Ein und zwantzigstes Exempel.

Von dem gottseeligen Frater Wilhelm, Profeß in dem Closter Münchroth, Prämonstratenser Ordens.

[31] Dieser gottselige Jüngling ward Anno 1564. zu Mindelheim (so dazumahl Schwäbischen, anjetzo aber Bayerischen Gebiets ist) gebohren. Seine Eltern, weil sie sahen, daß er von Kindheit auf zur Frommkeit geneigt war, hatten sich entschlossen, ihne studiren zu lassen. Indem sie aber mit diesen Gedancken umgiengen, starben sie an der dazumahl grassirenden Pest dahin. Wurde also unser guter Wilhelm frühzeitig ein armes, und verlassenes [31] Waislein. Jedoch verliesse ihn GOtt nicht; sondern schickte es, daß er von einem seiner Vettern nach Memmingen in ein Closter (sonst der Spital zum heiligen Geist genannt) in die Kost gethan wurde: allwo er zugleich Gelegenheit fande, bey einem selbigen Orts Geistlichen zum studiren den ersten Anfang zu legen. Da hat er sich dann so fromm und unschuldig aufgeführt, daß ihn alle Geistliche im Closter lieben mußten. Dann er flohe alle Gelegenheit, von frecher und ausgelassener Bursch verführt zu werden. Die Zeit aber brachte er eintweders mit Betten, oder Lernen zu. Wie nun der Lehrmeister vermerckt, daß dieser Jüngling nirgends besser hin taugte, als in einen Ordens-Stand, hat er ihm durch ein Recommendations-Schreiben in das Closter Münch-Roth, Prämonstratenser Ordens, geholfen: allwo man ihn auch in das Probier-Jahr aufgenommen. Da hat er sich gleichfalls so gottselig, und unschuldig verhalten, daß niemand im gantzen Closter die geringste Klag wider ihn führen konte. Er hatte zwar keine sonderbare Fähigkeit zum studiren; jedoch bemühete er sich diesen Mangel durch ungemeinen Fleiß zu ersetzen: so, daß die Patres des Closters wohl mit ihm zu frieden waren, und er auch nach vollendetem Probier-Jahr zur heiligen Profession des Ordens zugelassen wurde. Da hat er sich dann in allerhand Tugenden geübt; absonderlich in der Gedult, wann ihm da und dort von anderen etwas widerwärtiges begegnet ist. Wie man nun gesehen, daß er in der Tugend einen guten Grund gelegt, ist er nach Dillingen zu studiren geschickt worden: in welchem er auch solchen Fortgang gemacht, daß er seinen Lehr-Meistern ein sattsames Genügen gethan. Jedoch hatte er diesen Fortgang mehr dem heiligen Gebett (welchem er sehr ergeben war) als seinem eigenen Fleiß zu zuschreiben. Mithin war seine vornehmste Bemühung in Ubung der Tugenden, und Betrachtung himmlischer Dingen; in Ausforschung seines Gewissens, und fleissiger Beobachtung seiner selbst; damit er nemlich die Reinigkeit seiner Seel mit keiner Sünd bemacklete. So verschonte er auch seinem eigenen Leib auf keine Weis, als welchen er nicht allein mit härinen Stricken umgürtete, und marterte: sondern auch hart geißlete; damit er auf solche Weis das Fleisch dem Geist unterthänig machte. In Summa: es war kein Tugend, in welcher er sich nicht täglich übte. Absonderlich liesse er ihm die Reinigkeit so wohl des Leibs, als der Seelen angelegen seyn. Dannenhero konte er nichts hören, und noch viel weniger reden, ja gar nicht einmahl gedencken, was nicht keusch, rein, und heilig war. Wordurch er zu einer solchen Unschuld und Reinigkeit gelangt, daß man ihn einem Engel gleich geschätzt hat. Deswegen er mit denen heiligen Englen in eine solche Verträulichkeit und Gemeinschaft kommen, daß, als er einstens kranck war, sie vom Himmel herunter gestiegen, und (O unerhörtes Wunder,) das Brevier [32] Chor-weis mit ihm gebettet haben. So hat ihm auch einer aus ihnen in selbiger Kranckheit die Bottschaft gebracht, er werde bald sterben, und bey denen heiligen Englen im Himmel seyn. Weilen nun die Kranckheit von Tag zu Tag zunahme, und solches an seine Oberen berichtet worden, wurd er von Dillingen in das Closter zuruck beruffen, und abgeholet. Da ist ihm dann bald nach seiner Ankunft auf eine Zeit unser liebe Frau erschienen, und hat ihn mit ihrer liebreichsten Ansprach über die massen erfreuet, mit beygesetzter Vertröstung, daß sie ihn über ein kurtzes in den Himmel abholen werde. Wie dann auch geschehen. Dann bald darauf erschiene ihm unser liebe Frau das anderte mahl, da er allgemach wolte in die letzte Züg greiffen, in Begleitung zweyer heiligen Jungfrauen: welche nicht von ihm gewichen, bis seine unschuldige Seel von dem Leib abgeschieden: die sie dann mit sich in den Himmel geführt haben, da er nicht mehr, als vier und zwantzig Jahr alt worden. Nach seinem Tod ist aus seinem Grab ein himmlischer Geruch gespühret worden: welches ein unwidersprechliches Zeichen war, daß er die Reinigkeit Leibs und der Seelen jederzeit unversehrt erhalten habe. Raderus in Bavaria Pia.


Wohl ein schönes Exempel hat die Jugend an diesem gottseligen Frater. Fürs erste: wie sie ihr die Reinigkeit Leibs und der Seelen solle lassen angelegen seyn: und also ab allem dem ein Abscheuen haben, wordurch die Reinigkeit könnte verletzt werden; als da seynd unzüchtige Reden, Rauppen-Possen, und dergleichen. Dann wie der heilige Apostel Paulus sagt: böse Reden verderben gute Sitten. 1. Corinth. 15. Fürs anderte: wie die Jugend niemahl im lernen ehender einen Fortgang mache, als wann sie sich der Gottseligkeit befleissen, und dem heiligen Gebett ergeben ist; absonderlich, wann sie das lernen zur Ehr GOttes richtet, und ihm zu solchem End aufopfert. Dann wie obgedachter Apostel sagt: die GOttseligkeit ist zu allen Dingen nutz, 1. Timoth. 4.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 31-33.
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