Das eilfte Capitel.

Das klägliche Ende einer Closter-Frauen, weilen sie in der Beicht ein grosse Sünd verschwiegen.

[924] Es erzählet der Heil. Antonius: es war ein Wittfrau gantz allein in ihrer Freyheit mit reichem Vermögen: welche zwey Stuck die gefährlichste zu seyn pflegen einer Seel, so mit GOtt innerlich nicht vereiniget ist: diese wiewohl sie erstlich nach ihrem wittiblichen Stand eingezogen gelebt, ist sie doch bald hernach erlauet, indem ihr eines frechen Jünglings freundliche Lieb begegnet. Der böse Feind hat diesen angereitzet, daß er mit kecker Frechheit mehrmahlen bey dieser Wittfrauen Haus vorüber gangen, das Haus-Thor und die Fenster mit Höflichkeit begrüsset. Die Frau erzeigte anfänglich einen Verdruß darüber, doch weilen dieser Jüngling nicht nachgelassen ihr höflich aufzuwarten, und viel schönes zu versprechen, hat sie ihn in ihr Haus eingelassen, und bald darauf mit ihme zu dem Fall kommen.


Nach begangener Sünd vergieng ihr aller Lust zu fasten, Allmosen zu geben, zu beichten, und zu communiciren: dann die Unzucht ist jene Verwüstung, von welcher der gedultigiste Hußländer Job also spricht: Omnia eradicans genimina, sie wurtzlet aus alle Ersprießlichkeit. Der arglistige Teufel, welcher ihr entnommen die Schamhaftigkeit, und die heilige Forcht, daß sie gesündiget, stellte ihr diese wiederum zu, daß sie sich geschämet, die begangene Sünd zu beichten, wiewohlen sie nicht unterlassen mehrmahlen zu beichten, und zu communiciren. Dannoch das beängstigte Gewissen zu Ruhe zu bringen, vermeinet sie, ihrer Sünd Verzeyhung zu erwerben mit vielē guten Werckē. Sie fienge an wiederum zu fasten, und strenge Buß-Werck zu üben: und damit sie sich gantz dem GOttes-Dienst ergebe, hat sie entschlossen ein Closter-Frau zu werden.

Die Closter-Frauen nehmen sie alsobald mit Freuden auf, weilen sie ein Frau von hohen Ansehen, und löblichen Ruhm gewesen: im Closter hielte sie alle Ordnung, sie ware die erste im Chor, allen Gehorsam verrichtet [924] sie auf das beste, sie eyfferet vor allen in der Ubung der Bußwerck: doch konte sie sich nicht überwinden, die Sünd einmahl zu beichten, sondern allein von eytler Ehr, als ein Vögelein an einen Seiden-Faden gebunden, wurd sie abgehalten, indeme sie vermeint, daß es sich nicht wohl thun lasse, daß ein Frau ihres gleichen sich beschuldigen soll, einer so grossen Gebrechlichkeit, welche bey dem Beicht-Vatter seltsame Gedancken, und ein üble Meynung verursachen möchte.


Es verlauffeten etlich Jahr mit der hinfliegenden Zeit, und dieses Closters würdige Mutter endet den Lauf ihres Lebens, seegnet ihre geistliche Ordens-Kinder, und stirbt. Das neue Loß aller Schwesteren in Ansehen ihres Eyfers, und heilig scheinenden Wandels gieng auf diese, sie zur Obristen Vorsteherin dieses Closters zu erwählen, in Meynung, sie wird in Kraft ihres frommen Lebens alle desto mehr zur Vollkommenheit vermögen, je eyfriger sie mit guten Exemplen allen vorleuchten wurde. Es geschahe dem also: dannoch jene Sünd wurde fort und fort in allen Beichten verschwigen. GOtt der langmüthige HErr, ermahnet sie endlich mit einer schweren Kranckheit, in welcher sie auch gestorben. Die Artzney-Gelehrten sprachen ihr bald das Leben ab, und da sie kein Artzney-Mittel gefunden, welches mehr würckte, erkennten sie nichts übriges zu seyn, als geistliche Mittel, nemlich den Gebrauch der HH. Sacramenten: nichts destoweniger, verbleibet es beym vorigen. Wer nicht zur Zeit der guten Gelegenheit rechtmäßig alle Sünd beichtet, wird zur Zeit der tödlichen Kranckeit weder mögen, noch wollen solche vollkommentlich beichten, und solches laßt GOtt zu, zur Straf der verborgenen Hoffart; dann was ist es anderst, nicht recht wollen alle Sünd in der Sacramentalischen Beicht bekennen, als ein verborgene und äusseriste schädliche Hofart?

Diese Tod-krancke Oberiste Vorsteherin dieses Closters hat zwar gebeicht, und communicirt, sich reyßfertig zu machen in die Ewigkeit, aber gleichwie vorhero, hat sie auch jetzund jene Sünd verschwiegen. O elendes Weib! auch ihr letzte Beicht verrichten, ohne rechtmäßige Sünd-Bekanntnuß, was ist das für ein Greuel! von einer Christlichen Seel? von einer GOtt geweyhten Closter-Frau? von einer geistlichen Obrigkeit.

Ein Gottsförtige Closter-Frau dieses Closters, batte sie als ein gute Freundin, sie wolle ihr belieben lassen, mit gnädiger Bewilligung GOttes, nach dem Tod zu erscheinen, und kund zu machen, wie es mit ihr in jener Welt stehe? sie versprach ihr solches zu thun. Letztlich sturbe diese Obriste des Closters, alle trugen ein gemeines Leyd wegen Verlurst ihrer Würdigen, und nach ihrem Vermeinen also heiligen, und eyferigen Mutter: wie es der Heil. Antonius erzählet, verhoften alle Wunder-Werck nach ihrem Tod zu [925] sehen: aber, aber, ach! was ist es für ein grosser Unterschied zwischen dem menschlichen, und göttlichen Urtheil? nachfolgende Nacht, als jene Closter-Frau im Chor war, hörte sie ein grosses Getümmel, und da sie umher siehet, nimmt sie wahr ein Gespenst, welches erbärmlich geheulet, mit Anzeigen grosser Peyn, in der es stunde: hierdurch wurd diese Closter-Frau voller Schröcken, und sehr betrübt, doch gestärcket von GOtt, fasset sie ein Hertz, und fraget, wer es sey? ich bin sprach das Gespenst, die Seel der gestriges Tags gestorbenen Obristen dieses Closters: zum höllischen Feur bin ich ewig verdammet.

Unser Obristin? sprach die Closter-Frau, die ein so streng und bußfertiges Leben, und also heiligen Wandel geführet, soll immerdar zur Höllen verdammet seyn? ja es ist also, antwortet die Seel, weilen ich im weltlichen Stand einmahl Unzucht getrieben, und allein aus Forcht der Schand und einer verborgnen Hoffart hab ich niemahlen das Hertz gefaßt, diese meine Sünd zu beichten. Offenbahre dieses alles deinen geistlichen Mitschwestern, es ist nicht noth für mich zu bitten, oder Meß zu opfern, alles ist vergebens, und alsobald in einem erschröcklichen Getümmel, ist sie verschwunden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 924-926.
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