[204] LADY JOHANNA. LORD GUILFORD.
O Guilford! komm! und mische deine Thränen
Den meinigen! – O Freund! wie elend macht
Uns dieser Morgen! – Ach! Wie bald, wie plötzlich,
Wie tief sind wir der schönsten Morgenröthe
Des Glücks entstürzt! – O wie ist um mich her
Die Welt zerstört! Wie schwarz das Licht der Sonne!
Die Sfären stehen! Stumme Todesstille
Ruht auf der Schöpfung! – Guilford, du allein[204]
Bist mir noch übrig (letzter Trost im Elend!)
In deinem Arm mein Leben, ungetadelt
Und ungestört, in Seufzer auszuhauchen.
LORD GUILFORT.
O! du – wo find' ich einen Nahmen.
Der deinem Werth, und meiner Liebe gleicht?
Du schönste, reinste Seele, die sich je
In Engelsbildung dieser Erde, zeigte,
Ersinke nicht den Leiden, die dein zartes Herz
Zerreissen! Zage nicht, du meine Lebens Wonne. Noch
Ist alles nicht verloren; noch ist Hoffnung da.
Dein Vater, dessen fromme Redlichkeit
Und sanfte Gute jedes Herz schon lange
Sich eigen machte, und Northumberland
Das Haupt des Raths, mein Vater; und viel andre
Der edelsten des Reiches, deren Ansehn,
Von Macht und Gunst des Volkes unterstützt,
Mariens Anhang leicht zur Erde drückt,
Die alle leben noch, und leben nur
Zum Schutz der guten Sache! –
LADY JOHANNA.
O Guilford! Hoffe nicht
Auf Menschen, deren Kraft ein Schatten ist,[205]
Ein Traum ihr Leben! Hoffe nicht
Auf Stützen, die vom schwächsten Stosse fallen!
Dort über uns – schau durch die Wolken auf,
Die unserm Blick die sel'ge Ansicht wehren! –
Dort wohnt, von Engeln, die ihr Wink bewegt,
Umringt, dort wohnt die Macht, die uns erretten kann!
Sie schaut auf uns herab! Sie lenkt, sie ordnet alles!
Nur der Gedank' an sie – hält meine Seel' empor,
Dass sie nicht ganz ersinkt!
LORD GUILFORD.
Vertraue nur,
Du schöne Heilige! vertraue du
Der Vorsicht, die du glaubst, und deren Macht und Güte
Gleich unbegrenzt, gleich unaufhaltbar ist.
Sie wird uns rotten! Aber sie gebraucht
Zu ihren unsichtbaren Thaten stets
Die sichtbare Natur, den Lauf der Dinge,
Der Menschen Arm, und Witz und Leidenschaften.
Sie wird die Helden, die dich jetzt zum Heil
Des Vaterlands verbinden, zweifle nicht! –
Mit Klugheit und mit starkem Muth begeistern.
Der Rath versammelt sich. Den Augenblick,[206]
Da ich hierherging, sah ich meinen Vater,
Mit Mienen, die! ein wichtiges Geheimniss
Zu decken schienen, Hand in Hand
Mit deinem Vater zur Versammlung eilen.
Mir ahnet was. Ein zweifelhaft Gerücht
Schleicht leis' am Hof umher, und murmelt heimlich,
Von einem Mund zum andern. – Edward habe,
In seinen letzten Stunden noch bekümmert
Für unser Wohl, ein Testament verlassen,
Wodurch die römischdenkende Maria
Vom Throne ausgeschlossen sey. Ist diess,
So hat des besten Königs früher Tod
Die Aussicht einer bessern Zukunft uns
Nicht ganz geraubt! So kann noch Albion,
So kann die Kirche, die nach Freyheit schmachtet,
So kann dein Guilford, der in dir den Himmel
Der Tugend und der Schönheit mit Entzücken
Sein eigen nennt, noch frey, noch glücklich seyn!
LADY JOHANNA.
Was du mir sagtest, ist mir unbegreiflich.
Wie kann des achten Heinrichs letzter Wille,
Der, wenn der Himmel Edward fordern würde.
Den Thron Marien giebt, vernichtet werden?[207]
Wie kann das Volk, wie kann der Rath der Edeln
Die Heiligkeit theuren Eides brechen,
Wodurch sie sich dem Sterbenden verbanden?
Wie konnte Edward, er, dem die Tugend
Uns achtbar ward, des Vaters Angedenken so
Entehren? – Nein! er konnt' es nicht!
LORD GUILFORD.
Auch mir ist ein Geheimniss was ich seh,
Und was ich hör', und was mein Herz mir weissagt.
Doch bald –
Ein Officier erscheint.
DER OFFICIER.
Lord Guilford, der Senat erwartet dich.
GUILFORD zum Officier, der wieder sich entfernt.
Gut!
ZU LADY JOHANNA.
Nun wird alles sich uns bald enthüllen.
Jetzt fordert mich die Pflicht. Ich stahl den Augenblick
Nur, Theurste, dich zu sehn, und deinen Muth[208]
Mit einem Strahl von Hoffnung zu beleben.
Jetzt sind Minuten mehr als Tage werth,
An einer einzigen vielleicht
Hängt Englands Schicksal und das unsrige.
Die Feinde schlummern nicht – Ich eile, desto bälder
Zu dir zurückzufliegen – Lebe wohl!
LADY JOHANNA.
Ein guter Engel leite deine Tritte!
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