Achtes Capitel
Don Sylvio ermüdet sich über dem Suchen des blauen Schmetterlings, und schläft nach einer guten Feld-Mahlzeit ein

[125] Da die Absicht des Don Sylvio bei dieser wundervollen Wanderschaft ganz allein war den blauen Sommervogel aufzusuchen; so kann man leicht denken, daß beinahe ein jeder Schmetterling, der ihm in den Weg kam, seine Aufmerksamkeit an sich zog.

Diesesmal schien es, nach Pedrillo Beobachtung, nicht anders, als ob die Fanferlüschin und Carabosse recht mit Fleiß alle[125] Sommervögel der ganzen Welt zusammen getrieben hätten, um sie im Gehölze herum zu sprengen! aus jedem Busche flatterten ihrer ein halb dutzend hervor, und unser Ritter, der alle Augenblick seine Princessin zu sehen glaubte, setzte sich in den Kopf, daß er nicht ruhen wollte, bis er sie erhascht hatte. Pedrillo mochte fluchen wie er wollte, es half alles nichts, er mußte seinem Herrn Gesellschaft leisten.

Allein nachdem sie ein paar Stunden lang wie die Unsinnigen hin und wieder geloffen, und so müde waren, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten, so befand sich, daß die verwünschten Schmetterlinge sie nur zum Besten gehabt hatten. Es waren ihrer so viele gewesen, daß man eine Sammlung in ein Cabinet davon hätte machen können; gelbe, rote, weißgraue, feuerfarbe, aurora-farbe, bunte, getüpfelte, gestrichelte, pfauen-augichte, kurz, Schmetterlinge von allen Farben und Arten, nur kein redender, und keine Princessin.

Herr Don Sylvio, rief endlich Pedrillo keuchend, indem er unter einen Baum hinsank, ich kann nicht mehr. Ich wollte daß die Pestilenz unter alle Schmetterlinge käme, eure Princessin ausgenommen, so hätten wir doch noch Hoffnung sie zu finden. Denn das sag ich euch, wenn sich die Frau Radiante unser nicht besser annimmt als bisher, so geb ich das Suchen auf.

Pedrillo mein Freund, antwortete Don Sylvio mit erstickter Stimme, ich bin so matt, daß ich mich nicht rühren kann. Sich doch, ich bitte dich, ob du nicht einen bequemen Platz findest, wo wir ausruhen können; und wenn ich wieder reden kann, so will ich dir meine Gedanken sagen.

Geht nur noch etliche dutzend Schritte weiter, sagte Pedrillo, wenn ihr anders noch gehen könnt, ich sehe dort einen schönen grünen Platz, der gegen das Feld hinaus offen ist, dort hinter, den Oliven-Bäumen; mich deucht, das sollte kein unfeiner Platz sein.

In der Tat befanden sie ihn, da sie hinzu kamen, noch anmutiger, als er von fern geschienen hatte; denn es zog sich ein hohes Gebüsche von gelben und weißen Rosen auf der einen Seite um ihn her, und machte eine Art von natürlicher Laube, und wo er offen war, hatte man eine Aussicht über die schönsten Wiesen, die von bunten Blumen funkelten, und von hundert[126] schlängelnden Bächen durchschnitten waren, deren Rand zu beiden Seiten mit fruchtbaren Bäumen besetzt dem entzückten Auge das Gemälde eines Paradieses darstellte.

Was für ein angenehmer Ruheplatz, rief Don Sylvio, dem dieser Anblick wieder den Mut erhöhte; sollte man nicht denken, daß ihn irgend eine Nymphe oder Fee in diesem Augenblick habe entstehen lassen, damit wir uns wieder erquicken können? Aber ich bitte dich, hole mir eine Flasche Wasser aus jenem Bache, der dort zwischen den Rosinen-Sträuchen fließt; ich bin ganz leck vor Durst und Mattigkeit. Indem er dieses sagte, warf er sich auf den Rasen hin, der so weich und zart war wie ein samtner Polster.

Pedrillo kam in der Minute mit seiner Flasche zurück; Munter, munter, Herr Don Sylvio, rief er ihm zu, hier ist Wassers die Fülle, und was noch mehr ist, hier sind noch ein paar Flaschen Wein von Malaga, in meinem Zwerchsack, die uns nur desto besser schmecken werden, weil wir sie so sauer verdient haben. Hei sa; auf Gesundheit unsrer Princessin; was noch nichts ist, kann etwas werden. Nur gutes Muts, gnädiger Herr, es ist noch nichts verspielt. Wir sind ja noch keinen Tag auf der Reise, und es wäre vielleicht besser, wenn wir nicht so gar nötig täten. Man weißt ja beim Velten, wie die Weibsleute sind; ich wette, wenn wir ganz ruhig unsre Straße zögen, und uns Essen und Trinken schmecken ließen, und täten, als ob uns nicht viel daran gelegen wäre, sie käme von sich selbst, und ließe sich so willig haschen, als jene Schäferin, die vor einem Hirten, den sie liebte, fliehen wollte, und in eine Grotte lief Zum Henker! wer hat mehr dabei zu gewinnen als sie selbst? Meint ihr, daß sie lieber ein armer blauer Schmetterling ist, als eine Princessin und eure Frau? Das soll sie einem andern weis machen! Es ist also, wie ihr seht, noch nichts versäumt; wir wollen es den verdammten Carabossen zum Trotze tun und lustig sein. Auf, Herr Don Sylvio; Essen und trinken hält Leib und Seele zusammen; kommt und greift zu; Wer weißt, ob wir nicht Morgen mit unsrer Princessin in einem Schloß von Alabaster aus lauter Regenbogen Schüsseln zu Mittag essen.

Dieser schöne Zuspruch des Pedrillo wurde durch sein Beispiel und den Appetit unsers Helden so nachdrücklich unter stützt,[127] daß er, wenn uns dieser Jansenistische Ausdruck erlaubt ist, eine unwiderstehliche Wirkung tun mußte.

Don Sylvio erfuhr bei dieser Gelegenheit, wie richtig die Anmerkung des weisen Zoroasters ist, welcher in einem seiner verloren gegangenen Büchern versichert, daß ein Pfund weißes Brot, eine kalte Pastete, und eine Flasche Wein von Malaga, bei einer Person, die guten Appetit und lange nichts gegessen hat, ein bewährtes Mittel gegen allen Kummer sei. Sein Mut nahm nach der nämlichen Proportion zu, in welcher die Pastete und die Flasche abnahm; die fröhlichen Geister des Weins zerstreuten in kurzer Zeit die schwarzen Dünste, womit sein Gehirn umzogen war, und allmählich nahmen angenehme Bilder, lächelnde Aussichten und süße Träumereien ihre Stelle ein, bis endlich der Gott des Schlafs, ohne ein Körnchen Mohn-Samen dazu nötig zu haben, seiner aufgelösten Sinne sich bemächtigte, und, indem er ihn sanft betäubt ins Gras hin streckte, den Zephyrn Befehle hinterließ, ihn von Zeit zu Zeit mit vertropfenden Rosen zu bestreuen.

Pedrillo folgte in wenigen Augenblicken dem Beispiel seines Herrn, nachdem er die Vorsichtigkeit gebraucht hatte, sich und seinen vielgeliebten Zwerchsack zwanzig oder dreißig Schritte weit von ihm weg hinter ein Gebüsch in Sicherheit zu bringen.

Unsre Leser befinden sich vermutlich durch die narcotische Kraft unsrer Erzählung in den nämlichen Umständen, und damit sie, wenn sie Lust haben, unsern Schläfern Gesellschaft leisten können so wollen wir hier eine kleine Pause machen.

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Werke. Band 1, München 1964 ff., S. 125-128.
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