VI.

[108] Doch weil man heute zu Tage mit den Fabeln wenig Ruhm erjagen möchte / so weiß ich einen Weg / da auch der Leser nicht darff böse seyn / biß er in der Application sich heimlich schämen muß / daß er eine Action verdammet / damit er gleichfals behaftet ist. Der Prophet Nathan gebrauchte es gegen seinen König / und sagte jhm etwas vom Reichen Manne / der dem armen sein einziges Schäfgen mit Gewalt entzogen hatte / also daß er Anfangs nicht die geringste Muthmassung haben kunte / als würde der Pfeil eben seines Gewissens wegen gefiedert. Hiermit ward er desto eher gefangen / und an statt daß er über eine deutliche Erinnerung würde gezürnet haben / so stacke er in seiner Scham und Schande / und ließ sich ohne alle Müh gewinnen.

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Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 108.
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