44.

Wie des jegers geyst zů Lewfriden kompt und sich seer übel gehůb, im alle sach grüntlich zů verston gibt, was für ein anschlag vorhanden gewesen, so über in gemacht.

[379] Lewfrid nam seinen weg volles für sich, ließ seinem gaul[379] vollen gewalt, wo er in hintragen wolt. Als er nun dem schein und glast neher kam, fing sein roß fast an zů schnuffen, schnarhen und zittern; es lag im auch der schweiß auff allem seinem leib. So fing dem jüngling auch an der grausen zů thůn; dann die har stigen im zů berg. Er machet das creutz über sich, sagt zů im selb: ›Nun hab ich manche far bestanden zů wasser und land, bin aber dermassen nie geengstiget worden. Es sey was es immer wölle, will ich dannocht in dem namen gots fürfaren.‹ In dem fing sein pferdt an gar zůruck zaufen, stampffet und stalpret fast mit seinen füssen. Lewfrid fasset eines mannes můt, sprach seinen gaul dapffer zů, gab im die sporen, sprenget mit gewalt dem glast und schein zů. Do erhört er gar ein jemerlichs geschrey und klagende stimm, dabey er abnam, das es ein gespenst was.

In dem kam er gantz nahend darzů. Da fieng das gespenst und geyst an und sagt: ›O wee und ach, du theurer jüngling, wie wird ich umb deinentwillen so hart gepeinigt! Weh mir, Lewfrid, das ich dir all meine tag ye übels understund zůzůfügen, dieweil dir niemant sunst widerwertig was dann der graff! Warumb ließ ich in nit selb sein heyl an dir versuchen!‹ Lewfrid sagt: ›Du arme creatur, wer du bist, weyß ich nit; ich möcht dir aber meinethalben wol günnen, das du zů rhůen werst.‹ Lewfrid ward von disem gesicht so verstocket, das er nit mer gedacht des jegers, so in umbracht haben wolt. Darumb fing er ernstlichen an zů fragen: ›Sag mir doch, wer du bist, damit ich die ursach deiner hartsamkeyt verstohn und wiß, warumb du von meinentwegen in disen jamer kommen seyest!‹

Das gespenst antwort und sagt: ›Ach leyder, allerglückseligster jüngling, nit lang ist, do wolt ich durch schenck und gaben, so mir darumb versprochen wurden, dich umbracht haben. Das aber mocht mir nit gerahten, ward also von deinem lewen umbbracht, dieweil ich in einem solich bösen fürnemen was unnd aber mir der weil nit ward, das ich got den allmechtigen umb verzeihung het gebetten. Darumb můß[380] ich ewigklich in solchem ellend bleiben, und mag mich niemant darvor gefristen.‹ Lewfrid, wiewol im unverborgen was, von wem im sollich spil zůgericht, noch dannocht fragt er den geist, von wem er soliche verheissung angenommen. Antwort das gespenst: ›Lewfrid, es ist nit not dir solche ding zů erzalen; dann du deren dingen zůvor gantz sat bericht bist. Ich weyß auch, von wem dir die warnung geschehen, als namlich von dem schildtbůben. Sonst hettest du dich keines argen zů mir versehen.‹ Erst verschwand der geyst mit grossem und jemerlichem geschrey, schlug also die feurflammen von im, das Lewfrid nicht anderst meynet, der gantz wald wird sich entzünden.

In dem sahe er den mon wider durch die beum herglasten, reit also in grossem schrecken für sich. ›Ach got,‹ dacht Lewfrid, ›ist im also, das diser jeger ewig verdampt můß sein, dieweil er in einem solchen bösen fürnemen durch den tod hingenommen, wie wil es dann manchem kriegsman und räuber gon, die keiner anderen sach halben außziehen, dann das sie rauben, brennen, todtschlagen, witwen und weysen machen! Ach, wie mancher stürbt oder würt erschlagen in solcher schweren sünd, das er weder got noch seiner heyligen gedencken thůt. Was bringt sie anderst darzů dann der verflůcht und schandtlich geitz, das dann disen jeger auch dohin gefürt hat! Was sag ich von denselbigen! Es sterben doch leyder vil in iren heuseren am bet; ist nit genůg, das sie ire tag in grossem wůcher, geitz arm leut geschunden und ir gantz leben in solchen lastern hinbracht haben, sonder wann sie jetz durch kranckheit angegriffen werden, gedencken sie wenig, wie sie ir seel artzneyen wöllen, damit sie die ewig freud erlangen. Bald aber můß man lauffen nach dem artzet, der braucht alle seine kunst an dem krancken, damit er den stinckenden körpel mög hie behalten; von demselbigen went der kranck kein aug ab; wohin der artzet goht, sicht im der kranck in alle winckel nach. Kompt aber etwan ein seelenartzet, bringt mit im die recht pflasterbüchs, sagt dem krancken von gedult, von verzeihung, und das er sich jetzund schick, das creütz zů tragen, so im auffgelegt ist, das mag er gar nit hören, went sein haupt von im, fragt wider[381] nach weltlichen geschefften, hebt an zů reden von seinem gůt, kinden und gsind. Ach, wie mancher stürbt also dahin, das er von got nit mag hören reden. Dem verzih got; dann im stat das urtheil zů.‹

In solchen gedancken reit Lewfrid lang in dem wald. Zůletst hort er ein menschliche stim von ferren singen und frölich sein. Lewfrid gedacht: ›Nach disen gedön will ich reitten; mag mir mer kurtzweil geberen dann der armůtselig jeger.‹ Er reit ein kleine weil, so kompt er auff ein getribnen platz und weg, er sicht von weitem die kolhütten. Deß ward er seer fro; dann ihm die nacht fast lang gewesen was.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 379-382.
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