Das zehende Capitel.

Ein Wucherer wegen seines Gewinns, verblibe ein kurtze Zeit in dem Vorsatz sich zu besseren.

[961] Vorhero in dem 7. Capitel, unter anderen Ursachen des kraftlosen Vorsatz sich zu besseren, hab ich eingeführt den eignen Nutzen, das ist den Gewinn, oder das Interesse. Nun wollen wir die obangezogene Wahrheit mit nachfolgender Geschicht erklären.

Es ist zu lesen in dem Geschicht-Buch von Lauretischen Wunder-Wercken der heiligsten Mutter GOttes beschrieben von P. Alphonso von Andrada itinerario gradu 50. §. 15. Ein berühmter Wucherer wurde von einem leydigen Aussatz behaftet, in der Stadt Cheti genannt im Königreich Neapel: alle Artzney-Gelehrte rufte er zu sich, ein guten Rath wider diesen seinen Zustand zu erholen aber weder Artzt, weder vielfältige Artzney konten ihne von der so abscheulichen Kranckheit im geringsten abhelffen. Letztlich setzt er sein Zuflucht zu der Gnaden-reichen Jungfrauen und Mutter GOttes, mit inniglichen Eyfer gegen der Bildnuß Maria zu Laureto, er schöpfte einen wahrhaften Vorsatz sein sündliches Leben zu besseren: dieses mit mehreren zu bekräftigen, sendet er ab einen seiner Diener nach Lauret, hundert Gold-Kronen giebet er ihme, dahin für sein Allmosen dem Heil. Haus zu überbringen: befahle auch das Gnaden-Haus seinetwegen mit Andacht zu besuchen, und die Mutter GOttes demüthigist um Erstattung der Gesundheit zu bitten. Die heiligste Jungfrau erhöret dieses Gebett, und erwirbet ihme die Gesundheit seines Leibs, also zwar daß der Diener, nachdem er zuruck ankommen, seinen Herrn in frölicher Gesundheit gefunden, rein, gleich als ob er niemahlen mit einiger Kranckheit wäre belästiget gewesen.


Die Freud aller Hausgenossen war absonderlich groß: er selbsten schafte an, man soll ihme ein Pferd zäumen und sattlen; er setzet sich zu Pferd, reitet samt anderen guten Freunden in der Stadt herum, zu betheuren das geschehene Wunder, welches sich mit ihme zugetragen, er weiset seine saubere Händ unbeflecket, ohn alles Zeichen des jetzt vergangenen Aussatz. Einer aus seinen vertrauten Freunden gab ihm in dieser Gelegenheit zu verstehen mit dergleichen[961] freundlichen Worten. Mein geliebter Freund, sprach er zu ihm, nun demnach es GOtt dem Allergnädigsten HErrn beliebet hat, durch die Vorbitt der heiligisten Jungfrauen seiner Mutter euch die völlige Gesundheit, in einem so scheinbaren Wunder-Zeichen zu verleyhen: ich bitte euch durch euer selbst eignes Heyl, weilen euere Händ von einem Fleischfressenden Aussatz gereiniget worden; ach! vergreiffet euch nimmermehr in fremdes Gut, verlasset den bishero geübten Wucher, ohne dem könt ihr ehrlich nach euerem Stand mit dem, was euer Eigenthum ist, ein gutes Leben führen: er aber lachend, und verschimpfendt diesen guten Rath seines getreuen Freunds antwortet: mein Herr, wann der Wucher ein so grosse Sünd wäre, so wurd ihn die Mutter GOttes nicht treiben, da sie doch solches mit mir selbsten gethan, und von mir zu Ertheilung meiner Gesundheit, meine hundert Gold-Cronen angenommen, sie gabe mir die Gesundheit, und nahme von mir mein Geld. Alle umstehende Freund ärgerten sich über alle massen ob diesem lästerlichen Ausspruch, verweisen ihm diese greuliche Schelt-Wort, und gaben ihm genugsam zu verstehen, wie sträflich er geredet, daß er von ihrem Zureden gewaltig mortificiret, und gequälet worden.


Demnach er in sein Behausung traurig ankommen, warf er sich bey anbrechender Nacht gantz unlustig in sein Beth, um Mitternacht erwachet er, und fanget an überlaut aufzuschreyen: alle seine Bediente, und sein Ehe-Gemahl lauffen zu, sie befragten ihn, was er empfinde? ach wehe! schrye er fort und fort, ich muß sterben, es ist kein Hülf, kein Mittel für mich vorhanden, der Aussatz hat mich abermahl ergriffen, die Schmertzen nehmen mehr und mehr zu, an meinen Lenden empfind ich ein glüenden Brand, der mir all mein Ingeweyd anzündet, und durchdringet: sein eheliche Frau, wolte ihm seine Lenden mit ihrer Hand erkühlen, sie streicht ihm an den Rucken hinunter, stosset an einen Beutel Geld, in dem die hundert Gold-Cronen waren, welche er unser lieben Frauen zu Loreto überschickt, aber aus Ursach seiner Undanckbarkeit und seines geschwind zerbrochenen guten Vorsatz, wolte die Mutter GOttes solches Geld nicht behalten, sondern es dienete an statt der glüenden Kohlen diesen zu brennen. In Ansehen des Beutels, erschröcket der elende Mensch, ergab sich dem Tod, und sprach, wehe mir Unglückseeligen! die Mutter GOttes ist wider mich erzörnet, verhaußt ist es nun mit mir, ich empfinde schon, daß ich ewig verdammt bin, alle Hofnung auf die Barmhertzigkeit GOttes ist bey mir verzweiflet: mit solchen heulenden Schreyen und Jammeren endet sich sein Leben. Ubergab also seinen Geist den höllischen Feinden, und verliesse sein Freundschaft, wie dann auch seinen Haus-Genossen grosses Leyd, indeme sie ihn vielfältig und kläglich beweinet.

[962] Hieraus ist abzunehmen, wie der eigene Nutz und die Verzweiflung Ursach waren, daß dieser Mann seinen guten Vorsatz so liederlich zerbrochen, dahero ist er unbußfertig gestorben, und hat das ewige Heyl verlohren.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 961-963.
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