CAP. XV.

[87] Gelanor hörte diese Consilia gedultig an. Endlich fügte er sein Judicium bey. Mein Herr, sagte er, es ist alles gut, was er vorbringt: Nur diß ist mir leid, daß es sich schwerlich practiciren läst. Denn gesetzt, die Obrigkeit könne etwas darzu, so weiß ich den Schulmann nicht, welcher der Katze die Schelle anhencken wolle. Uber dieß sind die Rectores allenthalben mit den Collegen nicht so einig, daß man mit gutem Gewissen die Lectiones ihrem Gezäncke anheim stellen könne. Ja wo sind Leute, welche so gar sonderlich der Jugend bestes, und nicht vielmehr ihren Privat-Nutzen ansehen? Und welches das ärgste ist, so werden zu den untersten Collegen offt gute ehrliche Leute gebraucht, welche ausser ihren elaborirten[87] Argument-Büchern wenig vorgeben können: Hingegen wo ein Rector zu erwehlen ist, da muß es ein grosser Philosophus oder Philologus seyn. Ein Philologus aber heist ins gemein, der sich in alle Critische Subtilitäten vertiefft, oder der nichts als Syrische, Chaldeische, Persische, Aethiopische, Samaritanische Grillen an die Tafel mahlen kan, Gott gebe die Jugend versäume die nothwendigen Sachen darbey oder nicht. Ein anderer armer Mann, der nicht so wohl dahin geht, daß er außwärtig will vor einen Gelehrten außgeschryen werden, als daß er die Jugend fundamentaliter möchte pro captu anweisen, der sieht nicht stoltz gnug auß.

Der Advocat sagte, diß sey eben die Ursache, warumb er vor den Scholis publicis einen Abscheu gehabt, und seine Kinder viel lieber privatim unterweisen liesse. Der unbekandte Gast aber gab zur Antwort, es wäre auch zu Hause nicht alles schnurgleich abgemessen. Vor eins hätten die Knaben kein Exempel vor sich, dadurch sie excitirt würden: Da hingegen in einer Classe von funffzig biß sechzig Personen zwey oder drey leichtlich gefunden würden, welche den andern zur Nachfolge dienten. Nechst diesem wäre es vermuthlicher, daß man eher einen gelehrten Mann vor alle Kinder finden könte, als daß ein jedweder Burger vor sich einen gleich-gelehrten Menschen antreffen solte. Man wüste warum die meisten armen Kerlen præceptorirten, nicht daß sie den Untergebenen wolten so viel nütze seyn; sondern daß sie den Hals so lang ernehren möchten, biß sich das Glück zu fernerer Promotion fügte. Und endlich wäre einem geübten Manne mehr zu trauen, als einem armseligen Anfänger, der selbsten Information bedürffte.

Gelanor gab den letzten Außschlag. Wir sitzen da, sagte er, und meynen, die Leute sind wunderlich, welche die Schulsachen so am unrechten Orte angreiffen; Aber wir begehen viel eine ärgere Thorheit, daß wir meynen, als könte in dieser Welt alles abgezirckelt werden. Hier ist der Stand der Unvollkommenheit, da nichts an allen Stücken vollkommen ist. Absonderlich ist es mit den Schulen so bewandt, daß der böse Feind sie hindert, so[88] viel er weiß und kan, indem er wol sieht, daß ihm dardurch der gröste Schaden kan zugefügt werden. Doch ist etwas zu wünschen, so sag ich:

Sint Mæcenates non deerunt, Flacce, Marones, hielten grosse Herren viel von gelehrten Leuten, so würden sich die Ingenia wohl selber treiben, wenn sie ihren rechtschaffenen Nutz vor Augen hätten. Jetzt da mancher zehen mahl besser fort kömmt, der nichts studirt hat, kan man es dem hundertsten nicht einbilden, daß die Gelehrsamkeit selbst ihr bester Lohn, und ihre reicheste Vergeltung sey. Hiermit gingen sie von einander, und hatte das Gespräch ein Ende.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 87-89.
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