Acht und achttzigstes Exempel.

Die Erzehlung von dem Leben des H. Einsidlers Antonii ist Augustino ein starcker Antrieb zu seiner Bekehrung.

[388] Pontianus, ein Africanischer Edelmann, welcher ein kayserlicher Hof-Herr war, und sich eine Zeit lang zu Mayland aufhielte, suchte einstens Augustinum heim; und da er in dessen Zimmer getretten, sahe er ohngefehr auf seinem Tisch liegen die Sendschreiben des Heil. Pauli. Pontianus, so ein andächtiger Herr ware, und wohl wußte, daß Augustinus vorhin in Lesung weltlicher Bücher sehr fürwitzig gewesen, fienge an zu lächlen, weilen er sahe, daß Augustinus nunmehr mit einem Apostel die Zeit vertreibe. Allein Augustinus gabe ihm zur Antwort, er habe nicht Ursach sich zu verwunderen; dann dises jetzt seine vornehmste Ubung seye. Als ihn derohalben der Edelmann in einem solchen guten Willen sahe, fienge er an, unterschiedliche andächtige Sachen zu erzählen. Unter anderen thate er Meldung von dem Leben des Heil. Einsidlers Antonii, ab deme sich Augustinus und Alipius sein Freund hoch verwunderte: weil sie von diesem grossen Heiligen niemahl etwas gehört hatten. Also wenig waren sie fürwitzig, dasjenige zu wissen was niemand unbekannt seyn konte, [388] als nur denjenigen, die sich selbst zu allen Zeiten nicht wissen wolten. Der andere führt sein Gespräch fort, und erzählt ihnen von den Versammlungen der Ordens-Leuten, welche schon dazumahl starck im Schwung, und von männiglichen hoch geachtet waren; und setzte hinzu, wie daß zu Mayland in der Vorstadt ein von dem Heil. Ambrosio erbautes Closter wäre, in welchem grosse Exempel zu finden seyen. Beyde, Augustinus und Alipius hörten ihme aller schamroth zu, daß sie eines so grossen Schatzes, der gleichsam zu nächst an ihrer Hausthür ware, keine Erkanntnuß hätten; indem sie allein die Bücher und Schriften derjenigen, so allbereit in den höllischen Flammen sitzen, thäten durchblätteren. Als dieser fromme Edelmann sahe, daß sie ab solchen Reden ein Wohlgefallen hätten, fuhre er fort, und sprache:


Auf eine Zeit, als ich mich mit dreyen vom Adel, meinen guten Freunden zu Trier befande, und der Kayser samt seinem gantzen Hof einmahl Nachmittag einem Turnier zuschaute, kame uns ein Lust an, ein wenig in etliche bey der Stadt gelegene Gärten spatzieren zu gehen. Zwey aus uns kamen ungefehr zu einer kleinen Hütten, in welcher sie etliche Einsidler, und ein Buch von dem Leben des Heil. Antonii fanden. Der eine nimmt das Buch, liset, und verwundert sich darüber, und wird darvon dermassen entzündet, daß er sich in seinem Hertzen entschlosse, sein Leben zu änderen. Und weil er sich nicht mehr enthalten konte (dermassen voll ware er von der Liebe GOttes; der Reu und Leyd wegen seinen Schwachheiten) kehrte er sich gegen seinem Gesellen und sprache: wohlan! was suchen wir mit aller unserer Mühe und Arbeit? wohin zielt all unser Ehrgeitz? zu was End tragen wir diese Waffen? was begehren wir mit so viel Sorgen zu erlangen? nemlich, damit wir in Gnaden seyen bey einem Menschen, welcher leichter als der Luft; gebrechlicher als das Glas; unbeständiger als der Rauch. O GOtt! durch was Gefahren begeben wir uns in eine noch grössere Gefahr? auf was für einer Leiter steigen wir auf einen Thur von Eis, darauf wir allzeit unseren Fuß auf einen schlipferigen Ort zum gäntzlichen Untergang setzen. Nun kan ich, wann ich nur will, ein Freund GOttes seyn.


Er liset in dem Buch gantz entzündet fort; und bald darauf schreyet er noch einmahl auf, als wann er gantz verzuckt wäre: es ist nunmehr geschehen, ich hab meine Band zerrissen, und gleich von dieser Stund an, und an diesem Ort bin ich entschlossen GOtt zu dienen. Gehet hin, mein guter Freund! wollet ihr mir nicht nachfolgen; aufs wenigst werdet ihr euch meinem Vorhaben nicht widersetzen. Der andere aber gabe unverhoft diese Antwort: behüte mich GOtt, daß ich euch auf einem so guten [389] Weeg, und ehrlichen Kampf verlasse; und mich selbst einer so glorwürdigen Belohnung beraube.


Also wurden sie gleichsam in einem Augenblick aus edlen Rittern zu Einsidlern. Entzwischen suchten wir sie, ich und mein Gesell, und fanden sie derselbigen Hütten. Wir gaben ihnen einen Verweiß, daß sie sich also lang hatten suchen lassen, und sagten, es wäre nunmehro Zeit, den Spatzier-Gang mit dem Tag zu enden. Sie aber antworteten aller ernsthaft, sie hätten allbereit ihre Wohnung gefunden; wir mögen wohl unsern Weeg hinnehmen, wohin wir wollen, sie seyen gäntzlich entschlossen, von dannen niemahl mehr zu weichen. Ich vermeynte zwar von Anfang als schertzten sie mit uns. Als ich aber dieses, was geschehen war, vernommen, und der Sach etwas tieffers nachgedacht, befande ich wahrhaftig, daß sie gantz andere Leut worden. Wir schamten uns, sie zu verlassen; und fanden uns doch nicht starck genug zu seyn, ihnen nachzufolgen. Endlich mußten wir mit vielen Zäheren voneinander scheiden, und sie in ihrer geistlichen Ruhe verlassen. Im heimkehren brachten wir diese Bottschaft zweyen adelichen Jungfrauen ihren Hochzeitern, welche von gleichem Geist entzündet darein gern verwilliget, und ihre Jungfrauschaft GOtt dem HErrn dazumahl als das hochzeitliche Fest hätte sollen gehalten werden, verlobt haben. Causinus Tom. 1.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 388-390.
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