32.

Wie Lewfrid den brieff schreib unnd der närrin sampt dem ring bringen thůt, denselbigen Angliana zů bringen, sie aber diß alles letz verstůnd und in dem graffen zůvor überantwort.

[349] Lewfrid saumet sich nit lang; er ging in sein gemach, satzte sich nider an sein schreibtischlin, finge an seiner liebsten junckfrawen uff semliche form zů schreiben:

›Mein außerwölte und allerliebste junckfraw, was grossen unmůt, sorg und schrecken mir die unbedacht red bracht hat, welche die boßhafftig nerrin gethon vor dem gantzen frawenzimmer, ist mir nit müglich zů schreiben noch außzůsprechen. Dann mir zwifacher schmertzen darauß erwachset, dieweil ich in sorgen stand, wo semliche red an dem hoff erschalle unnd außkomme, unser liebe möcht durch die falschen klaffer zertrent und gehindert werden. Dann sobald mein gnediger herr diser red innen würd, müßte ich in grossen sorgen und gefar meines leibs und lebens stohn, wiewol mich diß alles nit so hoch beschweret, als wann ich gedencken solt, das ihr so hart[349] von ewerem vatter gehalten wurden. Semlichs aber bey rechter zeit zů fürkommen, hab ich mich mit euwer getreuwesten Florina berahten, also das ich euch bey der widerwertigen nerrin den ring, so ich von euch empfangen, wider zůschicken soll und die mit listen davon abreden, als wann ich euch den ring het lassen anderst arbeiten, den macherlon an euch fordre. Darumb mögt ihr dem unnützen menschen wol etlichs gälts geben, das sie mir dasselbig widerbringe. Den ring behalten bey euch, biß das uns der tag eines das glück in stiller weiß zůsammenbringet! Hiemit wünsch ich euch unnd mir ein solliche stund, in deren mir on alle forcht und schrecken umb einander wonen mügen.‹

Lewfrid, sobald er semlichen brieff geschriben und mit seinem bittschafft verschlossen, ist er eilens gangen und gemelte nerrin gesuchet, die dann ihr gewonheyt nach von einem end zům anderen in der statt umbschwirmet. Als er sie nach seinem willen in eines kauffmans laden bei seinen (des kauffmans) dienern poßieren fand, hat er sie mit lachendem mund angesprochen, als wann er sie zů hoff berüffen solt. Dem dann die nerrin gantz gehorsam gefolgt biß für den hoff, do sich der jüngling meynt von niemant gesehen noch gemerckt werden.

Der graff aber, welcher an dem höchsten ort im schloß uff einem thurn stund, auff welchem er die gantz statt übersehen mocht, ersicht Lewfriden bey der nerrin unnd ihr den brieff sampt dem ring geben. Wenig gedacht, das der brieff seiner tochter zůstünd; er aber zweifelt auff etwan ein andre hoffjunckfraw, fieng also heimlich mit im selb an zů reden: ›Gewißlich understot Lewfrid etwan ein junckfraw auß meiner tochter zimmer zů erwerben, die durch die einfaltig nerrin zů bekommen. Sicher ich můß das erfaren; dann solt er eine vom adel oder villeicht eins grössern nammens mit listen hindergon, das möcht mir und meiner tochter zů grosser nachred gerahten. Wolan, ich wils zůhand erfaren.‹

Also fügt sich der graff eilens, damit er der nerrin den weg zům frawenzimmer fürkam. Lewfrid vermeynt all seine sachen nach dem geschicksten angefangen haben; do gieng es im nach dem unglücklichsten auß. Dann sobald er von der nerrin gangen, ist sie gleich dem graven zů gesicht kommen.[350] Der graff hatt sie angesprochen und befragt, was ihrs gescheffts wer. Dem hat sie eilens antwort geben, sie bring einen ring von dem goltschmit, der gehör seiner tochter sampt einem brief. ›So gib mir die ding,‹ sagt der graff, ›dann ich bin auff dem weg zů meiner tochter zů gahn.‹ Zůhandt gab sie ihm den brieff. Alsbald erkant er den ring, sahe wol, das er nicht anders gearbeit waß dann vorhin. Er schloß den brieff bald uff, lase den vom anfang biß am end.

Als er aber ein wenig gelesen hat, ist er in seinem gemüt erzürnt unnd gantz grimm über Lewfriden worden, also in sein gemach gangen und mit im berahtschlagt, wie doch die sach anzůgreiffen wer, damit er nicht sein tochter beschreyen oder in andre geferlickeit bringen möcht. Dann er fleißigs nachdencken hat, wie es dem fürsten von Salerno gangen, der Gwißgardum den jungling von wegen seiner tochter ermörden ließ, dem sie gantz williglichen mit gifft nachfolget. Darneben bedacht er auch die mannlichen thaten und das ritterlich gemüt, so er zů mermalen an Leyfriden erfaren. Noch dannocht ward er mer durch den zorn dann durch vernunfft überwunden, nam im gentzlichen für, Leyfriden heimlichen umbzůbringen. Aber sein anschlag fehlet im an disem ort gentzlichen, wie ihr dann vernemmen werdt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 349-351.
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