verwandelt sich, nur in umgekehrter Weise, wie zuvor. Die Verwandlung führt wieder an den Schmieden vorbei. Fortdauernde Verwandlung nach oben.
[561]


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 551-562.
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