Merckwürdige Begebenheiten,

Woraus zu ersehen, wie nutzlich es seye die göttliche Mutter andächtig und beständig mit dem Gebett des Heil. Rosenkrantzes, oder wenigst mit gewisser Zahl des Englischen Gruß täglich zu verehren.

Erste Begebenheit.

Ein lasterhafter Jüngling wird mittelst des Heil. Rosenkrantzes-Gebett wunderbarlich bekehrt.

[420] Als dieser sündhafte Jüngling auf eine Zeit eine eyfrige Predig von Kraft, und Gnaden des Heil. Rosenkrantzes angehöret, hat er dardurch eine solche Neigung und Eyffer zu dieser Andacht empfunden, daß er ihme vorgenommen, täglich wo nicht einen gantzen H. Rosenkrantz, wenigst zu Ehren der 15. Geheimnussen des H. Rosenkrantz andächtig zu betten, und niemahlen zu unterlassen: was geschiehet? als er einsmahl zu Nacht schlaffen gienge, kommet ihme gantz lebhaft vor, als sehe er vor sich viel höllische Geister, die ihn mit Gewalt wollten hinwegführen; er wollte sich aus allen Kräften widersetzen, konnte aber ihnen doch nichts abgewinnen. Als ihn nun die höllische Geister (seinem Geduncken nach) schon in die Klauen gefaßt, und er anderst nicht gemeynt, als seye es aus mit ihm, und mußte er der Höllen zu, da siehet er gähling auf der Seiten stehen eine überaus schöne Jungfrau, mit einem holdseeligen Kind auf den Armben, zu welcher er die Händ ausstreckte, und sich so fest an ihr Kleyd hielte, daß ihn die Geister nicht konnten hinweg ziehen. Allein die Jungfrau sahe ihn ernstlich an, und sagte: Ey du frecher Mensch, wie darfst du dich an mein Kleyd halten? packe dich fort, wohin du gehörest; dann du hast durch dein lasterhaftes Leben nichts anders, als die Höll verdient. Je ernsthafter die Jungfrau sich stellte, desto stärcker hielte er sich an ihr Kleyd [421] und bate inständig, sie wolle ihn doch in dieser äussersten Noth nicht verlassen. Die Jungfrau lasset sich endlich erbitten, und kehret sich mit freundlichem Angesicht zu ihm, sprechend: Wann du mir und meinem Sohn forthin treulich dienen, und unseren Rosenkrantz, wie du angefangen, beständig und mit Andacht betten; auch mithin dein Leben besseren willst, so sollst du aus dieser Noth erlößt werden. Als er nun williglich alles versprochen, befahle die Jungfrau denen höllischen Geisteren, ihne los zu lassen. Worauf sie im Augenblick von ihm gewichen, und mithin verschwunden seynd. Wie er nun aus dem gehabten Gesicht erwachet, und wiederum zu sich selbsten kommen, befande er sich gantz abgemattet, den Leib mit Schweiß überronnen, und die Wangen von häufigen Zähren noch gantz benetzt. Geht also in sich selbst, überdenckt sein bißhero übelgeführtes Leben, erweckt darüber Reu und Leyd, geht darauf in die Kirch, und beichtet seine Sünden. Ja bey diesem bliebe es nicht, sondern er machte bald darauf den Schluß, forthin GOtt und seiner Jungfräulichen Mutter in einem geistlichen Stand zu dienen, in welchem er auch bis ans End des Lebens gottseeliglich verharret ist. Ex libro authentico, cui titulus: Schatz-Kammer des H. Rosenkrantzes. Part. 2. cap. 2. Exemp. 12.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 420-422.
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