Fünf und zwantzigste Fabel.

Das Pferdt sucht Rach wider seine Feind, und wird darüber zum Sclaven.

[769] Dieses genosse seiner Freyheit, und waltzte sich nach Belieben auf einer grünen Wisen. Weilen es aber gähling (weiß nicht, was Ursachen) einen starcken Zorn auf etliche andere Thier gefaßt, gienge es zu den Menschen hin, Hülf und Rath zu begehren. Dieser sagte ihm seine Dienst zu, doch mit dem Geding, daß es auch seine eigene Kräften, und Leibs-Stärcke wölte anspannen. Hierzu aber wolle allerdings vonnöthen seyn, daß es ihne lasse aufsitzen. Wie nun das Pferd dessen kein Bedencken getragen, fuhre der Mensch weiter im Begehren fort, mit vermelden: Damit er vest sitzen möge, und nicht so leicht abgeworfen werde, müsse das Pferd ihme [769] auch einen Sattel samt den Stegreifen auflegen lassen; Zaum und Biß im Maul gedulten lernen, auch kein sonderes Abscheuen ab den Sporren haben: Dieweil der Zaum, es künstlich bald auf diese, bald auf jene Seiten zu lencken; die Sporren aber zum Anfrischen höchst nothwendig wären. Wann es nun solche Bedingnussen alle wurde eingehen, wolte er ihn ungesaumt zu der Feinden Niederlag und Verderben bester massen an die Hand gehen, etc. Nach kurtzem Bedacht verwilligte das einfältige Pferdt in alles. So brachte man den Sattel her, und umgürtete es wohl; man zaumt es auf; der Reuter legte die Stiefel und Sporren an: sasse auf, und ritte anfänglich gantz gemächlich fort: worüber das Pferd mehr ein Wohlgefallen, als Beschwernuß erzeigte Bald aber hengte er den Zaum, sporrete das arme Roß nach allen Kräften an zum Lauffen, also, daß es darüber gantz ermüdet, und mithin Schweis und Blut häufig herab flosse. Als es nun solcher Tyranney halber sich beklagte, antwortete der Reuter: Nur fort mit dir: du bist jetzt mein Sclav; was ich dir vor Arbeit werde auflegen, das mußt du verrichten; wo nicht, wollen wir noch ein Peitschen darzu finden: geschiehet dir eben recht, warum hast du mich lassen aufsitzen? Da giengen dem armen Pferd die Augen erst auf und seuftzete über seine harte Dienstbarkeit; aber zu spat. Aristoteles in Rhetorica.


Das widerfahret uns bey den Versuchungen auch. Wir haben unseren freyen Willen, wann wir ihn nur auch zu brauchen wußten, so wurde uns weder Teufel, noch Menschen viel schaden können. Aber mancher laßt sich vom Teufel hinreuten, wo er hin will: sagt zu allem gleich ja; laßt einen jeden gleich aufsitzen; thut nicht den geringsten Widerstand. So kan er dann auch her nach einen schweren Fall nicht so fast dem bösen Geist, als ihme selbst beymessen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 769-770.
Lizenz:
Kategorien: