Erste Szene

[5] Straße in Padua, rechts Baptistas Haus mit Balkon. Später Abend, alles dunkel, nur in Baptistas Haus bewegen sich Lichter hin und her. Lucentio tritt auf mit einer Gitarre.


LUCENTIO.

Klinget, klinget, liebe Töne,

Schwirret träumerisch ums Haus,

Lockt die heißersehnte Schöne,

Lockt das Liebchen mir heraus!

CHOR.

Nun ist es aus, nun ist es aus!


Die Unruhe in Baptistas Haus wird von hier an bemerkbar.


LUCENTIO.

Säuselt um die weichen Kissen,

Die ihr blondes Köpfchen drückt,

Lasset sie im Schlummer wissen,

Wie ihr Bild mein Herz entzückt!


Lucentio sieht ungeduldig nach Baptistas Haus, fährt aber fort, nachdem es ruhiger geworden.


CHOR.

Nun ist es aus, nun ist es aus!

LUCENTIO.

Unbewußt, so wie die Sonne ungeahnte Glut enthaucht,

Hast in goldne Liebeswonne den Entzückten du getaucht!


Hier geht die Tür auf und Baptistas Gesinde stürzt auf die Straße.


CHOR.

Nein, nun ist es aus! Der Teufel bleib in diesem Haus!

LUCENTIO.

Was mag nun dieser Lärm bedeuten,

Was ist's so spät mit diesen Leuten?

CHOR.

Nun ist es aus, der Teufel bleib in diesem Haus!

Nichts als Schelten alle Tage!

Wenig Geld und große Plage!

Zorniges Kneifen, stolze Mienen!

Gäb es solcher Kathrinen auf der Welt ein Dutzend noch,

Wär die Welt ein Höllenloch.

Lasse sie der Himmel büßen,

Daß wir fort jetzt wandern müssen.

Guckt sie nicht in alle Teller?

Schilt in Küche, Stall und Keller!

Paßt uns auf zu jeder Stunde!

Macht auch noch bei Nacht die Runde!

Und hat immer was zu rügen,

Dürfen niemals uns vergnügen,

Niemals küssen, scherzen, lachen,

Will sie uns zu Puppen machen?

Drum macht euch auf, und frisch hinaus.

Ja, frisch hinaus, der Teufel bleib in diesem Haus!

BAPTISTA erscheint in der Haustüre.

Ihr guten Leute, nur ein Wort,

Lauft mir doch nicht so plötzlich fort!

CHOR.

Wir hören nichts, spart euer Wort.

Wir bleiben fest, wir gehen fort.[5]

BAPTISTA.

Ihr guten Leute!

CHOR.

Nein, 's ist aus, der Teufel bleib in diesem Haus!

BAPTISTA.

Kann ich doch selbst noch drinnen bleiben,

Vielleicht wird bald sie Hochzeit machen.

CHOR.

Bis sie auch euch hinaus wird treiben.

Wer nähme die, wer nähme die?

Es ist zum Lachen!

KATHARINE erscheint auf dem Balkon.

Genug, mein Vater, nimmer ziemt es sich,

So schlechten Leuten wieder deine Langmut zu zeigen,

Gute Worte noch zu geben.

Komm in das Haus, und freue dich, daß sie gehn!

Die träg und treulos ihre Pflicht vergessen,

Unwürdig sind, daß unser Dach sie schütze.

BAPTISTA.

Ich bitte, Käthchen, misch dich nicht hinein.

CHOR.

Sei nur getrost, wir gehen schon, wir gehn!


In den Fenstern der Nachbarhäuser zeigen sich erzürnte Gesichter.


NACHBARINNEN.

Wird denn der Lärm nicht bald aufhören?

BAPTISTA.

Könnt ich zum Bleiben euch beschwören!

KATHARINE.

So hör doch auf, sie zu beschwören!

Schnell packt euch fort, wollt ihr nicht hören?

LUCENTIO ist wieder zurückgekehrt.

Verwünschtes Volk, mich so zu stören!

Was für ein Lärm, ich mag nichts hören!

BAPTISTA.

Ich bitt euch bloß, mich anzuhören.

Es ist umsonst, umsonst!

Bald schwindet Sehen mir und Hören.

So hört doch nur mein letztes Wort,

Wirkt das nicht, nun so macht euch fort!

CHOR.

Umsonst, ihr sollt uns nicht betören.

Umsonst ist Bitten und Beschwören, es ist umsonst!

Kommt jetzt und laßt euch nicht betören!

Jetzt schleunig fort, nein, 's ist umsonst!

Nein, es ist umsonst, spart euer Wort!

BAPTISTA.

So hört doch nur.

CHOR.

Wir hören nichts.

BAPTISTA.

Mein letztes Wort!

CHOR.

Wir gehn jetzt fort!

BAPTISTA.

Ich will fortan mehr Lohn euch geben.

CHOR.

Hört!

BAPTISTA.

Hört nur auf mich, Geld will ich geben!

CHOR.

Geld will er geben.

BAPTISTA.

Geld will ich euch und Wein auch geben.

CHOR.

Er soll leben!

NACHBARINNEN.

Nun wird es endlich Ruhe geben.

BAPTISTA.

Geld will ich euch und Wein auch geben.

Doch dürft ihr mir nicht widerstreben.[6]

KATHARINE.

Vor Zorn mir alle Nerven beben.

LUCENTIO.

Gepriesen sei der Saft der Reben!

CHOR.

Versöhnung bringt der Saft der Reben.

Wir wollen nicht mehr widerstreben.

Signor Baptista soll hoch leben

Und auch sein ganzes Haus daneben!

LUCENTIO.

Der Liebe Hoffnung darf aufleben.

BAPTISTA.

Folgt mir ins Haus ohn Widerstreben.

CHOR.

Wir folgen dir, der Wein soll leben.


Ab ins Haus.


LUCENTIO.

Nun wird es endlich Ruhe geben,

Der Liebe Hoffnung daher aufleben.

CHOR hinter der Szene.

Da sitzen wir im Haberstroh! Juche!

Und sind ganz unvernünftig froh! Juche!

Wir schenken ein, wir trinken aus,

Es tut ja niemand weh!

Gott segne dich, du altes Haus!

Juche! Juche! Juche!


Die Lichter verlöschen in Baptistas Haus, es wird ganz still und dunkel. Lucentio hat seine Gitarre wieder geholt.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 5-7.
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