Neunzehende Fabel.

Der Fuchs kommt ums Leben, dieweilen er dem treuen Rath des Hahnens nicht hat folgen wollen.

[763] Der Fuchs hatte einstens grossen Appetit, sich mit Hüner-Fleisch anzuschoppen. Kommt demnach für einen Hüner-Stall, und verlangt von dem Hahnen, so die Wacht hielte, eingelassen zu werden. Allein da hieße es: man laßt niemand ein; hier ist kein Hüner-Fleisch für den Fuchsen; der Stall ist versperrt; vor der Thür ist draussen. Mußte also der Fuchs für dißmahl mit hungerigem Bauch abziehen. Des anderen Tags kommt er wieder; weilen er aber auch wie zuvor abgewiesen worden, und also leer davon gehen müssen, gedachte er bey sich selbsten, wie er doch die Sach anstellen müsse, damit er seinen Zweck erreichen möchte. Indem er also hin und wieder gedenckt, nimmt er wahr, daß neben dem Hüner-Stall ein Loch seye. Lauft also hinzu, und will hinein schlieffen. Allein, weilen er zu dick ware, wollte ihm der Tuck nicht angehen. Was sollte er dann anfangen; er resolvirte sich drey Tag lang zu fasten, damit er dünner, und mithin zum Durchschlieffen bequemer wurde. Nun so kommt er dann in den Stall hinein, und sagte: guten Morgen Herr Hahn, grossen Danck Herr Fuchs, erwidrigte der Hahn. Was gutes? ich möchte halt gern sagt der Fuchs einmahl genug Hüner-Fleisch essen. Beyleib nicht, warnet ihn der Hahn, sonsten wird es dich das Leben kosten. Ich will es nicht hoffen, erwidriget der Fuchs: unterdessen will ichs wagen auf mein Gefahr hin. Dieses geredt, schnapt er nach einer Hennen, rupft und frißt sie. Daß dirs der Hencker geseegne, sagte der Hahn, jetzt ist es genug, zu viel ist ungesund. Ja wohl ungesund, antwortet der Fuchs, da hat es kein [763] Gefahr. Erwischt also die zweyte Hennen, und macht ihrs nicht besser, als der ersten. Nicht, nicht, rufte der Hahn, das ist zu grob. Ja wohl nicht, sagte der Fuchs: alle gute Ding seynd drey, darum will ich es noch einmahl wagen, hoffentlich wird es mir keinen Schaden bringen. Wie der Hahn dieses gehört, fienge er an so laut zu krähen, bis die Bäurin im Haus dem Stall zugeloffen um zu sehen, warum der Hahn ein solches Geschrey mache. So bald der Fuchs die Bäurin erblickt, wollte er die Flucht zum Loch hinaus nehmen, allein, weilen er sich zu viel angeschopt hatte, könnte er nicht mehr durch das Loch kommen. Da ihm dann die Bäurin mit einem Scheit Holtz den Garaus gemacht; ehe er aber crepieret, klagte er nichts mehrers, als daß er dem treuen Rath des Hahnens nicht gefolgt hatte. Steffan. Ordin. Prædicat, in suo Sonitu tubæ.

Wie es dieser Fuchs gemacht, also macht es auch mancher Sünder. Der Hahn (will sagen der Prediger) warnet von der Cantzel: Wage es nicht mehr O Sünder, sonsten wird es deiner Seel das Leben kosten. Allein der Sünder kehrt sich nicht daran, sondern waget es so lang mit Sündigen, bis endlich die Bäurin (will sagen der Tod) kommt, und dem Sünder den Garaus macht; mithin aber die Seel in die Höll hinunter schickt, allwo der Sünder freylich nichts mehrers klagt, als daß er der treuen Warnung des Predigers nicht gefolget hat. Aber da ist es zu spat, und wird in alle Ewigkeit zu spat seyn. Ach der Unbesonnenheit, wie theur mußt du büssen, und wirst doch nimmer abgebüßt werden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 763-764.
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