Siebender Auftritt

[116] DER KÖNIG allein, er tappt im Finstern umher. Wo bin ich? oder wo soll ich zu? – beynahe laufe ich schon zwey Stunden umher, ohne einen Ausgang zu finden – ich muß nur sehen – aber es ist so finster – – Greift auf den Boden umher. das ist kein gebahnter Weg! – – warlich! mitten im Holze! mitten im Gestränche! – – meine eigne Schuld! es verlohnt sich der Mühe, daß ich mich meine Jagdlust so weit habe verführen lassen. Um eines Hirsches willen?

Was sind die Menschen nicht für Thoren!

Nicht Einer bleibt von Schwachheit frey.

Wo lebt ein Held, der nicht, so hoch er auch geboren,[116]

Der Leidenschaften Sklave sey?

Gefahren macht er sich zur Freude,

Vergißt im Taumel Recht und Pflicht:

Ob er, und ob ein andrer leide,

Dieß rührt ihn nicht!

Nur das thut mir weh, daß meine armen Leute meinetwegen in tausend Aengsten seyn werden! – Was ist zu thun? – das Unglück, sich verirrt zu haben, ist endlich so groß nicht – – Ah! bin ich doch so müde! – – ich will mich nur ein wenig niedersetzen – Er setzt sich am Fuße eines Baumes. In der That! hier sitzt sichs nicht übel! – Itzt darf ich mich eben nicht mehr wundern, warum der fleißige Arme auf seinem harten Lager süßer schläft, als wir auf unsern Schwanenfedern. – Arbeit! Arbeit und Sorglosigkeit! – Es braucht nicht viel, daß ich hier sanft einschlummre. – Er legt[117] sich einen Augenblick. Mich dauret nur der ehrliche Treuwerth! – der hat sich gewiß auch verloren. – Schon zehnmal hat er mir bewiesen, daß das Jagen nichts weniger, als eine königliche Lust seyn sollte. – Er hat Recht. Nun, er wird mir eine schöne Predigt halten! Er hat Recht! Er hat Recht! Die Wahrheit aus dem Munde eines tugendhaften Mannes, so hart sie auch klingt, ist doch tausendmal mehr werth, als alle Schmeicheleyen eines ganzen Hofes, der es nur gut mit sich, nicht mit uns meynt. – Wenn ich ein wenig schlafen könnte, das wäre so übel nicht! Vielleicht gewönne ich wieder so viel Kräfte, meinen Weg weiter aufzusuchen. Laß sehen! – Er legt sich einige Augenblicke nieder, es geschieht ein Schuß, der König springt auf, und zieht seinen Degen.[118]


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 116-119.
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