Andrer Auffzug.


[75] Die Vorigen. Wentzel, Rudolf, ein junger Graff.


RUDOLF. Mein Herr HINKO, die Stunde ist da / wir werden im Reithause zusehen.

HINKO. Ich will gleich folgen. Doch da liegt ein armer Mensch / der ist hertzlich kranck / und ob er gleich ein Bettler ist / so möchte ich doch gerne sehen / daß ihm geholffen würde.

RUDOLF. Wer bey allen krancken Bettlern will stehen / der wird in hundert Tagen kaum eine Meile reisen.

HINKO. Es ist aber gar zu jämmerlich.

RUDOLF. Wenn die Kranckheit nicht jämmerlich aussiehet / so ist sie keine Kranckheit. Er komme fort.

HINKO. Ich komme. Doch mit PERMISSION, daß ich den armen Schelmen mit Schlagbalsam bestreichen darff.

RUDOLF. Ach was soll ihm der Balsam / das RECEPT aus dem Kühstalle vor die Nase gehalten / das wird ihm kräfftiger seyn.

HINKO. Ich wils doch versuchen. Streicht ihn. Seht wie er sich reget / es ist doch / als wenn ihm die Natur etwas auffgemuntert würde.[75]

RUDOLF. Was sind wir aber gebessert / wenn sich ein Bettler auffmuntert / es hilfft zu nichts / als daß er die Leute kan desto schärffer EXEQUIren.

TOBIASCH springt in der Raserey auff. Ey du Bluthund solstus ein König seyn / du magst wohl ein Mörder seyn / du hast mir keinen Zucker gegeben / Gifft hastu mir gegeben. Und weil ich doch mein Leben nicht behalten kan / so will ich dir im Gewissen sitzen bleiben / da will ich dir manche Stunde zu schänden machen. Siehe du Mörder / das sind meine letzte Worte. Nun tritt mir das Gifft zum Hertzen. Er fällt nieder.

RUDOLF. Das war ein schlecht TRACTAMent vor einem König.

WENTZEL. Der Schelme spricht / er ist von meinem Zucker kranck worden / die Frau Mutter wird mir nicht was böses geben.

RUDOLF. Er muß was schlimmes gessen haben / das sieht man wohl an seiner Gestalt.

WENTZEL. Aber das hat mein Zucker nicht gethan.

RUDOLF. Mein König kan ich auff der Seite etwas reden?

WENTZEL. Es muß bald geschehen / daß wir die Reitschule nicht versäumen. Geht ab.

HENKO. Ich weis nicht / was ich aus den Händeln machen soll. Der König wird beschuldiget / als hätte dieser Bettelknabe etwas ungesundes von ihm bekommen? Nun hab ich wohl gewust / daß dem Könige selbst etwas schädliches hat sollen PRÆPARIRet werden. Allein wie es aus der Königlichen Hand zu diesem Stümper kommen wäre / das kan ich gar[76] übel rathen / aus allen Umständen seh ich / daß die Göttliche Hand die Fälle ziemlich unter einander mischt / drum hab ich auch den Schluß bey mir gemacht / daß ich vor meine Person nichts gefährliches TENTIRen werde. Doch daß ich alle Ungewisse Dinge verrathen soll / und daß ich mir eine schwere Verantwortung auff den Haltz weltze / das werde ich wohl bleiben lassen: Und wo sich dieser krancke Kerl nicht selber erholen will / so mag ers auch bleiben lassen.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 75-77.
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