XLIX.

[69] Allein wir Gelehrten / wie wir genennet werden / haben auch offt von dieser überflüßigen Einbildung etwas eingenommen / daß wir unsere Sachen gar zu gut und köstlich machen wollen / und nicht bedencken / wie lächerlich es einem andern zu lesen ist. Fürwar als ich des Chytræi Delicias mit meinen Untergebenen durchgieng / habe ich etliche Grabschrifften unter lächerliche Titul bracht / weil sie gar zu nachdencklich lauten. Laurentius Valla hat auf seinem Leichenstein den Ruhm / Jupiter hätte jhn nicht mögen in den Himmel nehmen / weil er sich vor dessen Censur gefürchtet hätte; Auch Pluto wäre numehr[69] verzagt ein Lateinisch Wörtgen zu reden. Zu Neapolis stehet bey einer Fürstin Grabe / man solte die Schrifft sachte lesen / damit die schlaffende nicht auffgeweckt würde. Zu Padua ist einen Jungen Doctori Medicinæ das Lob beygeschrieben worden / der Tod hätte jhn deßwegen dahin gerissen / damit er jhm nicht schaden / und in seinem täglichen Handwerke Eintrag thun möchte / das ist / daß er jhm nicht weniger Leichen verstatten möchte. Ja zu Anjou in Franckreich hat sich ein Bischoff selbiges Ortes ein Begräbnüß machen lassen / und auff solchen unterschiedene Sprüche / als von MOSE, Priamo, Aristotele, Horatio, Ovidio, Cicerone, PAULO, Diogene, Usediæ, Catone, Juda Maccabæo, Seneca, Solone, Platone; HIOBO, etc. untereinander schreiben lassen.

Quelle:
Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 69-70.
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