Die hundertste Fabel.

Wie ein Barfüßer Mönch predigt.

[124] Under anderm irrtum, damit die christen

Betrogen wurden von papisten,

War diß auch nit der gringsten einer,

Daß sie uns mit der heilgen feier

Und ir fürbitt han gefaßt,

Dmit unsern schweiß schier gar abschatzt.

Jeglicher orden het sein bsonder,

Das hieltens für ein merwunder.

Sonderlich warn die franciscanen

In solchem korb die besten hanen,

Und allermeist die observanzen,

Die so hoch rümen iren Franzen,

Der zu Assis prechtig begraben,

Vom bapst Gregori ward erhaben

Und in sein canon angeschrieben,

Damit sie han vil wunders trieben

Und vil capitel drüber ghalten;

Doch seins der meinung noch gespalten,

Daß sie im selben ganzen orden

Noch heutigs tags nit eins sein worden,

In welchem chor ir Franz im hemmel

Sitz, auf einr bank oder auf eim schemel,

Und sein so irrig in den sachen,

Daß man der torheit wol mocht lachen.

Darumb auch einst auf seinen tag,

Den man gar hoch zu feiren pflag,

Ir einr tet garn tapfern sermon,

Erhub in schier in höchsten tron

Und hielt den Franzen also her,

Gleich ob er Christus selber wer.

Da ern het hoch ghaben, zuletzen

Wist er nit, wo ern hin solt setzen,[125]

Da er sein wirdig stete fünd

Und nichts von seiner er entstünd,

Fand kein heilgen im himelreich,

Der seinem Franzen were gleich.

Da er nun fast het umb geschwermt

Und für den blinden gnug geschermt,

Sprach: »Lieben freund, rat selber zu,

Wo ich in hin sol setzen nu.

Im himel und erd find kein gnoßen,

Wo sol ich in zuletst denn loßen?«

Ein alter baur gegen im saß,

Der aus einfalt on allen haß

Mit lauter stimm rief: »Lieber herr,

Ich bit euch, setzt in doch hieher

In meine stett, ich wil auch gern

Aufsten dem heilgen man zu ern;

Weil er nit, wie ich kan ermeßen,

Hat in dreihundert jaren gseßen

Zur forderung seins heilgen orden,

Solt er des stens wol müd sein worden.«

Ein jeder siht jetzund, Gott lob!

Wie unverschamt und wie gar grob

Uns hat das schendlich bapstsgeschwürm

Mit allem gift wie bös gewürm

So überschütt und gar ertrenkt

Und in irn teufels dreck versenkt,

Daß wir bald (schand ists, daß mans redt)

Irn stank und unflat angebet.

So listig warn dieselben buben,

Daß sie auch gegen uns aufhuben

So manchen greul durch falsche list,

Daß nit gnug auszusagen ist.

Wil all die andern faren lan:

Man sehe nur an ein franciscan!

In dem daß sie namen kein gelt,

Betrogen sie die ganze welt,[126]

Daß mans mit haufen zuhin trug,

Und hetten gelts und gutes gnug;

Man brachts bei tausent und bei hundert,

So vil, daß sies oft selber wundert,

Welchs offenbar und so am tag,

Daß auch ir keiner leugnen mag,

Daß, wenn man ir gebeu ansicht,

Der groß und vil sein aufgericht,

Und merkt auf iren hohen pracht,

Siht man oft königliche macht:

In teutschem land vil schöner gbeu

In allen städten alt und neu,

Daß man sichs wol verwundern möcht,

Wies als durch betlen zamen gsucht;

Im Welschland da hats keine maß,

Wie gar köstlich, schön, weit und groß,

Daß eim könig von Engelland

Darin zu wonen wer kein schand.

Daß ich von andern all laß ab,

Der ich vil da gesehen hab,

So ist das kloster zu Asseis

Uber alle maß und aus der weis

So köstlich an ein berg gebaut,

Daß, wenn mans auch von fern anschaut,

So wers eim türkischen keiser gnug,

Drin zu wonen nach allem fug;

Es hat dreihundert großer zellen,

In jede wol drei bet möcht stellen;

Das reventer ist ungelogen

So lang, als man mit stälen bogen

Möcht schießen, mit marmorpfeilern gsundert

Und großen fenstern, daß ein wundert;

Der andern gmach und großen sal

Und köstlich gärten ist kein zal,

Und all gmach mit steinen gewelb,

Die ich all hab durchsehen selb.

Zwo hohe kirchen ob einander,

Drin man wie im paradeis mag wandern;[127]

Gepflastert sein von end zu end

Mit gar köstlichen paviment,

Künstlich gsetzt, kost vil tausent zwar;

Ein dreifach gstüle oben im chor,

Darin bei zweihundert person

Neben und hindern ander stan,

Von holz gebaut so meisterlich,

Daß ich mein tag nie sahe desgleich;

Und sonst vil ander köstlichs dings,

Die zwar nit kauft sein umb ein grings,

Daß ich acht, wenn mans rechnen wolt,

Daß auch wol solt an gutem golt

Zu etlich hundert tausent glangen:

Solch große fisch han sie gefangen

Mit büberei und bösem garn,

Damit die ganze welt durchfarn.

Doch rümen sich der armut groß,

Als hettens nichts und wern gar bloß,

Ungern griffens ein pfenning an;

Wenn aber stirbt ein reicher man,

Erlangen sie ein testament,

Das in oft etlich hundert rent.

Und ist vorwar weislich bedacht,

Da sies erst haben dahin bracht,

Man sahe, daß sie kein gelt nit namen

Und doch zu großem reichtum kamen.

Hat in Franciscus geben solch gaben,

So hat er sie zu herrn erhaben

Und in die ganze welt eingeben,

Drumb sie in auch billich hoch heben,

Sonderlich da sie das erfunden:

Nach seinem tot machten fünf wunden,

Daß er für alln heilgen allein

Auch Christo solt gleichförmig sein,

Und man in gleich wie Gott solt preisen,

Welchs ire eigne schrift beweisen[128]

Und in dem buch gnugsam bekennen,

Welchs sie conformitatum nennen,

Auch mit der tat noch heut anzeigen,

Weil sie sich vor seim namen neigen,

So doch die hohe göttlich er

Gbürt Gott allein, sonst niemand mer.

Und han dieselben wunden fünf

In erworben großen triumph,

Da sie han lang geschwebt so hoch.

Die andern woltens in tun noch,

Beredten ein Katharin von Senen

Mit zauberei und großen penen,

Daß sie sich drein begeben tet,

Als ob sie auch fünf wunden het;

Da mans besahe mit irn fünf wunden,

Da wurden ir wol sechs gefunden,

Die mittelst war die allergröst,

War auch die erst und blieb die letst.

Denn all die andern gmachte wunden

Mit der zeit heilten und verschwunden,

Allein dieselbig ward nit heil,

Denn da war vil ein ander feil.

Der stück wolt ich wol mer anzeigen,

Wil aber jetzt die feder schweigen,

Denn alles ist klarer am tag,

Denn mans schreiben oder sagen mag.


Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 2, Leipzig 1882, S. 124-129.
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