Vierter Auftritt

[287] PELOPIA allein.

Wo bin ich? alles dreht

Sich um mich her, wie in mir mein Gehirn! –

Mein Busen klopft; mein Auge schwimmt in Tränen,

Mein Herz in Blut! – Thyest! so sollst du sterben?

Ist's Mitleid, Menschlichkeit, die für dich flehn?

In meiner Brust mit lauter Stimme flehn!

Und ach! Aegisth! – der soll dein Mörder sein?[287]

Mein Sohn? grausame Tat! ... wie hass' ich dich! –

Mir dünkt, ich fühle sie! durch jedes Glied

Fährt mörderisch ein Dolch! – Unglücklicher!

Zu welchen Furien der Hölle soll

Ich flehn, daß sie mich waffnen? ach! sie sind

Des Atreus Götter! ... hat nicht Atreus recht? –

Droht nicht das Panthertier des Löwen Stolz

Mit blut'gem Zahn? –


In einer Art von Raserei, nach einer Pause.


Ja, Furien, herauf!

Zerbrecht der Hölle dreifach eisern Tor,

Treibt mich, treibt den Aegisth! – Ihr kommt, ihr kommt!

Der blut'gen Geißel Schwung braust durch die Luft,

Die Funken sprühn aus halbverbrannten Fackeln,

Es schwellen blau die hagern Wangen auf:

Den ausgefreßnen Leib umschlinget schon

Das schwarze Leichenkleid! es rauscht die Furcht

Der bangen Mitternacht in Fittichen

Von Spinnen ausgewebt, schwarz über mir!

Ha, gebt mir einen Dolch! – Er sterb, er sterbe!

Umsonst flehst du, mein Sohn, für den Thyest!

Stoß oder stirb ... Er kömmt! – er komme nur!

Mir dünkt, ich bin itzt eine der Mänaden; –

Wär' es Thyestes selbst, ich fürcht' ihn nicht!


Quelle:
Das Drama des Gegeneinander in den sechziger Jahren, Trauerspiele von Christian Felix Weiße. Leipzig 1938, S. 287-288.
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