39.

Wie Cordula und Florina von dem graffen befragt, was sein tochter also verschlossen in der kamer seß, und wie er nach Lewfriden schicken ließ, er aber in keinen weg kommen wolt.

[367] Als nun Lewfrid zů hoff nit mer gesehen worden, deßgleichen Angliana nit mer nach ir gewonheit in ir frawenzimmer kam, auch sonst von niemant anderst gesehen worden, hat erst alles hoffgesind auff der nerrin wort ein gedencken gewonnen; ist derhalben nit wenig klag umb Lewfriden gewesen; dann er sich gegen allem hoffgesind so früntlich und tugentsam gehalten, das sie ihm allsamen grossen gunst getragen haben. Als aber der graff mit fleiß warnam, weß sich Angliana halten wolt, ist er am anderen tag zů Angliana zimmer gangen und ihre junckfrawen alle fragen lassen, was Angliana in ihrem gemach außricht, das sie nicht mehr auß dem zimmer gang. Alsbald hand sie geantwurt, es seie in davon gar nicht zu wissen; dann Angliana last sunst niemant zů ihr in ir innerist gemach dann allein Cordula und Florina.

Bald hat der graff befolhen die beiden junckfrawen für in zů kummen in seinen garten. Das alsobald verschafft worden ist. Florina aber noch voller forcht ist mit erschrockenem hertzen für dem graven auff ire kney nidergefallen, deßgleichen auch die ander junckfraw. Er aber hieß sie bald auffston; dann er het in keinem argen nach ihn geschickt, allein[367] das er von in erfaren wolt, wie sich sein tochter halten thet. Cordula, welche mehr hertz hat zů reden, fiele zůhand nider auff ire kney, deßgleichen auch Florina. Cordula die junckfraw sagt: ›Allergnedigster herr mein, wo mich eüwer genad verhören und kein zorn auff mich wolten legen, ich sagt euch die gantze warheit.‹ – ›Sag an,‹ sagt der graff, ›dann ich bin bereit zů hören sunder allen zorn.‹ Cordula sagt: ›Gnediger herr, so solt ihr wissen, daß anligen, so mein gnedige und allerliebste junckfraw an irem hertzen hat, ist nun zůmal dem gantzen zimmer offenbar. Dann sie das ohn alles scheühen von ihr selb bekant und geoffnet hat, und es seie dann sach das sie entlich erfarn mag, wo Lewfrid hinkummen, wirt sie weder essen noch trincken. Jetzund fürt sie ein ernstliche zeit mit weinen und klagen; nicht anders redt sie, nichs anders gedenckt sie dann allein an iren jüngling, welcher ihr hertz gantz gefangen und besessen hat. Darumb, gnediger herr, so das leben ewer tochter lieb ist und begeren das zů erhalten, můßt ir unser junckfrawen iren liebsten jüngling anzeigen. Dann aller trost, warnung, straff und leer mag nicht mer an ir verfahen. Ich und mein gespyl Florina haben so vil mit ihr versůcht, aber alles umbsonst ist.‹

Dieweil Cordula also mit dem graffen redt, weinet sie gantz züchtigklichen darzů, weliches dann den graffen dester mehr behertziget. Nit weniger zeher vergoß auch die getrew Florina, ihre beiden hend in einander geschlagen hinder ihrer gespylen knewend. Diß alles der graff warnam, sagt zů den junckfrawen: ›So gond hin und sagend meiner tochter, der jüngling sey noch in leben und sampt seinem gesellen und dem lewen heimlich von meinem hoff entritten, mir auch meinen liebsten jeger erschlagen. Deß sol sie gantz gewiß sein; darumb mag sie wol ir klagen und trauren lassen faren.‹

Also sind die beiden junckfrawen mit züchtigem urlob von dem graffen gescheiden, habend eilens ir junckfrawen solche botschafft von irem vatter bracht. Und wiewol sie etwas trost davon hat empfangen, hatt es dannocht in ir geschwancket, hatt sich aber ein wenig stillen lassen; dann beide junckfrawen haben allen iren fleiß darzů angewendt.

Als aber nun die junckfrawen von dem graffen kommen[368] sind, ist er in einen sessel gesessen, dem handel gar tieff nachgesunnen: ›Will mich dann glück also haben, wolan so tröst ich mich dannocht, das mein tochter ir einen solchen jüngling erwölt hat, der mit tugend und mannheyt hoch von gott begabt ist. Ach wer mir doch nur die sach vor langem zů wissen gewesen, ich wolt wol bey dem künig zůwegen bracht haben, das er in zů ritter geschlagen, mit wappen, schilt und helm begabt het. Alsdann wer mirs nit so groß zů verwiß kommen als in einem solchen fal. Wißt ich den jüngling zů finden, ich wolt im eilens einen botten schicken und wider an meinen hoff berüffen lassen.‹

Semlichs gedacht stund der graff auff, besandt eilens einen botten, sagt ihm, das er sich eilens rüsten solt, dann er můßt uff der post gon Lyßbona reiten. Demnach schrib der graff dem jüngling einen brieff und sicher geleit, gabe das dem botten, befalhe im eilens gohn Lißbona zů postieren, nach Lewfriden dem jüngling zů fragen an des künigs hoff; dann der graff meynet in gewißlich bey dem künig zů finden, dieweil er seinen vormals begert hatt. Der bott ward auch von dem graffen underricht, wie er im mit worten anligen, wo anderst sein schreiben nit verfahen wolt, das er eilens mit im auff wolt sein; dann er solt ein gantz gnedigen herren an im haben. Der bott reit hin mit grossen freuden; dann im von deß jünglings abscheid gar leyd geschehen was. Disen botten wöllend wir lassen reiten und sagen, wie sich Lewfrid der zeit gehalten hat.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 367-369.
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