Zweyter Auftritt

[155] Bedienter, die Vorigen.


BEDIENTER. Advocat Wolf mit zwey –

BARONINN. Nur herein. Sag' ich nicht immer, solche Leute soll man nicht warten lassen?

BEDIENTER. Es sind aber zwey Fremde mit ihm.

BARONINN. Fremde? Unglücklicher! es sind Freunde, Verwandte.

BEDIENTER. Es wurden seither so viele Leute abgewiesen.

BARONINN. Die Geld wollen – das war recht, das merk' er sich auch für die Zukunft, die Leute geniren mich immer, aber diese bringen.

BEDIENTER. Wer kann das den Leuten am Gesicht ansehen? Ab.

BARONINN. Dummes Volk! die Gräfinn Raspel hat einen Bedienten, der kennt die Menschen besser. Der sicht ihnen durch die Augen in die Tasche, und zählt auch wohl die Ducaten, die in der Börse sind.

BABETTE. Ist das möglich!

BARONINN. Warum nicht, da man den Leuten durch die Augen in das Herz sieht, welches doch viel besser verwahrt ist. Und selten tragen die Leute von der Güte ihres Herzens so viel im Gesicht, als eine volle Börse ihren wohlthätigen Schimmer über die ganze glückliche Gestalt verbreitet, die sie besitzt. Jetzt gehe, meine Töchter sollen[155] auf den ersten Wink erscheinen. Vertraut. Höre – sollten die guten Kinder etwas blaß aussehen, so rede ihnen zu, ein schwaches Roth aufzulegen, aber daß es Madam Vernon nicht sieht, die macht ihnen sonst weis, man fährt aus der Schminkdose in die Hölle.

BABETTE. Ich will ihnen sagen, daß es der Himmel auf Erden so mit sich bringt, daß alle Engelchen rothe Backen haben müßten. Ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 155-156.
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