Die siebente Fabel.

Von der Kräen.

[157] Die dürstig kräe ein eimer fand

Halb voll waßer auf jenem fand:

Sie sprach: buckstu dich nein, zu trinken,

Du möchtest leicht darin versinken;

Gedacht, daß sie in möcht umbkere,

Er war ir aber vil zu schwere,

Und sie war auch zu schwach alleine.

Sie lief bald hin und las vil steine

Und warf sie in den eimer dar,

Davon das waßer stieg empor,

Daß sie sich trenkt und frölich macht,

Das hat ir kluge list erdacht.

Was du mit macht nit kanst gewinnen,

Dasselb mustu mit list beginnen,

Und was die sterk nicht geben hat,

Dasselb muß suchen ein weiser rat,

Wie die sieben und sechzigst fabel hat.

Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 1, Leipzig 1882, S. 157.
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