Dem fürsichtigen und weisen herren Antoni Kůntzen, diser zeit schulteiß zů Rufach, embeut Jörg Wickram sein underdienstbaren grůß zůvor.

Es habend sich, günstiger weiser herr, die alten fast in iren gedichten beflissen, das dieselbigen nit so gar on nutz und fruchtbarkeit der jugend fürzůspieglen gewesen, sunder die jugend sunderlich von üblem und laster abzogen, darneben auch vilmalen zů der forcht unnd scham bewegt und getriben, welche stück warlich nit die geringsten tugenden an einem jungen mögen geacht werden. Dann auß forcht und scham erwachßet alle tugend in einem jungen; wa aber dise zwey liecht erloschen, do blibt wenig gůter sitten in alten und jungen, und ist auch nichts auff der gantzen welt, so die zart jugend mehr von bößen sitten abzieht, dann eben das, so ein junger des anderen gefährlicheit erwegen und ermessen thůt, nimpt im darbey ab, was auß loser, bößer geselschafft entspringet. Herwider ist auch den jungen angeboren von natur, wo anderst ein recht fundament ist, das sie gern, so sie recht und wol geschickt handlen, gelobt seind; sie nemen auch fleißig war, so man andre jungen ir wolthat halben lobet, befleißen sich demnach des gůten desto mehr. Man find aber leyder vil, so weder umb beyspil, loben noch schelten gar nichts geben, sunder auff ihrem gůtdunckel also hinaußfaren, geben weder umb vatter, můter, leer und schůlmeister gar nicht; und so die jetzund vatter und můter die gröst und höchst freud sein solten, geberen sie in das allerjämmerlichstes klagen und trauren.[3]

Derselbigen hab ich dreyerley arten beschriben: erstlich die, so gůter sitten und geberden seind, sich selb zů den tugenden und von den lastren abziehen. Zům andren seind etlich jungen, die das mittel halten; so sie ir beiwonung bey frummen gehorsamen kinden haben, geratend sie fast wol; wo man sie aber und er bößen můtwilligen kinden ir geselschafft laßt haben, werden sie beiwylen in grosse geferlickeit verfürt. Zům dritten fyndt man solch böße martialische und saturnische köpff, so am andren jungen nit sehen mögen, das sie iren älter gehorsammen, weisen sie auff alle büberey, schand und laster, damit dann manig frumb kind durch böße gesellschafft verfürt wirt. Was aber deren jedem auß seinem fleiß erfolget, wirb hie als in einem spiegel fürgemalet und der weychen jugend nutzlich darin zů lesen, damit sich die ehrlichen gemüter unnd herrlichen ingenia nit durch böße geselschafft verfüren lassen.

Dieweil ir nun, weiser herr, von gott dem allmechtigen auch mit lieben und wolerzognen kinden begabt seind, hab ich euch diß mein sohlechts büchlein, so dann auch nur für die jungen kinder gemacht, zůschreiben wöllen, damit die jugend, als euwer liebe kind, sich selb vor arger und bößer gselschafft hüten mög, den tugenden mehr dann den lastern nachgedencken. Dann ich mich je umb vilfaltige gůthat, so mir von eüwer weißheit widerfaren, nit anders kan oder weiß zů verdienen dann eben mit dem, so ich mit meinem verstand, der sehr gering ist, mag außrichten. Gott wolt, mir grössers müglich wer, wolt ich mich in allem gůten und früntlichen willen erzeygen. Wünsch euch hiemit vil glückseliger neüwer jor.


Datum Colmar den 26. hornungs anno 1554.


Jüngling, wilt du gen Antorff faren,

Liß mich, so magstu dich bewaren

Vor bůlschafft, schlam und bösem spyl,

Die all drey bringen schadens vil.


Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 3-4.
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