Die zweiundfunfzigste Fabel.

Von Tieren, Vögelen und Fischen.

[233] Es gschah einsmals auf eine zeit,

Hub sich ein großer böser streit;

Die vögel über die tier klagten,

Mit einem feindsbrief in absagten.

Sie wolten zu gelegnen zeiten

Sich rüsten, wider sie zu streiten.

Des erschracken gar ser die tier

Und sprachen: »Sollen streiten wir

Mit den vögeln so hoch dort oben,

Die schlacht wir schon verloren haben.«

Der biber sprach: »Wölt nicht verzagen!

Ich wil euch meine meinung sagen:

Die fisch im waßer sind behend,

Können schwimmen an alle end:

Mit den wölln wir in disen sachen

Ein frieden und verbündnus machen;

Wenn wir die han auf unser seiten,

Wölln wir die vögel wol bestreiten.«

Sie schickten hin zur selben stund

Und machten mit in ein verbund,

Daß sie es solten helfen retten

Und zu in in den nöten treten.

Die fische namen an den pact

Und versiegelten den contract:

Sie solten sich als guts versehen;

Wurd in etwas zuwidern gschehen,

Soltens bei zeiten zeigen an,

Sie wolten treulich bei in stan.

Boten den vögeln an die schlacht;

Die rüsten sich mit aller macht,

Hoch in der luft ein großes her,

Stellten sich dapfer zu der wer.

Die tier zohen heufig zu feld

Und schlugen da auf ire zelt,[234]

Wolten die wagenburg nicht reumen,

Schickten zun fischen ohne seumen,

Daß sie bald wolten ausher laufen

Und machen den verlornen haufen,

Das wer ir bitt und höchst begern,

Denn jetzt die feind fürhanden wern.

Da antworten dieselben fisch:

Zu lande weren sie nicht risch,

Sie könten weder gen noch reiten,

Könten auch nicht zu felde streiten;

Zu waßer wöllns tun, was sie söllen:

Darnach möchtens ir ordnung stellen.

Solchs ward den tieren angesagt;

Da warens an in selbst verzagt,

Dorften sich raus begeben nit,

Drumb suchtens bei den feinden fried.

Du solt mit den nicht freundschaft machen,

Die in widerwertigen sachen,

Wenn dich der feind gedenkt zu letzen,

Mit keinem trost mögen entsetzen,

Sondern hilf suchen bei dem man,

Der dich in nöten retten kan.

Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 1, Leipzig 1882, S. 233-235.
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