[692] ALBERICH an der Felswand gelagert, düster brütend.
In Wald und Nacht
vor Neidhöhl halt ich Wacht:
es lauscht mein Ohr,
mühvoll lugt mein Aug. –
Banger Tag,
bebst du schon auf?
Dämmerst du dort,
durch das Dunkel auf?
Aus dem Walde von rechts her erhebt sich Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von eben daher.
Welcher Glanz glitzert dort auf? –
Näher schimmert
ein heller Schein: –
es rennt wie ein leuchtendes Roß,
bricht durch den Wald
brausend daher? –
Naht schon des Wurmes Würger?
Ist's schon, der Fafner fällt? –
[692] Der Sturmwind legt sich wieder. Der Glanz verlischt.
Das Licht erlischt, –
der Glanz barg sich dem Blick:
Nacht ist's wieder. –
Der Wanderer tritt aus dem Walde auf und hält Alberich gegenüber an.
Wer naht dort schimmernd im Schatten?
WANDRER.
Zur Neidhöhle
fuhr ich bei Nacht:
wen gewahr ich im Dunkel dort?
Wie aus einem plötzlich zerreißenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt.
ALBERICH erkennt den Wanderer, fährt zuerst erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut gegen ihn aus.
Du selbst läßt dich hier sehn?
Was willst du hier?
Fort, aus dem Weg!
Von dannen, schamloser Dieb!
WANDRER ruhig.
Schwarzalberich,
schweifst du hier?
Hütest du Fafners Haus?
ALBERICH.
Jagst du auf neue
Neidtat umher?
Weile nicht hier,
weiche von hinnen!
Genug des Truges
tränkte die Stätte mit Not;
drum, du Frecher,
laß sie jetzt frei!
WANDRER.
Zu schauen kam ich,
nicht zu schaffen:
wer wehrte mir Wandrers Fahrt?
ALBERICH.
Du Rat wütender Ränke!
War ich dir zulieb
doch noch dumm wie damals,
als du mich Blöden bandest:
wie leicht geriet es,
den Ring mir nochmals zu rauben? –
Hab Acht! Deine Kunst
kenne ich wohl; –
doch wo du schwach bist,
blieb mir auch nicht verschwiegen: –
mit meinen Schätzen[693]
zahltest du Schulden,
mein Ring zahlte
der Riesen Müh',
die deine Burg dir gebaut.
Was mit den Trotz'gen
einst zu vertragen,
des Runen wahrt noch heut
deines Speeres herrischer Schaft:
nicht du darfst,
was als Zoll du gezahlt,
den Riesen wieder entreißen;
du selbst zerspelltest
deines Speeres Schaft;
in deiner Hand
der herrische Stab,
der starke, zerstiebte wie Spreu!
WANDRER.
Durch Vertrages Treue-Runen
band er dich
Bösen mir nicht:
dich beugt er mir durch seine Kraft:
zum Krieg drum wahr ich ihn wohl.
ALBERICH.
Wie stark du dräust
in trotziger Stärke,
und wie dir's im Busen doch bangt! –
Verfallen dem Tod
durch meinen Fluch
ist des Hortes Hüter: –
wer wird ihn beerben?
Wird der neidliche Hort
dem Niblungen wieder gehören?
Das sehrt dich mit ew'ger Sorge!
Denn, faß ich ihn wieder
einst in der Faust,
anders als dumme Riesen
üb ich des Ringes Kraft: –
dann zittre der Helden
ewiger Hüter!
Walhalls Höhen
stürm ich mit Hellas Heer:
der Welt walte dann ich. –
WANDRER ruhig.
Deinen Sinn kenn ich wohl,
doch sorgt er mich nicht.[694]
Des Ringes waltet,
wer ihn gewinnt.
ALBERICH.
Wie dunkel sprichst du,
was ich deutlich weiß! –
An Heldensöhne
hält sich dein Trotz,
Höhnisch.
die traut deinem Blute entblüht.
Pflegtest du wohl eines Knaben,
der klug die Frucht dir pflücke,
Immer heftiger.
die du nicht brechen darfst?
WANDRER.
Mit mir nicht,
hadre mit Mime;
Leicht.
dein Bruder bringt dir Gefahr:
einen Knaben führt er daher,
der Fafner ihm fällen soll.
Nichts weiß der von mir,
der Niblung nützt ihn für sich.
Drum sag ich dir, Gesell:
tue frei wie dir's frommt!
Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde.
Höre mich wohl,
sei auf der Hut!
Nicht kennt der Knabe den Ring;
doch Mime kundet ihn aus.
ALBERICH heftig.
Deine Hand hieltest du vom Hort?
WANDRER.
Wen ich liebe,
laß ich für sich gewähren:
er steh oder fall,
sein Herr ist er;
Helden nur können mir frommen.
ALBERICH.
Mit Mime räng ich
allein um den Ring?
WANDRER.
Außer dir begehrt er
einzig das Gold.
ALBERICH.
Und dennoch gewann ich ihn nicht?
WANDRER ruhig näher tretend.
Ein Helde naht,
den Hort zu befrein;
zwei Niblungen geizen das Gold;
Fafner fällt,
der den Ring bewacht: –[695]
wer ihn rafft, hat ihn gewonnen. –
Willst du noch mehr?
Dort liegt der Wurm: –
Er wendet sich nach der Höhle.
warnst du ihn vor dem Tod,
willig wohl ließ er den Tand; –
ich selber weck ihn dir auf.
Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein.
Fafner! Fafner!
Erwache, Wurm!
ALBERICH mit gespanntem Erstaunen, für sich.
Was beginnt der Wilde?
Gönnt er mir's wirklich?
FAFNERS STIMME durch ein starkes Sprachrohr.
Wer stört mir den Schlaf?
WANDRER der Höhle zugewandt.
Gekommen ist einer,
Not dir zu künden;
er lohnt dir's mit dem Leben,
lohnst du das Leben ihm
mit dem Horte, den du hütest.
Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu.
FAFNER.
Was will er?
ALBERICH ist zum Wandrer getreten und ruft in die Höhle.
Wache, Fafner!
Wache, du Wurm!
Ein starker Heide naht:
dich Heil'gen will er bestehn. –
FAFNER.
Mich hungert sein!
WANDRER.
Kühn ist des Kindes Kraft,
scharf schneidet sein Schwert.
ALBERICH.
Den goldnen Reif
geizt er allein:
laß mir den Ring zum Lohn,
so wend ich den Streit;
du wahrest den Hort,
und ruhig lebst du lang! –
FAFNER.
Ich lieg und besitz:
laßt mich,
Gähnend.
schlafen!
WANDRER lacht laut auf und wendet sich dann wieder zu Alberich.
Nun, Alberich! Das schlug fehl.
Doch schilt mich nicht mehr Schelm![696]
Dies Eine, rat ich,
achte noch wohl! –
Vertraulich zu ihm tretend.
Alles ist nach seiner Art:
an ihr wirst du nichts ändern. –
Ich laß dir die Stätte,
stelle dich fest:
versuch's mit Mime, dem Bruder;
der Art ja versiehst du dich besser.
Zum Abgang gewendet.
Was anders ist, –
das lerne nun auch!
Er verschwindet schnell im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell.
ALBERICH blickt dem davonjagenden Wanderer nach.
Da reitet er hin
auf lichtem Roß,
mich läßt er in Sorg und Spott.
Doch lacht nur zu,
ihr leichtsinniges,
lustgieriges
Göttergelichter!
Euch seh ich
noch Alle vergehn!
So lang das Gold
am Lichte glänzt,
hält ein Wissender Wacht: –
trügen wird euch sein Trotz!
Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. – Die Bühne bleibt leer. – Morgendämmerung.
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