Das achte Capitel.

Andere Ursachen werden vorgetragen, warum der Vorsatz, das Leben zu besseren, gebrochen wird.

[955] Die fünfte Ursach, warum der Vorsatz nicht werckstellig gemacht wird, ist die Vergessenheit. Bald vergisset man den geschöpften Vorsatz, man setzet ihn bey Seiten, und kehret wiederum zu den bösen Gewohnheiten. Die dieses thun, geduncken mich gleich einer Schaar Schwein unter einem Eichbaum, da diese die Eichel naschen, und gronen, oder da sie sich im Koth umwältzen, geschieht unversehens ein Schuß, alle heben den Kopf in die Höhe, bleiben ein kurtze Weil still, so bald aber der Rauch von Pulver, und der Knall des Schuß vergangen, waltzen sie sich gleich wiederum in dem Koth, gronen und naschen die Eichel wie zuvor. Nicht anderst thun ihm dieselbigen, welche abermahlen und abermahlen in das Koth der verübten Sünden fallen, sie gronen bald wiederum, sie schelten, fluchen, und schwören wie zuvor, sie entnehmen andern Leuten ihr Ehr, und sie vergreiffen sich abermahlen in des fremden Gut. Sie hören etwann ein Schuß, welchen GOtt abschiesset, etwann ein scharfe Predig, ein gähen Tod, etc. Sie erschröcken darüber, so lang als sie es hören, da erheben sie ihr Haupt, sie lassen das Sündigen bleiben: Nachdem aber die Stimm des Predigers, oder die Fasten-Zeit vergangen, kehren sie wiederum zu den vorigen Sünden, sie gronen, und weltzen sich in dem Unflat aller Boßheit. Einer aus diesen höret einem jetzt Verstorbenen ausläuten, er fraget, wer ist doch gestorben? Da zeigt man ihm denselben an, und er spricht: Dieser war mein guter Freund, ich will hingehen, und seiner Todten-Begängnuß beywohnen: Er gehet in das Haus des Verstorbenen, er siehet an das todte Angesicht, bestürtzet sich darüber, und gedencket ihme, dieser Verstorbene hat nun Rechenschaft geben alles seines Thuns, wie wird es mir ergehen, wann es auf mich wird kommen? So sey es, man muß doch einmahlen anfangen Gutes zu thun, und das Boßhafte, nemlich das Fluch- und Schelten, und alle unzimliche Begierden unterlassen: Freylich ein rechtschaffene Beicht will ich verrichten, das alte Buch der Sünden solle verbrennet, entgegen ein neues der guten Werck, gemacht werden. Dannoch kaum seynd die Kertzen dieser Leich ausgelöschet, der Rauch von den Wind-Liechtern in den Luft vertragen, das Klag-Lied der Priesterschaft, und das Glockengeläut vorüber, und haben gleich jetzt aufgehöret, er verrichtet gegen der Freundschaft des Verstorbenen den gewöhnlichen mitleidenden Trostspruch, kehret nach seiner Behausung; findet aber die Tafel nicht [956] zubereitet, oder die Speisen nicht zugericht nach seinem Verlangen, da donnert und haglet er mit Scheltworten einmahl oder zwey, und verflucht den Koch, und die Speis, in die dreymahl, bey hundert Schwur thut er nach einander, und verunehret die heilige Sacrament in seinem Zorn, und tritt also mit Füssen den Befehl des HErrn, und die Gebott GOttes, der ihm doch giebt das tägliche Brod, und reiche Nahrung, das Leben zu erhalten, er ist sein Erlöser, der ihn mit seinem Blut, und Creutz-Tod hat erlöset, und das glückselige Himmelreich so gütig versprochen.

Ein anderer Bücher-Schreiber erkläret dieses mit einer andern tugendlichen Gleichnuß. Er vergleicht die von ihrem guten Vorsatz bald abstehende, und zu voriger Boßheit umkehrende Sünder mit kleinen Kirchlein auf dem Feld, die allem Ungewitter unterworfen, voll mit Spinnen-Geweb, und Feuchtigkeit; darinn unterschiedliche Gewürme vermehret werden. Diese Kirchlein werden jährlich an ihres heiligen Fest oder Tituls-Tag abgestaubet, ausgekehret und gesäuberet auch etwann erneuert. Demnach aber der Festtag verwichen, werden sie gleich wiederum angestaubet, mit Spinnen-Geweb erfüllet, von Würmen und Ungezifer gleichwie zuvor angemistet, an den Mäuren und Dächern von Wintergrün überwachsen.

O ihr öde Kirchlein! Kirchlein des freyen Felds! Aber O ihr sündige Menschen! gebet Achtung, daß nicht etwann euer Seel gleichermassen ergehe: Wie leicht kan es geschehen, daß von einem unversehenen Sturmwind ein solches Kirchlein über ein Hauffen geworfen werde, daß ihr gähling vom Tod gestürmet in das Grab fallet, ohne vorhergehender Beicht und Buß eurer Sünden: Nichts als Noth und Jammer werdet ihr alsdann übrig haben, und euer höchstes Verderben.


Diejenige, die ihr gantzes Leben in Sünd und Missethaten zubringen, thun nichts anders, als eitles Spinnen-Geweb mit ihren schlimmen Gedancken, mit Rachgierigkeit und boßhaften Willen anspinnen. O was ist dies für ein Entweyhung der Seelen! Was vermeinest du? es seye genug einmahl im Jahr das Kirchlein deines Gewissens zu säuberen? und darauf bald wiederum abweichen von aller Sauberkeit: Vermeinest du, es seye gegen GOtt alles also recht, und deiner Seelen nutzlich gereichet, wann du nur einmahl im Jahr beichtest? Ich zweifle gar sehr daran, daß dein büssender Vorsatz kräftig sey, vielleicht ist er nur ein durstiger leerer Willen. Ach! ich wolte wohl gern mich bessern, ich wolte diese und jene sündliche Gelegenheit und Gefahr verlassen: Dergleichen Vorsätz seynd nicht genug, es kehret mehrer darzu.

Die sechste und letzte Ursach, daß der Vorsatz bald zerbrochen wird, ist die Forcht. Es beichten nicht wenig in der Fasten, weilen sie sich förchten der geistlichen Obrigkeit, welche die Beichtzettlen forderen, oder solche, [957] die nicht gebeicht, aus der Christlichen Gemein und Begräbnus ausschliessen, oder excommunicieren. Die beichten zwar, da nun aber die Fasten verwichen, da gehen sie wiederum in den alten Wald, in die sündliche Gelegenheit, sie fallen wie zuvor in ihre verübte Laster. Gleichwie ein junger Mensch ein Wagenhalß, der bey nächtlicher Weil mit verbottenem Gewehr herum ziehet, mit vergiftem Dolch, mit kurtzen Sack-Pistolen, sein Degen ist ein dreyschneidige Hohlklingen, und mit anderen dergleichen Waffen bewafnet. Dieser hörte ein Getümmel, man ruft: wer da? Die Gerechtigkeit, die Rundwacht, als er diß höret, verschließt sich etwann in ein Haus, leget ab die verbottene Gewehr, damit er nicht gefangen und eingezogen werde. Ist die Rundung vorüber gangen, alsobald ergreiffet er seine abgelegte verbottene Waffen wiederumen, nimmet sie zu sich, und gehet seinen Weeg. Er hat zwar die verbottene Waffen abgelegt, aber auch zugleich gedacht, solche bald wiederum zu sich zu nehmen. Also gehet es mit nicht wenigen. Es kommet die Oesterliche Zeit, da ist man verbunden zu beichten, wann es nicht geschieht, wird man von geistlicher Obrigkeit gestraft. Man beichtet zwar, und leget die begangene Sünden zu den Füssen des Beichtvatters, doch ohne steiffen Vorsatz, sie nimmermehr zu begehen: dahero nach verflossener Oesterlichen Zeit, kehren solche zuruck, und begeben sich zu denen schon vorher begangenen Sünden.

Recht hat ein anderer Diener GOttes dergleichen Vorsatz, genennet, Vorsatz eines Räntzels. Sehet an einen Wanders-Mann mit einem Räntzel auf seinem Rucken, dieser kommet zu einem Bächlein, also beladen kan er nicht über das Bächlein springen: was thut er? er nimmet sein Räntzlein, wirft es über das Wasser auf das andere Land, darnach nimmt er ihm selbsten einen Schwung, springt über das Bächlein, ergreift abermahlen sein Räntzlein, und legt es auf seinen Rucken. Nicht anderst machen es sehr viel, die das gantze Jahr hindurch ihre Sünd auf ihren Gewissen tragen, und so fort wanderen. Da nun ankommet die Oesterliche Zeit, alsdann müssen sie über das Bächlein der Buß durch die Beicht wanderen, sie nehmen das Räntzlein ihrer Sünd, und werfen es zum Füssen des Beicht-Vatters: aber seynd die Täg der Beicht-Wochen verstrichen, fangen diese wiederum an, das Räntzlein der Sünden ihnen selbsten auf den Rucken zu laden, sündigen gleichwie vorhero: dann die gethane Beicht, hätte keinen rechtmässigen Vorsatz den Last der Sünden abzulegen, und zu verwerfen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 955-958.
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