Erster Auffzug.


[49] Poto, Rudolf, hernach Girschick, des Königs kleiner Münch. Wazek, dessen lustiger Diener.


POTO. Es ist mir eine schreckliche Sache / daran wir aus viel Ursachen zu zweiffeln haben.

RUDOLF. Ich gestehe es gerne / ich bin nicht dabey gewesen / allein die Erzehlung ist zu klar.

POTO. Soll niemand dem jungen Könige nach dem Leben gestellet haben?

RUDOLF. Allerdings ist zwischen ihm und dem Tode nicht zwey quer-Finger übrig gewesen.

POTO. Und soll ihm ein Pfeil bey dem Gesichte vorbey geflogen seyn?

RUDOLF. Es will so verlauten.

POTO. Ach wer bringet doch solche Zeitungen aus / dadurch das arme Königreich in lauter SUSPICION gesetzet wird.[49]

RUDOLF. Die Warheit nöthiget uns wohl / daß wir an solche SUSPICION gedencken müssen.

POTO. Ich werde zuvor vernehmen / wie glaubwürdig die Zeugen sind.

RUDOLF. Dorte sehe ich zwar etliche / die sich ohne allen Zweiffel werden dabey befunden haben. Doch wo es andre Leute nicht gesehen haben / so können die Zeugen mit guten Gewissen verworffen werden.

POTO. Wir wollen sie doch hören. Ihr lieben Leute kommet doch etwas näher.

GIRSCHICK. Was haben sie zu befehlen?

WAZEK. Und was haben sie zu schaffen?

POTO. Ist es wahr / daß der junge König einige Lebens-Gefahr ausgestanden hat?

GIRSCHICK. Ach ja / man möchte dem Himmel dancken / daß die Gefahr so glücklich abgewendet ist.

WAZEK. Ich war dabey / ob es dem Könige oder mir gegolten hat / das weiß ich nicht.

POTO. So laß mich doch den Verlauff anhören.

GIRSCHICK. Herr wir spatzirten gleich an den Obstgarten hin.

WAZEK. Ey nicht doch / wir waren zuvor im Lustgarten.

GIRSCHICK. Es geschahe doch beym Obstgarten.[50]

WAZEK. Aber zuvor waren wir doch in Lustgarten.

POTO. So viel hab ich gehöret / erzehlet das andre.

GIRSCHICK. Und da verfolgte des Königes kleiner Hund ein Caninchen.

WAZEK. Ich hätte immer gedacht / es wäre ein Eichhörnchen gewesen.

POTO. Daran liegt auch nichts / sagt was weiter erfolget ist.

GIRSCHICK. Als sich nun der König von der andern Gesellschaft absonderte / so kam ein Pfeil / unbewust woher / dem Könige bey dem rechten Ohre vorbey geflogen.

WAZEK. Das ist nun wieder eine Lügen / es war das lincke Ohr.

GIRSCHICK. Ich werde auch wohl wissen / wo das rechte Ohr sitzet.

WAZEK. Und ich werde auch wohl wissen / wo ich einen hinschmeissen soll / wenn ich eine lincke Ohrfeige geben soll.

POTO. Ihr seyd zwey Narren / wer von euch die Warheit erfahren soll / der wird den gantzen Tag einem unnützen Geschwätze beywohnen müssen. Gehet ab.

RUDOLF. WAZEK, WAZEK, du hast mir neulich was angeloben müssen / wirstu mir den kleinen zukünftigen Herr PATER nicht zu frieden lassen / so soll andre Verordnung erfolgen.

GIRSCHICK. Ich werde mich mit sehenden Augen nicht lassen blind machen.[51]

WAZEK. Und ich werde mir meinen RESPECT nicht nehmen lassen / wer weiß / wer nach mir gezielet hat / und nun soll sichs der König annehmen.

RUDOLF. Es sey euch allen beyden Friede geboten. Hier kömmt eine unbekandte Person / macht es so / daß wir nicht Schande davon haben.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 49-52.
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