Eilffter Aufftrit.


[170] Pomponius. Villenchen. Urselchen.


POMPONIUS. Sieh da / was vor liebe Kinder sprechen mir in meinem Quartire zu? Wollen sie nicht etwas näher kommen?

VILLENCHEN. Wir suchen den Herrn Doctor, der den Leuten so hübsch wahrsagen kan.

POMPONIUS. Da thun sie recht daran. Auff der gantzen Welt können sie es nicht besser treffen als bey mir. Sie sehen mich noch vor einen jungen Kerlen an: Aber ich reise schon 120. Jahr in der Welt herum / und die Leute sollen noch die erste Lügen von mir sehen.

URSELCHEN. Wir zweiffeln nicht an seiner Kunst / wenn er arme Mägdgen nur so gut achtet / daß er sich ihrenthalben bemühen will.

POMPONIUS. Ach sie sind nicht arme Mägdgen. Ists nicht wahr / sie heist Jungfer Villenchen.

VILLENCHEN. Ja der Herr Doctor hats getroffen.

POMPONIUS. Haben Sie nicht dreyzehen Kühe im Stalle und die vierzehende ist neulich gestorben.

VILLENCHEN. Der Herr Doctor weiß doch alles.

POMPONIUS. Und heist sie nicht Jungfer Urselchen?

URSELCHEN. Ja ja in unserm Hause heissen sie mich so.

POMPONIUS. Hat die liebe Frau Mutter diß Jahr nicht sechstehalb Viertel Flachs gesäet?

URSELCHEN. Der Herr Doctor weiß alles.

POMPONIUS. Jhr losen Kinder / warum sprecht ihr denn / daß ihr arme Mägdel seyd?

URSELCHEN. Er verzeihe uns: Was wir künfftig haben sollen / das ist der Eltern / und ist nicht unser.[170]

POMPONIUS. Nu nu ihr solt schon zu rechter Zeit dazu kommen. Aber ists euer Ernst / daß ich wahrsagen soll?

URSELCHEN. Ja wenn es dem Herrn Doctor beliebt.

POMPONIUS. Nun so komt her / haltet fein stille / thut fein erbar und lachet nicht / und wer die Kunst nicht kan / der verhindere den Meister nicht.


Er siehet ihnen in die Hände / er mist ihnen die Nasen und das Maul mit einem Faden / und macht allerhand Striche auf ein Papier.


POMPONIUS. Ach ihr lieben Jungfern ists noch euer Ernst / daß ich die Wahrheit sagen soll?


Sie schreyen zusammen: Ja ja.


POMPONIUS. Es ist mir leid und lieb / daß ichs thun soll. Jungfer Villenchen hat einen Freyer der heist Balduin, und Jungfer Urselchen hat einen Freyer der heist Donat. Es sind wackere Kerlen / sie haben studiret / sie können vor 1500. Thaler Lateinisch / und wo sie es erleben so werden sie zu grossen Ehren kommen.

URSELCHEN. Das ist gut vor uns.

POMPONIUS. Ja hört auch weiter / Herr Balduin hat einen heimlichen Schaden / wenn er manchmal auffbricht / so reuchts gar todtenhafftig um ihn / und ich weiß eine Stadt / da ist er noch 700. Reichsthl. schuldig: Seine zukünfftige Frau wird was zu bezahlen kriegen.

VILLENCHEN. Ey ey wenn das meine Frau Mutter wüste / sie gäbe es nimmermehr zu.

POMPONIUS. Und Herr Donat hat schon einen andern Kerlen todgestochen: Wenn er nicht wäre durchgangen / so hätte ihn der Scharff-Richter schon in seiner Hand gehabt. Wenn er zu euch kömmt / so sehet ihm nur in die Hand / ob er nicht einen leibhafftigen Galgen drinne hat / denn er stirbet keines reinen Todes.

URSELCHEN. Pfui was solte mir ein solcher Freyer.

POMPONIUS. Ja ihr lieben Kindergen freylich wäre es besser / wenn die Sache nachbliebe. Die Kerlen möchten mit Hunden zur Gemeinde hinaus gehetzet werden / die ein solch Hertzeleid über so reiche und vornehme Leute bringen wollen.

URSELCHEN. Es ist uns nur darum / wenn wir die Freyer nicht nehmen / wie wir sie kriegen / so bleiben wir darnach sitzen.

POMPONIUS. Ja ja es ist ein trefflich Hauß-Creutz / wenn eine Jungfer[171] die zum Verstande kommen ist / ihr Künste nicht anbringen soll. Aber glaubt mir als einem wahrhaften Manne / wenn die Lumpen- Hunde den Korb kriegen / so wirds euch nicht thauren. In kurtzer Zeit werden zwey Grafen kommen / die sollen um euch anhalten / und da solt ihr erst erfahren / was ich vor schöne Sachen propheceyen kan. Sie haben Geld / sie möchtens fressen / und ihr solt allemahl darnach auf Kareten fahren / und lauter Marcepan / und Mandel-Kernen essen.

VILLENCHEN. Was sind denn die Grafen vor Dinger.

POMPONIUS. Das sind Leute / sie sind vornehmer als der Richter und als der Land-Schöppe.

URSELCHEN. So gehen sie auch über den Herrn Vater / und das wird er nicht geschehen lassen / und es wird die Frau Mutter verdriessen / wenn ich an der Hochzeit die Ober-Stelle hätte.

POMPONIUS. Ey das hat nichts zu bedeuten. Die Grafen sind höffliche Leute / sie werden den Herrn Vater wohl lassen oben an gehen Gnung daß es nicht geschieht / wenn andere Leute darzu kommen.

URSELCHEN. Aber die Grafen müssen auch viel Geld haben.

POMPONIUS. Warum sollen sie nicht Geld haben? Sie können das Geld selber machen.

URSELCHEN. Das wäre hübsch. Wenn ich die Magd wolte auff den Marckt schicken / und hätte kein Geld / so müste mir der Mann flugs eine Mandel drittehalb Groschen-Stücke nacheinander machen.

POMPONIUS. Ach die Grafen hudeln sich nicht viel um drittehalb Groschen-Stücke: Es müssen lauter Thaler und Ducaten seyn.

URSELCHEN. Es ist aber auch hübsch / wenn man klein Geld hat.

POMPONIUS. Daran fehlts auch nicht. Das kriegen die Grafen von ihren Bauern.

URSELCHEN. Haben die Grafen auch Bauern?

POMPONIUS. Je da zappelt und knebelt alles vor Unterthanen / und wenn eine Frau böse wird / so darff sie nur einen Bauer oder Bauer-Frau holen lassen / die mag sie prügeln / biß sie Geld giebt.

URSELCHEN. Nu Schwestergen / wir müssen schon den ersten Freyem den Korb geben / daß wir die Grafen erwarten.

POMPONIUS. Ich rede die Wahrheit: Doch zwinge ich niemanden / daß er was thun oder lassen soll. Doch wem zu rathen steht / dem steht auch zu helffen.[172]

URSELCHEN. Wir hättens bald vergessen: Was will der Herr Doctor vor die Mühe haben?

POMPONIUS. Ich will mich schon bezahlen lassen / wenn sie die Grafen werden bekommen haben.

URSELCHEN. Nun so können wir das Geld hernach so schön machen lassen / als wir wollen.

POMPONIUS. Ich will mich schon zu rechter Zeit anmelden. Sie brauchen meine Wahrheit gesund.


Geht ab.


URSELCHEN. Und wir müssen das der Frau Mutter sagen / daß sie uns an dem Gräfflichen Glücke nicht verhindert.


Geht ab.


Quelle:
Komödien des Barock. Reinbek bei Hamburg 1970, S. 170-173.
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