Erster Auftritt

[20] Jöran tritt durch die Mitte ein.


JÖRAN zu einem Edelknaben. Jöran bitte Seine Majestät um ein geheim Gehör.

EDELKNABE. seitwärts ab.

JÖRAN allein. Zieht Briefe hervor. Kommt, verrätherische Zeilen, lenkt des schwachen Königs Willen rasch zur That; erstickt den letzten Keim der Bruderliebe. Der euch bestellen sollte, hat von mir das Bothenlohn empfangen, und trägt in diesem Leben keinen mehr. O edle Schreibekunst, dir dank ich endlich das Gelingen meines Plans. Auf einem kleinen Stück Papier sieht man des Menschen Innerstes entfaltet. Was man mir nicht geglaubt, hätt' ich es auch mit tausend Zungen in die Welt geschrien, das glaubt man dir. Er entfaltet einen Brief. Ei seht, wie schief – die Hand hat sehr dabey gezittert – war es Ahnung, daß diese Zeilen dich verderben würden? – ja – das sollen sie. Ich brachte dich nur in den Kerker, nahm dir nur die Freyheit, dieß nimmt dir das Leben. Er war der Liebling seines Vaters, der stets[20] mit Mißtrauen mich an Eriks Seite sah. – Als Knabe zeigte er mir bittern Spott, als Mann verhehlte er nicht seinen Haß und stand mir überall im Wege. Er wollte nicht die Braut, die ich für ihn gewählt, mit Schimpf verließ ich Cassel, wo ich um Landgraf Philipps Tochter für ihn freyte; – mir zum Trotz, und seinem königlichen Bruder zum Hohn nahm er die stolze Pohlinn. Der schwache König hätte es längst vergessen, auch vergeben. – Jöran ist festerer Natur, vergibt nicht; keine Spinne kriecht ungestraft über meinen Weg. Mit tausend Thränen hat er mir schon des Knaben Spott bezahlt; die Schuld des Mannes tilge Blut. Sieht sich um. Der König – Geht ihm entgegen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 20-21.
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