Dritter Auftritt

[139] Albertine. Madame Wölbing.


MADAME WÖLBING. Bist du jetzt gefaßt, Albertine, einen Mann zu empfangen, der so warmen Theil an deinem Schicksal nimmt?

ALBERTINE unruhig. Noch nicht, meine Mutter, noch nicht!

MADAME WÖLBING. Wie soll ich seiner dringenden Bitte länger ausweichen? Soll er in dem Mädchen, das seine Achtung so hoch über das gewöhnliche Weib stellt, Ziererey und gewöhnliche Weiberlaune argwöhnen?

ALBERTINE. Könnte er das?

MADAME WÖLBING. Allerdings, mein Kind.

ALBERTINE. Dann muß ich ihn sprechen. Nur Eines beantworten Sie mir. Glauben Sie, daß der Wunsch, mich kennen zu lernen, nur aus der reinen Theilnahme für das, was ich leiste, entspringt?

MADAME WÖLBING. Ich glaube es.

ALBERTINE. Mutter! haben Sie in seiner Miene nichts von dem feinen Spott bemerkt, mit dem der überlegene[139] Mann die Versuche des Weibes – selbst wenn er sie nicht ganz verdammen kann, so gerne lächerlich macht?

MADAME WÖLBING. Nein, die Anerkennung deines Talents kam aus den Herzen.

ALBERTINE schnell. Ich fürchte nicht seinen Tadel, nur seinen Spott! Er soll streng, aber er soll redlich seyn. Seine Rüge soll mich belehren, aber sein Witz soll mich nicht erbittern. Können Sie das von ihm erwarten, so bringen sie ihn.

MADAME WÖLBING. Er ist in der Nähe.

ALBERTINE. Ach! es ist das erstemal, daß ich vor einem Manne stehen soll, dem ich durch das Auge nicht in die Seele blicken kann, und – mit Erröthen denke ich daran – der doch schon so tief in meiner Seele gelesen. Beobachten Sie ihn, und wenn er unwerth wäre –

MADAME WÖLBING einfallend. Würde deine Mutter dann seine Fürsprecherin seyn? Vertraue ihm und mir. Ich hole ihn. Geht durch die Mitte ab.

ALBERTINE nach einer Pause, die Hand auf das Herz legend. Was willst du, Herz? es gilt hier nur einer kalten Untersuchung meines Verstandes, dir gilt es nicht. Klopfe leise, daß du, wo man Stärke sucht, meine Schwäche nicht verräthst.[140]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 139-141.
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