Die fünfundsiebzigste Fabel.

Vom Bischof und einem Lotterbuben.

[259] Zum bischof kam ein lotterbub,

Sein bengel gegen im aufhub

Und bat in, daß er im da bar

Ein gülden geb zum neuen jar.

Der bischof war ein karger man,

Den freiet sah er scheußlich an,

Sprach: »Bist unsinnig! hab den ritten!

Darfst umb ein gülden neujar bitten?«

Der bub sprach: »Schont, gnediger herr!

Ob denn ein güld zu vile wer,

Gebt ein batzen, ich nem in an,

Daß ir ein gut neujar müst han.«

Er sprach: »Du bittest ja zu vil!«

Er sprach: »Ein kleines nemen wil,

Daß ich mag haben eure gnad!«

Zuletst in umb ein pfenning bat;

Denselben er im auch nicht gab.

Er sprach: »Daß ich dennoch was hab,

Von euern gnaden bger sonst nit,

Denn teilt mir euern segen mit!«

Er sprach: »Knie nider, lieber son,

Daß du denselben magst entpfahn!«

Da sprach der bub: »Behalt eurn segen!

Ir dörft in zwar auf mich nit legen.

Ja, wenn er wer eins pfennings wert,

Würd er mir nicht von euch beschert.«

Die fabel tut gar weidlich strafen

Die geistlich, bischof, mönch und pfaffen,

Die wol solten umb ein carlin

All geistlich güter geben hin;[260]

Daß sie ein gülden mögen retten,

Dörfen all sacrament verwetten,

Welchs jetzund in gar kurzen jarn

Teutschland mit schaden hat erfarn,

Wie sie uns mit dem bann gefatzt,

Mit dem ablaß als zu sich kratzt,

Mit irer triegerei geschunden,

Daß wirs auch schwerlich han verwunden.

Gott sei gelobet, daß wir han

Die augen jetzt recht aufgetan,

Allein auf Christum uns verlaßen,

Den babst und bischof faren laßen.

Für mein person hab michs erwegen,

Für gelt kauf ich nit iren segen,

Irn ablaß wil umbsunst nicht han,

So schadt mir nicht ir greulich ban.

Schadt nicht, daß sie mich darumb haßen,

Wenn ich mich kan auf Gott verlaßen.

Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 1, Leipzig 1882, S. 259-261.
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