Vier und zwantzigste Begebenheit.

Ein Kayserlicher General-Feld-Marschall-Leutenant rüstet sich gottseeliglich zur Sterbstund.

[667] Dieser fromme Herr (mit Namen Galassus, von Trient gebürtig) hatte lange Zeit bey GOtt angehalten um die Gnad, ihme sein herzunahendes Sterbstündlein auf einige Weiß wissen zu machen. Er wurde auch seines eyfrigen Gebetts erhört folgender Gestalt, welches etwas ausserordentliches, und die Natur zu übersteigen scheint. Galassus hatte sich damahls zu Trient niedergelassen, und zur Ruhe begeben, Willens, seine letzte Lebens Täg, und durch so viel Feld-Züg abgenutztes Alter in der Einsamkeit, und GOttes-Dienst allein zuzubringen.


Vorher aber ist zu wissen, daß er schon lang von dem schmertzlichen Stein, und vielen anderen Zuständen sehr geplagt worden; doch unter anderen hatte ihn etliche Täg vor seinem Tod das Zahn-Wehe über die Massen gequälet, also daß er verlangte, man sollte ihm den Zahn heraus heben, weilen aber der Leib-Artzt vermerckt, daß selbiger gar zu tief eingewurtzelt, und mit dem frommen Herrn, der ohne das mit anderen Unpäßlichkeiten beängstiget war, noch grössere und gefährlichere Schmertzen durch Heraushebung des Zahns verursacht möchten werden, beschlosse man, solchen unverruckt zu lassen. Folgende Nacht darauf macht sich der Zahn (es war ein Stock-Zahn) von sich selbst ohne eintziges Wehethun ledig, welchen Galassus aus dem Mund nachgehends heraus stürtzte.


Als in der Frühe der Kammer-Diener sich in des Krancken-Zimmer begabe, hube er den Zahn von der Erden auf, und zeigte solchen seinem Herrn, welcher, da er den Zahn genau betrachtete, wahrnahme, daß auf solchem ein schwartzes † (so ohne Zweifel von keiner menschlichen Hand bezeichnet) gebildet wäre nicht anderst, als wie man den Verstorbenen auf der Todten Bahr zu mahlen pflegt. In Betrachtung dieses so seltsamen Zeichen kommt ihm gleich zu Gemüth, es könne nichts anders seyn, als ein klarer Vorbott seines anruckenden Sterb-Stündleins, und brache in diese Wort heraus: O, ich verstehe schon, was dieses Creutz bedeuten will. Rüstet sich darauf zum Tods-Kampf durch eine General-Beicht von dem ersten Alter an, mit vollkommener Ergebung in den göttlichen Willen, und Ubungen der vornehmsten Tugenden; als hätte er ihm in diesem seinem Todbethlein eine Tugend-Schul eröfnet, in welcher man die wichtigste Kunst auf Erden, nemlich recht, und Christlich zu sterben [668] lernen könnte. Denen Umstehenden (worunter vornehme von Adel, und Kriegs-Officier waren) triebe vor Zärtigkeit dieses Spectacul die Zäher in die Augen; ja auch manche Ordens-Männer, so gleichfalls zugegen waren, wünschten ihnen mit Galasso gleiches Ends von GOtt theilhaftig gemacht zu werden. Auf solche Weis, für die Ewigkeit wohl bereitet, gienge der Gottsförchtige Herr mit Tod ab im Jahr 1647. den 25. April. Jacob Schmid S. J. in dem Tyrolischen Ehren-Glantz 4ten Buch.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 667-669.
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