LIX.

[83] Ich muß ein Exempel geben. Es ist eine gemeine Historie vom König Ludovico XI. in Franckreich / welcher einem Diener / der jhm ein bewustes Thiergen vom Kleide abgelesen / vor die Auffwartung 40. Kronen bezahlet / und daß hingegen ein ander / der sich gestellet als hätte er einen Floch gefunden / 40. Streiche mit einem dichten Prügel zu lohne empfangen. Aber[83] wie viel lustiger klinget sie / wen die Umstände etwan dergestalt observiret werden. Der König war gleich in einem Wercke begrieffen / darbey sich alle Hoffleute zusammen gefunden hatten: und wie ein solcher Herr von den meisten genau angesehen und betrachtet wird / so stund ein Diener / ich weiß nicht ob es ein Page oder ein Cammerdiener gewesen ist / und verwandte kein Auge von dem Baume / davon er täglich bessern Schatten verhoffete. Doch in dem er sich in dem Anblicke gar zu sehr vertieffet / siehe da so kreucht ein Thiergen auff dem Kleide herum / welches wir / der Jahres-Zeit zu ehren / da man die meisten antreffen mag / ein Margreten Würmgen heissen. Der gute Mensch ließ sich die Kühnheit zu Hertzen gehen / daß ein so verachtetes Creatürgen auff einen solchen Potentaten mit Füssen herum lauffen solte / und wuste gleichwol nicht / wie der kleinen Bestie ein Monitorium zu insinuiren wäre / daß sie jhr Nest an einem beqvemeren Orte[84] auffschlagen möchte. Er durffte seinen Herrn nicht erinnern / noch viel weniger durffte er seine Hand an das Kleid bringen; so wenig als jhm vergönnet war / dem Könige Ungelegenheit zu verursachen. Endlich als Furcht und Barmhertzigkeit / Liebe und Ehre lange mit einander gestritten hattẽ / so trat er auff die Zehen / und schliech so leise auf seinen Herrn zu / wie ein Kätzgen nach der Fleischkammer / und erwischte das Thiergen mit der eussersten Finger-Spitze / und warss es ohne Gepolter auff den Boden dahin / daß er in guter Sicherheit lebte / es würde so wohl vor dem Könige selbst / als auch vor den Umstehenden verborgen bleiben. Doch was geschicht? der König siehet sich um / und wil mit einer recht ungnädigen Mine wissen / was er an seinem Kleide hätte zu suchen gehabt? der getreue Diener wuste nicht was vor eine Antwort die beste seyn möchte. Und so ungerecht es schiene / wen er seinem Herrn eine Rede schuldig bliebe; so unhöfflich kam es jhm[85] vor / wen er jhn vor allen Hofeleuten beschämen solte. Er fieng an zu zittern als ein Espenlaub / und jemehr ihm zugesetzet ward / desto weniger Blut behielt er im Angesichte. Nach langen Fragen ward seine Kühnheit so groß / daß er bekandte / es wäre ein verlauffnes Würmgen gewesen / welches einen richtigen Wegweiser zu seiner Herberge bedurfft hätte. An statt aber daß er mit einiger Straffe wäre angegrieffen worden / so hörte er die tröstliche Antwort / diese Dingergen wären bey dem Menschen am liebsten und dahero könte sich ein König erinnern daß er ein Mensch sey / doch solte er vor diese Dienstleistung vierzig Kronen zum Recompens haben. Ein ander sahe / wie sich der liebe Herr im spendieren vertieffet hatte / und gedachte auff einen Fund / der jhm auch zum wenigsten viertzig Kronen eintragen möchte: und so bald es Gelegenheit gab / daß der König am selbigen Orte in einem wichtigen Geschäffte begrieffen war / kam er mit leisen Tritten hinzuund nahm nichts weg / daß man etwas von jhm forschen solte. Und wer jhm die Hand bey dem ersten Angrieffe visitiret hätte / dem würde es gegangen seyn / als wie bey jenen Bauer / der zwey Finger in Klingelbeutel steckte / und doch nichts darzwischen hatte. Der schlaue König machte sich bald die Rechnung / es würde wieder was abzuzahlen seyn / und damit stellete er sich gantz ernsthafftig / und fragte jhn ebenfalls / wer jhm die Macht gegeben hätte / das Königliche Kleid anzurühren? er solte stracks bekennen / wodurch er zu dieser Freyheit wäre bewogen worden. Der Kerle stelte sich halb erschrocken und halb schamhafftig / irgend wie die jungen Mädgen / wen sie um das Jawort gefraget werden; und jemehr er sich wegerte / desto lieber wolte er noch einmahl gefraget seyn. Ja er furchte sich / der König möchte des Nachforschens üdrüßig werden / und seiner Antwort nicht verlangen; drum eilte er auch mit der Nachricht / und sagte kurtz und[89] gut / es hätte jhm ein Floh auff der Kappe gesessen / und wieder solche Gäste dürffte man nicht säumig seyn / wen sie dem Herrn zu nahe kommen. Wer war froher als der Diener? die Boltzen waren verschossen / / und er sahe immer darnach / ob er nicht einem Juncker die Schlüssel zum geheimsten Schatzkästgen vertraute / welcher das Gẽld in lauter Geburts-Tags-Müntze heraus hohlen solte. Allein ach wie erbärmlich war der Ausgang! der König fuhr jhn mit harten Worten an / was! sagte er / du Ertzvogel / wilstu mich zu einem Hunde machen? vor solche Leichfertigkeit solstu vierzig Streiche mit einen harten Eichenen Prügel zum Trinckgeld haben. Da stund der Fantaste mit seiner schönen Erfindung / wie ein Spielmann der den Tantz verderbet / und weil er gedachte: Je später daran / desto langsamer davon; so buckte er nur geduldig über / und ließ sich vor vierzig Kronen ein Maß zu einem paar Hosen nehmen / damit er sich biß auf weitern Bescheid behelffen kunte.

Quelle:
Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 83-87,89-90.
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