67.
Aristipp an Lais.

[376] Auf den kleinen Brief, den ich so eben von dir erhalte, schöne Lais, ist nur eine einzige Antwort möglich, und um sie dir selbst zu bringen, gehe ich stehendes Fußes nach der Rhede, miethe ein Boot und schwimme zu dir hinüber. – Mit aller meiner Eile habe ich doch nicht eher bei deiner Pforte anlanden können, als zu einer Stunde, wo ich Gefahr laufe dich in irgend einem schönen Traume zu stören. Ich habe einige Mühe gehabt deinen Pförtner zu erwecken, und noch größere, von ihm eingelassen zu werden. Nur durch tausend Schwüre, daß ich dir ohne allen Verzug Dinge von der größten Wichtigkeit zu hinterbringen hätte, erhielt ich endlich von dem ehrlichen Paphlagonier, daß er eine deiner Dienerinnen wecken wolle, die dir, wenn sie anders nicht noch ungefälliger als der Pförtner ist, dieses Zeichen meiner Gegenwart überreichen wird.


Antwort.

Dießmal, mein Lieber, hat dir deine Philosophie einen losen Streich gespielt; denn, unter allen möglichen Antworten auf mein letztes, bist du gerade auf die einzige gefallen, die du nicht hättest geben sollen. Oder woher konntest du wissen, mein voreiliger Herr, daß du mir nicht ungelegen kommest?[377] – Wie ist nun zu helfen? Das Beste wäre wohl, wenn ich dich auf der Stelle wieder zurückschickte; wenigstens ist es, was ich thun müßte, wenn ich den Eingebungen deines bösen Genius Gehör gäbe. Soll ich? Soll ich nicht? Es ist ein Unglück, daß ich gerade keine bessere Rathgeberin bei der Hand habe, als die schelmische Euphorion, die zu den Füßen meines Bettes liegt, und, ich weiß nicht warum, deine Partei mit solcher Wärme nimmt, daß ich eben so mehr dem Rath meines eignen Herzens folgen könnte, als dem ihrigen. – Du gehst also wieder, nicht wahr? Es wäre wirklich schön von dir, wenn es auch nur der Seltenheit wegen wäre. – Was will das unverschämte Mädchen? – Da guckt sie mir über die Achseln in meine Schreiberei, und wie sie sieht, daß ich dir deinen Rückpaß schreibe, zieht mir nicht das unartige Ding die Schreibtafel unter den Händen weg und läuft mit ihr davon?177

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Band 22, Leipzig 1839, S. 376-378.
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