XXVIII.

[40] Und worin besteht das beste Kunststück in Comödien / als wen die Fabel oder die Historie mit solchen unverhofften Abwechselungen durchgeführet wird. Da der Zuschauer mitten in einem traurigen Auffzuge / straks[40] etwas lustiges zu vernehmen hat; da er vom Zorne zur Barmhertzigkeit / von der Freude zur Furcht / von der Hoffnung zum Schrecken / und allzeit von dem Gegenwärtigen auf etwas geleitet wird / dessen er sich nicht versehen hätte. Indem ich aber der Comödien gedencke / so besinne ich mich / daß in denen Nothwendigen Gedancken etwas von diesen Kunst-Stücken versprochen worden. Allein ich habe es nach der Zeit nicht vor nöthig befunden: Weil die Comödien so gar überflüßigen Nutz nicht haben / daß man jhre Manier so eigendlich in einem richtigen Buche beschreiben müste; und weil sie mehrentheils einen solchen Geist erfordern / der bey seiner Wissenschaft gute Naturalia, sonderlich ein hurtiges Judicium und einen lustigen Hunor gebrauchen kan. Doch ist dieses wol das vornehmste / daß man die Zuschauer allzeit betreugt / und wen sie etwas in diesen Affecte hoffen / den Ausgang auf andere Dinge zu spielen[41] weiß. Wie ich den auch deswegen nicht viel davon halte / wen der gantze Inhalt so deutlich im Cartel vorgeschrieben wird / daß hernach die Anwesenden alle inexpectata zuvorher sehen / und sich also in dem süssen Wechsel derer Affecten nimmermehr so annehmlich auffhalten können.

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Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 40-42.
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