Das sechste Capitel.

Was hier erzählet worden, wird bekräftiget mit einer Begebenheit, welche sich zugetragen mit einem, der verdammet worden, weilen er in der letzten Beicht seines Ableibens keinen rechten Vorsatz gehabt.

[951] In obgedachter Stadt Paris hat sich gleichfals zugetragen, was Cäsarius erzählet; zu seinen Lebszeiten war ein Domherr alldorten, welcher ein reiches geistliches Einkommen hatte zu geniessen; der schwebete und schwimmete gleichsam in dem Wolleben und Kurtzweilen, in Gastereyen und Verehrungen, nach aller empfindlichen Vergnügung, also zwar, daß er nicht eine geringe Aergernus der Stadt Paris gegeben hat. Tödtlich wird dieser kranck, der Beichtvatter wird beruffen, er verrichtet eine vollkommene Beicht, die Schmertzen des Tods presseten heraus die bitteren Zäher, und weilen ihm sein letztes Stündlein vor Augen, versprach er dem Beichtvatter Besserung seines Lebens. Demnach er das H. Sacrament des Altars, und die letzte Oelung empfangen, gab er endlich seinen Geist auf, mit allen heiligen Mittlen zur Reiß in die Ewigkeit wohl versehen. Eine herrliche Leich-Begängnus wurde diesem verstorbenen Domherrn angestellet, vornehme Edelleut wolten ihn zu seiner Ruh statt begleiten, der helle Himmel selbsten erscheinet, als ob er diesen verehrete, indem unverhoft eine heitere Zeit eingangen, daß alle gesprochen: O wohl ein glückseeliger Mann, den GOtt im Leben und im Tod ansehnlich gemacht, im Leben zwar durch grosse Güter und Einkommen, durch sein Adeliches Herkommen, durch die holdseelige Gestalt seines Leibs, durch einen so [951] vergnügten Wohlstand; dann mit allen diesē hat ihn GOtt überflüßig beglückt, in dem Tod aber durch eine so ansehnliche und herrliche Begleitung zu der Begräbnus, indem er mit allen HH. Sacramenten, die einem Christen-Menschen höchst nutzlich seynd, zuvor versehen worden, diese hat er also andächtig mit vielen Zäher und Seuftzern empfangen, und ist in Beywesenheit der vorbettenden Geistlichen gestorben. O wohl ein glückseeliger Domherr, dermassen vielfältig von GOtt lebendig und todt begnadet.


Aber, Ach wie weit voneinander seynd die Urtheil der Menschen, und die Urtheil GOttes. Nach etlichen verflossenen Tägen erscheinet dieser einem vertrauten Freund, den er in seinen Lebs-Zeiten gehabt, und machet ihme kundbar, was massen er verdammet seye, und daß er unaussprechliche Peyn ewiglich auszustehen habe. Der vertraute Freund fraget ihne, hast du dann nicht deine Beicht verrichtet, und die H. Sacramenta empfangen? das hab ich gethan, aber es manglete mir die wahre Reu und der Vorsatz mich zu besseren; wiewohlen ich mir vorgenommen von Sünden abzustehen, so hab ich doch in meinem Hertzen eine solche Neigung empfunden, welche mich, wann ich solte gesund werden, gegen meinem vorigen üblen Leben mehr geneigt, als gegen dem Vorsatz mich zu besseren; mich gedunckte, ich konnte doch nicht leben ohne meinen gepflegten Wollust und Wohlgefallen, und in diesen Gedancken hat mir GOtt mein Leben genommen, und mich verworffen in den Abgrund der Höllen.

Wann der, welcher gesund ist, sich nicht übet einen steiffen Vorsatz zu machen, von Sünden abzustehen, und sich zu besseren, wie wird er solches in seiner Sterbstünd vermögen? Derjenige, welcher in einem grossen Jahrmarckt ein tapferes Pferd zu kauffen ausgangen, und unter vielen, die ihme anerbotten worden, ausgesucht doch keines nach seinem Belieben erfunden hat; da er gefragt wurde, wie das Pferd, welches er zu kauffen begehrt, soll beschaffen seyn? antwortete: ich verlange ein Pferd, welches einen schönen Leib eines Pferds habe, aber den Schweif eines Schaafs; alle schmäheten und deuteten darauf, ihne verlachend, als einen unsinnigen Mann, und närrischen Menschen. Mehr seynd auszulachen, und zu verschimpfen jene Sünder, welche leben wollen gleichwie unbändige Pferd, doch zum End ihres Lebens begehren sie gleich zu seyn einem unschuldigen Schäflein, und wollen zur rechten Seiten GOttes unter die Zahl der Auserwählten beruffen werden.


Gib Achtung, daß dir nicht begegne, was einem anderen begegnet ist, von welchem der Heil. Petrus Damianus geschrieben: dieser Mensch hat sich dem Teufel mit dieser Bedingnus übergeben, drey Tag vor seinem Tod soll er ihne seines ankommenden Ends vermahnen, da vermeynet er endlich wahre Buß zu thun in jenen dreyen [952] Tagen. Mit der Sicherheit begaber sich muthwillig in die grüne und blühende Wiesen der Wollust, mit Fressen und Sauffen, Spielen und Buhlen, ja in aller Sündlichkeit brachte er sein gottloses Leben zu. Die Jahr seiner Boßheit werden erfüllet, er nahet zum End seines Lebens, drey Tag vor dem Tod wird er von dem Teufel nach der Bedingnus angemahnet. Die Befreundte kommen, bereden ihne sein Sünd zu beichten und zu büssen; aber wann man von der Beicht geredet, hat ihne ein so tieffer Schlaf überfallen, daß es nicht möglich gewesen ihne aufzumunteren, redete man etwas anders, da war er zimlich munter. Man schreyet ihm ernstlich zu: O du elender Mensch! jetzunder bald bist du tod, deine drey letzte Täg vollenden sich, doch war alles umsonst, indem ihn eine tieffe Schlafsucht eingenommen, bis er gestorben. Bald nach seinem Tod liessen sich etliche wilde Hund sehen, welche den todten Cörper dieses Verstorbenen angriffen und vertragen haben, vielleicht dorthin, wohin die unglückseelige Seel gefahren, in das unauslöschliche Feur der ewigen Verdammnus. Es betrüge sich selbsten niemand mit einem solchen Gedancken, wann ich den herzunahenden Tod werde fühlen, alsdann will ich rechtschaffen beichten und meine Sünd abbüssen. Dieser Mensch ist drey Tag vor seinem End vermahnet, doch unbußfertig gestorben, und verdammet worden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 951-953.
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