Zwey und zwantzigstes Exempel.

Ein adelicher Jüngling, nachdem er sich so weit verlohren, daß er so gar Christum verlaugnet, erlangt doch durch Mariä Fürbitt wiederum Gnad und Verzeyhung.

[88] Es war ein adelicher Jüngling: der hatte von seinen Elteren vil Geld und Gut ererbt: aber nach dem Tod seines Herrn Vatters begabe [88] er sich in den Krieg, allwo er in kurtzer Zeit in ein so liederliches Leben gerathen, daß er all sein Geld theils verspihlet, theils durch die Gurgel gejagt; also daß er auf die Letzte seine vätterliche Erb-Güter theils verkauffen, theils versetzen müssen. Wie er nun mit allen fertig war, geriethe er in grosse Melancholie, und Betrübnuß. Gedachte also, heimlich davon zu ziehen, und sich in fremde Länder zu begeben; weil er sich schämte in seiner Heimat Noth zu leyden, und von seiner Freunden und Bekannten Gnad zu leben. Er hatte aber einen Hofmeister, der mit dem bösen Geist einen Pact hatte. Wie nun dieser seinen jungen Herrn so melancholisch sahe, fragte er ihn um die Ursach so schneller Veränderung; als der vorhin allzeit eines so lustigen Humors geweßt wäre. Villeicht betrübe er sich also, weilen er alle sein Geld und Gut verthan habe? Als ihm der junge Herr geantwortet, daß eben dieses die Ursach seiner Betrübnuß wäre; sagte der Hofmeister: O! da ist noch wohl zu helffen, wann ihr mir nur folgen wollet. Und als ihm der junge Herr zu folgen versprochen, nahme ihn der Hofmeister einstens bey nächtlicher Weil mit sich, und führte ihn zu Pferd in einen dicken Wald, und an ein mosiges Ort. Allda machte er einen Creis, oder Ring, und beschwure den bösen Geist herzukommen, und seinem jungen Herrn mit Geld beyzuspringen. Der böse Geist ware gleich da, und sagte: ja ich will deinem jungen Herrn mit Geld beyspringen; aber er muß vorher Christum verlaugnen. Wie der Jüngling das gehört, erschracke er heftig darüber, und weigerte sich auf alle Weis, solche Gottlosigkeit zu begehen. Als ihm aber der Hofmeister zusprache, er solte nicht so zaghaft seyn; sondern gedencken, in was Noth er stecke: wer ihm sonsten daraus helffen werde? Liesse der unglückseelige Jüngling sich letztlich überreden, und (O Gottlosigkeit! wem sollen nicht die Haar gen Berg stehen) verlaugnete Christum seinen Erlöser: versprache hingegen, dem bösen Geist, diesem geschwornen Feind der Menschen, forthin zu dienen. Es war aber der böse Geist mit diesem noch nicht vergnüget; sondern verlangte, daß der Jüngling auch die Mutter GOttes verlaugnen solte: dann diese ist (sagte der böse Geist) die uns am meisten schadet indem sie uns schon öfters die Sünder, da sie schon in unseren Klauen waren, wiederum entrissen; so lang nemlich dise bey ihr Hülf gesucht, und sie um ihre Fürbitt angeruffen. Dann welche aus gerechtem Urtheil GOttes hätten sollen ewig verlohren gehen, solche hat Mariä Barmhetzigkeit wiederum zu Gnaden gebracht. Uber dise des bösen Geists eigene Bekanntnuß erschracke de Jüngling auf ein neues, nachdem er sich aber wiederum erholet, sagte er: ist deme also, wie du selbst bekennest, ey! so will ich eben[89] darum die Mutter GOttes nicht verlaugnen. Wie der böse Geist dieses gehört, nahme er die Flucht: und also mußte der Hofmeister unverrichter Sachen mit seinem jungen Herrn wiederum aus dem Wald zuruck kehren. Da sie aber gegen anbrechenden Tag bey einer Kirchen vorbey müßten, und die Kirchen-Thür halb offen fanden, stiege der Jüngling vom Pferd, und befahle dem Hofmeister selbiges eine Weil am Zaum zu halten; dann er in dieser Kirchen sein Gebett verrichten wolle. Wie nun der Jüngling in die Kirchen hinein kommen, und auf dem Altar ein geschnitzeltes Mariä-Bild mit dem JEsus-Kindlein in der Schooß ersehen, gienge er hin, fiele nieder auf die Knye, und rufte mit weinenden Augen, und aufgehebten Händen unser lieben Frau an, sie wolte doch Erbarmnuß mit ihm haben, und ihm wegen der Gottlosigkeit, mit welcher er ihren allerliebsten Sohn habe verlaugnen därffen, und Gnad, Barmhertzigkeit und Verzeyhung erlangen. Sihe Wunder! die Mutter der Barmhertzigkeit redete in der Bildnuß ihren Sohn mit folgenden Worten an: mein allerliebster Sohn! ich bitte, erbarme dich doch dieses Menschens. Allein (O unverhofte Sach!) das JEsus Kind wendete das Angesicht auf die Seiten, und wolte nichts auf diese Bitt antworten. Als aber die seeligste Mutter zu bitten nich aussetzte, sagte das JEsus Kind: wie? solt ich mich dessen erbarmen, der mich so treuloß hat verlaugnen därffen? er ist meiner Gnad nich werth. Mit was Schrecken der arme Sünder diese Wort werde angehört haben, ist leicht zu gedencken. Allein die seeligste Mutter wolte sich nicht abweisen lassen. Damit sie dann letztlich möchte erhört werden, so stunde (O niemahl erhörtes Wunder!) das sitzende Mariä-Bild von seinem Ort auf; stellte ihr liebes Kind auf den Altar hin; knyete darvor nieder, und sagte: allerliebster Sohn ich bitte, du wollest disem armen Sünder um meinetwegen verzeyhen. Was geschihet? das JEsus Kind hebt alsobald seine liebe Mutter auf, und sagt: liebe Mutter! ich hab dir noch niemahl etwas abgeschlagen. Seye es also, um deinetwegen verzeyhe ich diesem Sünder: Es hat sich aber aus sonderbarer Schickung GOttes zugetragen, daß in selbiger Stund ein Edelmann, so des Jünglings Güter meisten theils an sich erkauft, heimlich in einem Winckel der Kirchen bettete, und alles mit Augen gesehen und mit Ohren gehört, was sich mit dem Jüngling begeben hatte. Dessentwegen als der Jüngling aus der Kirchen hinaus gangen, folgte er ihm auf dem Fuß nach, wünschte ihm einen guten Tag, und stellte sich, als wußte er nichts von allem dem, was sich mit dem Jüngling in der Kirchen zugetragen. Letztlich fragte er den Jüngling mit diesen Worten: Herr! warum habt ihr so nasse und rothe Augen? Der [90] Jüngling gabe zur Antwort: es müsse von einem Fluß, der sich in die Augen gesetzt, herkommen. Ja freylich, sagte der Edelmann, kommt es von einem Fluß; oder besser zu sagen, von einem Bach der Zäher, den ihr in der Kirchen vor der Bildnuß der Mutter GOttes vergossen. Dann ich versichere euch, daß ich alles weiß, was sich mit euch zugetragen. Damit ihr nun sehet, was Mitleiden ich mit euch trage wegen der Noth, in welche ihr gerathen, so will ich euch zu einem Erben aller meiner Güter einsetzen, wann ihr meine Tochter heurathet. Der Jüngling willigte gleich ein, und bedankte sich gegen dem Edelmann, daß er ihm auf solche Weis aus der Noth helfe. Lebte auch hernach viel Jahr glücklich in der Ehe, und danckete unser lieben Frauen ohne Unterlaß, daß sie ihm auf eine so ausserordentliche Weis bey ihrem Sohn Gnad und Verzeihung erlangt hätte. Cæsar. l. 2. Mirac. c. 2.


O wie mächtig ist die Fürbitt der Mutter GOttes bey ihrem Sohn! und wie solte ihro der Sohn etwas können abschlagen, wann sie ihn erinnert, wie sie ihn gebohren; mit ihrer Jungfräulichen Milch getränckt; und so oft an ihr Hertz gedrucket habe? wann der König Salomon gegen seiner Mutter, der Betsabea so viel Ehrerbietung getragen, daß er einstens zu ihr gesagt: bitte, mein Mutter: dann es gebühret sich nicht, daß ich dein Angesicht abwenden solle. 3 Reg. c. 2. Wie viel mehr wird es sagen der Sohn Gottes zu seiner Mutter? wie wird er können abschlagen die Bitt, die sie für die Sünder bey ihm einlegt? O grosser Trost für alle Sünder, als welche in Maria bey GOtt eine so mächtige Fürbitterin haben! mit was Zuversicht sollen wir ins künftig in ihrer Litaney sprechen: du Zuflucht der Sünder: bitte für uns!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 88-91.
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