Dritte Szene


[706] Mime schleicht heran, scheu umherblickend, um sich von Fafners Tod zu überzeugen. Gleichzeitig kommt von der anderen Seite Alberich aus dem Geklüft; er beobachtet Mime, stürzt auf ihn zu und vertritt ihm den Weg, als dieser der Höhle sich zuwendet.


ALBERICH.

Wohin schleichst du

eilig und schlau,

schlimmer Gesell?

MIME.

Verfluchter Bruder,

dich braucht ich hier!

Was bringt dich her?

ALBERICH.

Geizt es dich, Schelm,

nach meinem Gold?

Verlangst du mein Gut?

MIME.

Fort von der Stelle![706]

Die Statte ist mein:

was stöberst du hier?

ALBERICH.

Stör ich dich wohl

im stillen Geschäft,

wenn du hier stiehlst?

MIME.

Was ich erschwang

mit schwerer Müh,

soll mir nicht schwinden.

ALBERICH.

Hast du dem Rhein

das Gold zum Ringe geraubt?

Erzeugtest du gar

den zähen Zauber im Reif?

MIME.

Wer schuf den Tarnhelm,

der die Gestalten tauscht?

Der sein bedurfte,

erdachtest du ihn wohl?

ALBERICH.

Was hättest du Stümper

je wohl zu stampfen verstanden?

Der Zauberring

zwang mir den Zwerg erst zur Kunst.

MIME.

Wo hast du den Ring?

Dir Zagem entrissen ihn Riesen.

Was du verlorst,

meine List erlangt es für mich.

ALBERICH.

Mit des Knaben Tat

will der Knicker nun knausern?

Dir gehört sie gar nicht,

der Helle ist selbst ihr Herr.

MIME.

Ich zog ihn auf;

für die Zucht zahlt er mir nun:

für Müh und Last

erlauert ich lang meinen Lohn.

ALBERICH.

Für des Knaben Zucht

will der knickrige,

schäbige Wicht

keck und kühn

wohl gar König nun sein?

Dem räudigsten Hund

wäre der Ring

gerat'ner als dir,

nimmer erringst

du Rüpel den Herrscherreif!

MIME kratzt sich den Kopf.

Behalt ihn denn,[707]

und hüt ihn wohl,

den hellen Reif;

sei du Herr,

doch mich heiße auch Bruder!

Um meines Tarnhelms

lustigen Tand

tausch ich ihn dir;

uns Beiden taugt's,

teilen die Beute wir so.


Er reibt sich zutraulich die Hände.


ALBERICH mit Hohnlachen.

Teilen mit dir?

Und den Tarnhelm gar?

Wie schlau du bist!

Sicher schlief ich

niemals vor deinen Schlingen!

MIME außer sich.

Selbst nicht tauschen?

Auch nicht teilen?

Leer soll ich gehn?

Ganz ohne Lohn?


Kreischend.


Gar nichts willst du mir lassen?

ALBERICH.

Nichts von Allem!

Nicht einen Nagel

sollst du mir nehmen.

MIME in höchster Wut.

Weder Ring noch Tarnhelm

soll dir denn taugen,

nicht teil ich nun mehr!

Gegen dich doch ruf ich

Siegfried zu Rat

und des Recken Schwert;

der rasche Held,

der richte, Brüderchen, dich!


Siegfried erscheint im Hintergrund.


ALBERICH.

Kehre dich um!

Aus der Höhle kommt er daher.

MIME sich umblickend.

Kindischen Tand

erkor er gewiß.

ALBERICH.

Den Tarnhelm hält er.

MIME.

Doch auch den Ring.

ALBERICH.

Verflucht! Den Ring?

MIME hämisch lachend.

Laß ihn den Ring dir doch geben!

Ich will ihn mir schon gewinnen.


Mime schlüpft mit den letzten Worten in den Wald zurück.
[708]

ALBERICH.

Und doch seinem Herrn

soll er allein noch gehören.


Er verschwindet im Geklüft. – Siegfried ist, mit Tarnhelm und Ring, während des Letzteren langsam und nachsinnend aus der Höhle vorgeschritten: er betrachtet gedankenvoll seine Beute und hält auf der Höhe des Mittelgrundes wieder an.


SIEGFRIED.

Was ihr mir nützt,

weiß ich nicht;

doch nahm ich euch

aus des Horts gehäuftem Gold,

weil guter Rat mir es riet.

So taugt eure Zier

als des Tages Zeuge,

es mahne der Tand,

daß ich kämpfend Fafner erlegt,

doch das Fürchten noch nicht erlernt.


Er steckt den Tarnhelm sich in den Gürtel und den Reif an den Finger. – Stillschweigen. – Siegfried achtet unwillkürlich wieder des Vogels.


STIMME DES WALDVOGELS.

Hei! Siegfried gehört

nun der Helm und der Ring.

O! traute er Mime

dem treulosen nicht!

Hörte Siegfried nur scharf

auf des Schelmen Heuchlergered!

Wie sein Herz es meint,

kann er Mime verstehn:

so nützt ihm des Bluts Genuß.


Siegfrieds Miene und Gebärde drücken aus, daß er den Sinn des Vogelsanges wohl vernommen. Er sieht Mime sich nähern und verbleibt, ohne sich zu rühren, auf sein Schwert gestützt, beobachtend und in sich geschlossen, in seiner Stellung auf der Anhöhe bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes.


MIME schleicht heran und beobachtet vom Vordergrund aus Siegfried

Er sinnt, und erwägt

der Beute Wert: –

weilte wohl hier

ein weiser Wandrer,

schweifte umher,[709]

beschwatzte das Kind

mit list'ger Runen Rat?

Zwiefach schlau

sei nun der Zwerg;

die listigste Schlinge

leg ich jetzt aus,

daß ich mit traulichem

Truggerede

betöre das trotzige Kind.


Er tritt näher an Siegfried heran und bewillkommnet diesen mit schmeichelnden Gebärden.


Willkommen, Siegfried!

Sag, du Kühner,

hast du das Fürchten gelernt?

SIEGFRIED.

Den Lehrer fand ich noch nicht.

MIME.

Doch den Schlangenwurm,

du hast ihn erschlagen?

Das war doch ein schlimmer Gesell?

SIEGFRIED.

So grimm und tückisch er war,

sein Tod grämt dich doch schier,

da viel üblere Schächer

unerschlagen noch leben.

Der mich ihn morden hieß,

den haß ich mehr als den Wurm!

MIME sehr freundlich.

Nur sachte! Nicht lange

siehst du mich mehr:

zum ew'gen Schlaf


Süßlich.


schließ ich dir die Augen bald.

Wozu ich dich brauchte,


Wie belobend.


hast du vollbracht;

jetzt will ich nur noch

die Beute dir abgewinnen;

mich dünkt, das soll mir gelingen,

zu betören bist du ja leicht.

SIEGFRIED.

So sinnst du auf meinen Schaden?

MIME verwundert.

Wie sagt ich denn das? –


Zärtlich fortfahrend.


Siegfried! Hör doch, mein Söhnchen!

Dich und deine Art

haßt ich immer von Herzen;


Zärtlich.
[710]

aus Liebe erzog ich

dich Lästigen nicht:

dem Horte in Fafners Hut,

dem Golde galt meine Müh.


Als verspräche er ihm hübsche Sachen.


Gibst du mir das

gutwillig nun nicht,


Als wäre er bereit, sein Leben für ihn zu lassen.


Siegfried, mein Sohn,

das siehst du wohl selbst,


Mit freundlichem Scherz.


dein Leben mußt du mir lassen.

SIEGFRIED.

Daß du mich hassest,

hör ich gern:

doch auch mein Leben muß ich dir lassen?

MIME ärgerlich.

Das sagt ich doch nicht?

Du verstehst mich ja falsch!


Er sucht sein Fläschchen hervor.


Sieh, du bist müde

von harter Müh.

Brünstig wohl brennt dir der Leib,

dich zu erquicken

mit queckem Trank

säumt' ich Sorgender nicht:

als dein Schwert du dir branntest,

braut' ich den Sud;

trinkst du nun den,

gewinn ich dein trautes Schwert

und mit ihm Helm und Hort. –


Kichernd.


Hihihihihihi!

SIEGFRIED.

So willst du mein Schwert,

und was ich erschwungen,

Ring und Beute mir rauben?

MIME heftig.

Was du doch falsch mich verstehst!

Stamml' ich, fasl' ich wohl gar?

Die größte Mühe

geb ich mir doch,

mein heimliches Sinnen

heuchelnd zu bergen,

und du dummer Bube

deutest Alles doch falsch!

Öffne die Ohren![711]

Und vernimm, genau!

Höre, was Mime meint. –


Wieder sehr freundlich, mit ersichtlicher Mühe.


Hier nimm, und trinke dir Labung;

mein Trank labte dich oft:

tatst du auch unwirsch,

stelltest dich arg,

was ich dir bot –

erbost auch – nahmst du doch immer.

SIEGFRIED.

Einen guten Trank

hätt ich gern:

wie hast du diesen gebraut?

MIME lustig scherzend, als schildere er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten solle.

Hei! So trink nur,

trau meiner Kunst!

In Nacht und Nebel

sinken die Sinne dir bald;

ohne Wach und Wissen

stracks streckst du die Glieder.

Liegst du nun da,

leicht könnt ich

die Beute nehmen und bergen:

doch erwachtest du je,

nirgends wär ich

sicher vor dir,

hätt ich selbst auch den Ring.

Drum mit dem Schwert,

das so scharf du schufst,


Mit einer Gebärde ausgelassener Lustigkeit.


hau ich dem Kind

den Kopf erst ab:

dann hab ich mir Ruh, und auch den Ring!


Kichernd.


Hihihihihihi!

SIEGFRIED.

Im Schlafe willst du mich morden?

MIME wütend ärgerlich.

Was möcht ich? Sagt ich denn das? –


Er bemüht sich, den zärtlichsten Ton anzunehmen.


Ich will dem Kind


Mit zärtlichster Deutlichkeit.


nur den Kopf abhau'n!


Mit dem Ausdruck herzlicher Besorgtheit für Siegfrieds Gesundheit.
[712]

Denn haßte ich dich

auch nicht so sehr

und hätt ich des Schimpfs

und der schändlichen Mühe

auch nicht so viel zu rächen,


Sanft.


aus dem Wege dich zu räumen

darf ich doch nicht rasten:


Wieder scherzend.


wie käm ich sonst anders zur Beute,

da Alberich auch nach ihr lugt?


Er gießt den Saft in das Trinkhorn und führt dieses Siegfried mit aufdringlicher Gebärde zu.


Nun, mein Wälsung!

Wolfssohn du!

Sauf und würg dich zu Tod!

Nie tust du mehr 'nen Schluck! Hihihihihi!


Siegfried holt mit dem Schwert aus.


SIEGFRIED.

Schmeck du mein Schwert,

ekliger Schwätzer!


Er führt wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden.


ALBERICHS STIMME hohnlachend aus dem Geklüfte.

Hahahahahahahahahahahahaha!

SIEGFRIED hängt, auf den am Boden Liegenden blickend, ruhig sein Schwert wieder ein.

Neides Zoll

zahlt Nothung:

dazu durft ich ihn schmieden.


Er rafft Mimes Leichnam auf, trägt ihn auf die Anhöhe vor den Eingang der Höhle und wirft ihn dort hinab.


In der Höhle hier

lieg auf dem Hort!

Mit zäher List

erzieltest du ihn;

jetzt magst du des wonnigen walten!

Einen guten Wächter

geb ich dir auch,

daß er vor Dieben dich deckt.


Er wälzt mit großer Anstrengung den Leichnam des Wurmes vor den Eingang der Höhle, so daß er diesen ganz damit verstopft.
[713]

Da lieg auch du,

dunkler Wurm!

den gleißenden Hort

hüte zugleich

mit dem beuterührigen Feind:

so fandet Beide ihr nun Ruh!


Er blickt eine Weile sinnend in die Höhle hinab und wendet sich dann langsam, wie ermüdet, in den Vordergrund. Er führt sich die Hand über die Stirn.


Heiß ward mir –

von der harten Last.

Brausend jagt

mein brünst'ges Blut!

Die Hand brennt mir am Haupt. –

Hoch steht schon die Sonne;

aus lichtem Blau

blickt ihr Aug

auf den Scheitel steil mir herab. –

Linde Kühlung

erkies ich unter der Linde.


Er streckt sich unter der Linde aus und blickt wieder durch die Zweige hinauf.


Noch einmal, liebes Vöglein, –

da wir so lang

lästig gestört, –

lauscht ich gerne deinem Sange:

auf dem Zweige seh ich

wohlig dich wiegen;

zwitschernd umschwirren

dich Brüder und Schwestern,

umschweben dich lustig und lieb. –

Doch ich bin so allein,

hab nicht Brüder noch Schwestern:

meine Mutter schwand, –

mein Vater fiel:

nie sah sie der Sohn.

Mein einz'ger Gesell

war ein garstiger Zwerg;


Warm.


Güte zwang

uns nie zu Liebe:

listige Schlingen[714]

warf mir der Schlaue;

nun mußt ich ihn gar erschlagen!


Er blickt schmerzlich bewegt wieder nach den Zweigen auf.


Freundliches Vöglein,

dich frage ich nun.

Gönntest du mir

wohl ein gut Gesell?

Willst du mir das Rechte raten?

Ich lockte so oft,

und erlost es mir nie.

Du, mein Trauter,

träfst es wohl besser;

so recht ja rietest du schon.


Immer leiser.


Nun sing! Ich lausche dem Gesang.

STIMME DES WALDVOGELS.

Hei! Siegfried erschlug

nun den schlimmen Zwerg!

Jetzt wüßt ich ihm noch

das herrlichste Weib:

auf hohem Felsen sie schläft,

Feuer umbrennt ihren Saal:

durchschritt er die Brunst,

weckt er die Braut,

Brünnhilde wäre dann sein!

SIEGFRIED fährt mit Heftigkeit vom Sitze auf.

O holder Sang!

Süßester Hauch!

Wie brennt sein Sinn

mir sehrend die Brust!

Wie zückt er heftig

zündend mein Herz?

Was jagt mir so jach

durch Herz und Sinne?

Sag es mir, süßer Freund!


Er lauscht.


STIMME DES WALDVOGELS.

Lustig im Leid

sing ich von Liebe.

Wonnig aus Weh'

web ich mein Lied:

nur Sehnende kennen den Sinn.

SIEGFRIED.

Fort jagt mich's

jauchzend von hinnen,

fort aus dem Wald auf den Fels'.[715]

Noch einmal sage mir,

holder Sänger:

werd ich das Feuer durchbrechen?

Kann ich erwecken die Braut? –


Siegfried lauscht nochmals.


STIMME DES WALDVOGELS.

Die Braut gewinnt,

Brünnhild erweckt

ein Feiger nie:

nur wer das Fürchten nicht kennt.

SIEGFRIED aufjauchzend.

Der dumme Knab,

der das Fürchten nicht kennt,

mein Vöglein, der bin ja ich!

Noch heute gab ich

vergebens mir Müh,

das Fürchten von Fafner zu lernen:

nun brenn ich vor Lust,

es von Brünnhild' zu wissen!

Wie find ich zum Felsen den Weg?


Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran.


SIEGFRIED.

So wird mir der Weg gewiesen:

wohin du flatterst,

folg ich dir nach!


Er läuft dem Vogel, welcher ihn neckend eine Zeit lang unstet nach verschiedenen Richtungen hinleitet, nach und folgt ihm endlich, als dieser mit einer bestimmten Wendung nach dem Hintergrunde davonfliegt.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 706-716.
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