Zweytes Exempel.

Ein Doctor der Gotts-Gelehrtheit laßt sich im Todt-Beth mit dem bösen Feind in einen Glaubens-Streit ein; wird aber überwunden.

[148] Auf der weit berühmten hohen Schul zu Padua, in Welschland, waren 2. Doctorn, welche die studierende Jugend in der GOttes-Gelehrtheit unterwisen: beyde vortreflich an Tugenden und Geschicklichkeit; und darneben die beste Freund untereinander. Der Tod aber zerstörte zuletzt ihre gute Vertreulichkeit, indem er den einen in die andere Welt forderte, nachdem er sich zuvor wohl und gottseelig zu einer so gefährlichen Reis bereitet hatte. Eines Tags, als der andere in seiner Studier-Stuben sasse, und dem Studieren oblage, stellte sich der Verstorbene in der Gestalt und Kleydung, wie er zu Lebs-Zeiten zu gehen pflegte, ihm unter die Augen; aber gantz erschröcklich anzusehen: weil allenthalben die Feur-Flammen, wie aus einem Bachofen heraus schlugen. Der gute Herr Doctor erschrack Anfangs gar hefttig ab einem solchen Gast. Wie er sich aber erholet, fragte er: was dieser klägliche Aufzug bedeute? ob, und wie ihm zu helfen seye? er solle nur begehren von guten Wercken, was vonnöthen wäre; er wolle einen Kosten, keine Mühe noch Fleiß spahren. Hierauf gabe der Geist mit einem tief geholten Seuftzer, und erbärmlicher Stimm zur Antwort; er solle das alles unterlassen: dann es wurde doch nichts nutzen; alldieweil er zum höllischen Scheiterhauffen auf ewig verdammt seye. So bist du dann verdammt? fragte der Doctor. Wie ist es aber möglich, daß ein [148] so tugendsamer Mann, der vor seinem End mit allen heiligen Sacramenten versehen worden, und selbige ja nicht unwürdig wird empfangen haben, auf ewig sollte verlohren seyn? ach! antwortete der Geist: da hat es nicht gefehlt; sondern erst hernach, da es mit mir auf die Neige gieng, kam der böse Feind für das Beth; und weil er wußte, daß ich in der Gotts-Gelehrtheit wohl erfahren war, fieng er an mit mir vom Glauben zu disputiren, und fragte, was ich glaubte? ich antwortete: alles, was in den 12. Articklen des Apostolischen Glaubens enthalten wird. Allein er verlangte von mir, daß ich ihm etliche duncklere Artickel erklären sollte. Das thate ich: und nahme zum Gehülffen die Glaubens-Bekanntnus des heiligen Athanasii; weil ich darfür hielte, daß man kaum anderwärts her ein bessere Erklärung haben könnte, sonderbahr was das Geheimnus der heiligsten Dreyfaltigkeit anlangt. Es wendete aber der böse Feind darwider ein: dem wäre nicht also, wie ich glaub te: und wiewohl ich seine Einwürf nacheinander aufzulösen mich bemühete, so ließ er mir doch nichts draus gehen, sondern brachte mich mit neuen, und verschrauften Fragen so weit, daß ich endlich an einem und anderen Glaubens-Artickel zu zweiflen anfienge; ja so gar in grobe Irrthum von dem Geheimnus der heiligsten Dreyfaltigkeit geriethe: in welchen da ich gäntzlich verstrickt war, griffe ich in die letzte Zügen, und sturbe dahin. Als ich darauf für den Richter-Stuhl Christi gestellt worden, ward ich als ein Ketzer auf ewig verdammt. Dieses geredt, ist er verschwunden. Der gute Doctor liesse ihm solches eine Warnung seyn; widerhohlte zum öftern die Catholische Glaubens-Bekanntnus, um sich wider einen so argen Feind desto besser zu bewafnen. Wie er nun ins Tod-Beth kam, war der Versucher bald vorhanden mit Disputieren, und fragte den Krancken, was er glaubte? dieser antwortete: Ich glaube, was die Catholische Kirch glaubt. Was glaubt aber die Catholische Kirch? versetzte der böse Feind hinwieder. Und der Krancke sprach: sie glaubt, was ich glaub. Und auf solche Weis mußte der unverschamte Teufel mit langer Nasen abziehen. Der Krancke griffe darauf in die Zügen, starbe seeliglich, und erschiene wenig Tag hernach mit frölichem glantzenden Angesicht seinen Freunden, und versicherte sie des Sieges, den er wider die Angrif des höllischen Feinds erhalten, Barocius de præparatione ad Mortem.


Aus diesem Exempel ist zu lernen, wie man sich im Tod-Beth mit dem bösen Feind keinesweegs in Glaubens-Sachen solle in einen Streit einlassen. Dann er ist viel zu verschrauft, und weißt allerhand Ränck, den Menschen damit zu verstricken. Das [149] beste ist, daß man seinen Anfechtungen wider den Glauben kein Gehör gebe; sondern sich einfältig, demüthig, und vest an das halte, was die Catholische Kirch glaubt und bekennt. Dann ihr Lehr kommt von GOtt her, der die ewige Wahrheit ist; und weder fehlen, noch betriegen kan. So hat auch GOtt diese Lehr zu allen Zeiten mit unzahlbaren Wunderwercken, so über die Natur seynd, bekräftiget: welches er nicht gethan hätte, wann solche Lehr nicht unfehlbar wahr wäre; in Bedencken, daß GOtt als die ewige Wahrheit, allein der Wahrheit mit einem Wunderwerck Zeugnus geben kan.

Im übrigen warum GOtt obigen Doctor, ungeachtet er dem Ansehen nach vorhin ein frommer Mann geweßt, im Tod-Beth vom bösen Feind habe lassen überwunden werden, das weißt GOtt allein. Vielleicht ist dieser Doctor in Glaubens-Sachen gar zu fürwitzig und nachgrüblig geweßt, und hat sich wegen seines scharfsinnigen Verstands übernommen. Von solchen aber sagt der weise Salomon in seinen Sprüchwörteren: wer der Majestät (zu fürwitzig) nachforschet, der wird von dem Glantz der Glory unterdruckt werden. Prov. 25.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 148-150.
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