Erster Auftritt

[134] Albertine. Annchen.


ALBERTINE tritt mit Annchen ein. Bist du schon festlich gekleidet?

ANNCHEN. Ja wohl! wenn Sie nur sehen könnten, wie hübsch ich bin. Die Amtsräthin hier neben an hat mir ein Kleid von ihrer Tochter geschenkt. Ich darf mich auch nicht viel bewegen, damit jede Falte in Ordnung bleibt. Die Leute sagen, ich sähe darin wie ein Fräulein aus. Gibt sich Ansehen.

ALBERTINE. Dein Haar ist wohl mit Blumen geschmückt?

ANNCHEN. Ja – hier auf der linken Seite zwey schöne Rosen; sie wollten mir auch einen großen Strauß an die Brust stecken, aber – das litt ich nicht.

ALBERTINE. Warum nicht?

ANNCHEN. Weil ich schon einen hatte, der mir lieber ist.[134]

ALBERTINE. Von wem?

ANNCHEN. Ich fand ihn auf der Bank im Garten, Sie hatten ihn von den Blumen gebunden, die ich Ihnen diesen Mittag brachte, und dort vergessen.

ALBERTINE. Die Blumen sind schon welk, neigen das Haupt, wie ich es neige.

ANNCHEN. Und doch sind sie mir so lieb! Der Käthe ihr Brautkranz ist recht hübsch, aber mein Sträußchen würde ich ihr doch nicht dafür geben. Halt, Annchen, versprich nicht zu viel! Wenn ich den Kranz dafür eintauschen, und Ihnen bringen könnte, dafür gäbe ich mein liebes Sträußchen her.

ALBERTINE. Höre, Annchen! hast du den Herrn gesehen, der früher hier war?

ANNCHEN. Was sollte ich nicht? Ich habe ihm ja die Thüre gezeigt; aber er blieb lange unentschlossen stehen, ob er sie öffnen sollte, gab mir dann ein Stück Geld, und hieß mich gehen. Das machte mich recht ängstlich, aber – weil er so freundlich war, faßte ich doch wieder Muth, und dachte – der wird ihr nichts zu Leide thun.

ALBERTINE. War er freundlich?[135]

ANNCHEN. Fast so freundlich, wie Sie es sind, wenn ich Ihnen einen kleinen Dienst erzeige.

ALBERTINE. Und wie sah er – aber – man wird auf dich warten.

ANNCHEN. Ach nein, es sind noch nicht Alle beysammen; und wenn sie auch warten müßten, fragen Sie nur.

ALBERTINE schüchtern. Wie sah er aus?

ANNCHEN. Recht hübsch! Der Käthe ihr Bräutigam gilt für einen hübschen Burschen, aber der reicht ihm das Wasser nicht.

ALBERTINE lächelnd. Er gefällt dir?

ANNCHEN. Recht sehr! Wenn es einmal mit mir so weit kommen sollte, wie heute mit der Käthe, und ich einen solchen Mann bekäme, der wäre mir schon recht.

ALBERTINE. Wirklich?

ANNCHEN seufzt. Aber damit hat's noch lange Zeit.

ALBERTINE. Sprach er viel mit dir?

ANNCHEN. Ja wohl, und seine Stimme war so sanft – so gut – er sagte: liebes Kind – aber so hat noch Niemand liebes Kind zu mir gesagt.[136]

ALBERTINE. Erzähle mir alles, was er sprach.

ANNCHEN. Nun, er sagte: liebes Kind – warten Sie, ich will so reden, wie er. Ahmt ihm nach. Liebes Kind – er hieß mich Kind, weil er nicht wissen konnte, daß ich schon eine Brautjungfer sey – liebes Kind – wohnt hier nicht eine Frau mit ihrer Tochter, die – hier hielt er inne; aber ich verstand ihn doch, und führte ihn zu Ihrer Thüre.

ALBERTINE seufzt. Die erblindet ist – wollte er sagen.

ANNCHEN. Er sagte es nicht. Als ich der Mutter das Geld brachte, schlug sie die Hände zusammen, sagte, es sey viel werth, und fragte mich, ob ich ihm auch dafür gedankt?

ALBERTINE. Nun wird es Zeit, Annchen; gehe nun dahin, wo Lust und Frohsinn deiner warten.

ANNCHEN. Ach nein! wenn ich Sie traurig weiß, kann ich nicht fröhlich seyn.

ALBERTINE gibt ihr gerührt die Hand. Liebes Kind!

ANNCHEN freudig. Das war fast so, wie er es sagte.

ALBERTINE. Gehe jetzt –[137]

ANNCHEN. Ich werde aber doch immer an Sie denken; und wenn ich neben der Käthe in der Kirche stehe, will ich den lieben Gott bitten, daß er mich auch einmal neben Ihnen so stehen läßt.

ALBERTINE unruhig. Nie, nie – schweige davon, ich bitte dich.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 134-138.
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