Die sechsundvierzigste Fabel.

Wie ein Hund ward zu Gast geladen.

[42] Sein freund ein man zum eßen lud,

Wie ein nachbaur dem andern tut;

Sprach: »Wolt doch komen zu der stund!«

Da lud sein hund des andern hund,

Daß er auch kem mit seinem herrn

Und mit einander frölich wern.[42]

Der herr kam; der hund seumet nicht,

Sahe, daß war köstlich zugericht,

Dacht: wilt dich heut also versorgen,

Daß du gnug hast auf übermorgen.

Gieng mit dem andern hund in dküchen,

Er nascht und tet fast umbher suchen.

Das sahe der koch on als gefar,

Daß ein fremder hund da war.

Beim schwanz erwischt in da der koch,

Warf in rücklings durchs küchenloch

In tiefen kat naus auf die gaßen.

Davor ein haufen hunde saßen,

Sprachen: »Du hast so wol gelebt,

Daß dir der dreck an oren klebt.«

Er sprach: »Ich hatt mich voll gesoffen

Und bin also hindurch geschloffen:

Das han gemacht die süßen bißen,

Daß ich bin umb und umb beschißen.«

Wenn eim das glücke tut entlaufen,

Schleht jederman dreck auf mit haufen;

Wer schaden und den unfall hot,

Der darf nit sorgen für den spot.

Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 2, Leipzig 1882, S. 42-43.
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