46.

Wie Lewfrid morgens zů dem waldbrůder kompt, den fand er vor seiner zellen sitzen in dem wald, wie in der brůder empfangen hab.

[384] Gar grosse begird hat Lewfrid, das er zů dem beghart oder waldbrůder keme. Er het auch sein seer gůte kundtschafft; so wußt er auch, das er nit von im außgeschlagen wird. Als er nun zů der zellen kam, fand er den brůder zůnechst darbei an einem lustigen ort bei einem brunnen sitzen. Er grüßt in gar früntlich, hielt auff seinem pferdt ein wenig still. Der brůder dancket im, sahe in gar ernstlichen an, verwundert sich ab seiner zůkunfft, dieweil er von etlichem[384] hoffgesind vernomen hat, wie das er verritten und wißt auch niemant, wo er zů finden wer.

Als er in aber gantz wol erkant, sagt er: ›Lewfrid, mein lieber fründ, bistu es, oder betreugt mich mein gesicht? Ich meyn nit, das du so verwegen seyest, demnach und ich gehört hab, das du dich in meins gnedigen herren land reitest. Bistu aber Lewfrid, darfür ich dich dann halt, so bitt ich, wöllest dich eilens auß dem land machen. Ich sorg, soltest du meinem herren under augen kommen, du möchtest dein leben nit bewaren, es sey dann sach das mein herr eines anderen bedacht sey dann vor einem monat.‹ Lewfrid zog sein gleit, so im der graff under seinem secret zůgeschickt hat, harfür und sagt: ›Reichart, lieber brůder, ich bit, wöllest diß offen geleyt lesen, so mir von meinem herren ist zůgeschickt worden und gon Salamanca bracht worden.‹

Reichardus, alsbald er den brieff gelesen, hat er gesagt: ›Deß freuw ich mich in grundt meins hertzens; dann mich dein hinscheiden seer bekümmert hat. Nun sag mir, bistu schon zů hoff gewesen oder bistu erst willens gon hoff zů reiten?‹ – ›Des bin ich, lieber brůder Reichart, noch unbedacht, kum auch darumb zů dir, das ich hierinn deines rahts pflegen will.‹ – ›So weyß ich dir,‹ sagt der brůder, ›in disem fal gar nicht zů rahten. Wann ich aber deß jetzigen herren sinn und gemüt so wol erkant als seines vatters, so vor lang mit todt abgangen, wolt ich dir wol wissen zů rahten; dann was er mit mund versprach und zůsagt, hielt er gantz getrewlich, wiewol ich von disem auch anderst nie gehört hab. Darzů bistu von jugent auff umb mein gnedigen herren gewesen, darumb du in billich baß dann ich kennen soltest.‹

›Sicher,‹ sagt Lewfrid, ›hab ich in gegen nieman kein gewalt nie brauchen sehen, sonder alzeit als ein frummen und milten herren erkant. Ich aber will mich dannocht nit so gar weit bloß geben, ich habe dann zůvor mit meiner liebsten junckfrawen in eygener person geredt. Wie ich das underston will zůwegen zů bringen, solt du wissen, mein lieber brůder. Ich hab mir zů Lißbona lassen heimlichen machen ein rock, mantel und kappen, auch einen gantz contrefetischen bart, damit ich mich in gleicher gestalt eins einsidels verkleiden mag.[385] Sodann hab ich meiner liebsten junckfrawen zůgeschriben bey meinem lieben und vertrewten brůder Waltern von Salamanca, das ich auff künfftigen sonnentag zůr kirchen sein wölle; aldo werd sie mich in eines begharts oder einsidels gestalt vor der kirchen sehen und persönlich mit mir reden; ich wöll ir auch mit meiner hand ein schönes büchlin presentieren, darin sie beschriben finden wirt mein geburt und gantzes leben biß auff dise gegenwertige zeit, auch was ich mir endtlichen fürgenommen hab weiters zů thůn oder mein leben darob zů verlieren, als namlich das ich ein zeit lang an des künigs hoff dienst suchen, mich dermassen bei dem künig anbringen, also das ich hoff in kurtzer zeit ritter geschlagen zů werden, damit ir vatter nit teglich an mein schlecht herkommen, sonder auch an mein leben und mannliche thaten gedencken thů.‹

Reichart der brůder sagt: ›Lewfrid, lieber fründ, bistu dann des vorhabens, so můstu fleißig mit der sach umbgon, damit dir nit begegne mit dem bůch, als dir mit dem ring und brieff gangen ist, so du meyntest, der junckfrawen solt sollichs werden, das es irem vatter zůhanden kem. Deß ich dann alles gůte erfarnüß hab von einem schildtbůben, so mir teglich mein kost von hoff in disen wald bringt; dann derselbig sagt mir auch in beichtweiß, wie er deines heils ein ursach wer, dich vor dem falschen jeger gewarnet het.‹

›Ach gott,‹ sagt Lewfrid, ›möcht ich disen bůben sehen! Der wirt mir in allem meinem anschlag der allerfürnembst helffer sein.‹ – ›Deß biß getröst,‹ sagt Reichart, ›es sey dann das er in diser nacht verscheiden, so wirt er, eh dann gar zwo stund verschinen sind, bey mir in disem wald sein. Darauff magstu dich wol bedencken, was du mit ihm zů reden so habest.‹

Lewfrid sprach: ›Mein lieber Reichart, was sagt dir doch der bůb in verschinen zweien tagen? Hat er meinen brůder nit zů hoff gesehen?‹ – ›Nein, gar nichts,‹ sagt Reichart, ›dann mir sind in dreyen tagen deinenthalben gar nit zů red worden.‹

›Nun bin ich gantz gewiß,‹ sagt Lewfrid, ›das mein gesell auff dißmal zů hoff ist.‹ Also hatten sie mancherley gesprech mitnander biß auff die zeit, das jetzund der knab mit dem brot kommen solt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 384-386.
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