Zweiter Auftritt.

[27] Opimius, Drusus.


OPIMIUS in sich versunken, vor sich hin. Es muß sein!

DRUSUS der ihn lauernd beobachtet hat. Was muß sein?

OPIMIUS erschreckt auffahrend. Wer fragt das? – – Drusus. – Komm, laß uns gehn.[27]

DRUSUS scheinbar gelassen. Gehn wir. – Es hat dich verletzt, Opimius, daß Gracchus so herablassend höflich, so griechisch fein gegen dich war.

OPIMIUS. Mich verletzt; warum? – Mit plötzlich hervorbrechendem Grimm. Ich in seinem Haus! – Ich ihm die Hand geschüttelt, ihn um Frieden gebeten!

DRUSUS mit leisem Spott. Was thut nicht ein edler Patricier für sein Vaterland? – Es hat dich verletzt, Opimius, daß der alte gute Metellus den Scipio so sehr lobte.

OPIMIUS. Wann hätte mich je verletzt, was Metellus spricht? – Die Lippe beißend. Doch es ist wunderbar, Drusus, wie überflüssig ich bin!

DRUSUS. Hm! Der Welt Dank –!

OPIMIUS. Es gab eine Zeit, wo man den Kitt, der unsere alte Republik zusammenhielt, Opimius nannte! – Ich galt etwas in Rom. Jetzt fragen sie nur noch: wer wird oben bleiben, Gracchus oder Scipio? »Hector oder Achilles?« Wird Gracchus den Senat unter seine Füße treten, oder Scipio ihn retten? – Gracchus und Scipio! Zwischen diesen beiden Mühlsteinen zerquetscht man alle andern Römer wie Gerstenkörner!

DRUSUS. Und wenn diese Beiden sich vereinigen, wenn sie Frieden machen –!

OPIMIUS. So werden wir ihnen die Pferde ausspannen, sie im Triumphwagen zum Kapitol hinaufziehn, und wenn sie uns mit der Geißel antreiben, vor viehischer Begeisterung jauchzen! – – Dieser Scipio! Er hat Carthago zerstört, – ich das große Fregellä. Mich nennen sie einen tüchtigen Feldherrn, ihn einen Gott.[28]

DRUSUS lauernd. Und dieser Gracchus!

OPIMIUS wieder in sich versinkend. Dieser Gracchus! – Seines Bruders Erben hat er sich gerühmt; er soll den blutigen Kelch hinuntertrinken! Ohne aufzublicken. Drusus – diesen bleichen Menschen kann ich nicht mehr sehn! Er lächelt, wie sein Bruder lächelte – aber mit vulkanischem Feuer im Blick. Wie er an mir vorbeisah! Nach einer Pause, vor Drusus hintretend. Drusus! Soll man dieses Meteor steigen und wachsen lassen, bis es über dem Capitol zerplatzt und in seinen feurigen Sturz Rom mit hineinreißt?

DRUSUS. Wie meinst du das?

OPIMIUS. Stelle dich nicht erbärmlicher, als du bist. Wie kann ein Römer das meinen?

DRUSUS. Gewalt!

OPIMIUS den Kopf schüttelnd. Er ist allmächtig. Ganz Italien kriecht in seine Togafalte hinein. Es gibt gegen ihn keine Gewalt.

DRUSUS nach einer Pause. Dolch!

OPIMIUS ohne darauf zu antworten. Scipio kommt aus Spanien zurück. Eh dieser stolze, verzogene, vergötterte Scipio sich über unsere Köpfe hinweg mit dem großen Volkstribun verbrüdert, – könnte der große Volkstribun längst im Aschenkrug sein! – Es wäre ein Segen für Rom.

DRUSUS. Ich weiß, Opimius, du hast etwas vor.

OPIMIUS. 'S war eine gute Zeit, als wir den Tiberius Gracchus in die Tiber geworfen hatten und in Stadt und Land wieder[29] Ruhe war! – Aber gegen den Gajus wollen sie sich nicht wagen; er hat ihre Herzen, ihre Gehirne betäubt. Sie predigen uns Geduld! – Geduld! – Laß uns lieber der Arznei Eisen greifen: das bequeme Hausmittel »Geduld« zehrt mehr den Arzt als den Kranken auf.

DRUSUS lauernd, leichthin. du wagst es nicht.

OPIMIUS. Ob ich es wage! – Wenn es gut ist für Rom!

DRUSUS. du wagst es nicht; – sonst wüßt' ich dir einen Mann.

OPIMIUS. Was für einen Mann?

DRUSUS spottend. Wie unschuldig der gute Opimius spricht! Umhersehend. Einen Mann, der hier im Haus jede Gelegenheit kennt; ein erfinderischer Kopf – und eine feste Hand. Kleon heißt er, war eines Sclaven Kind. Opimius nickt. Wir könnten uns um Rom verdient machen – wir beide.

OPIMIUS sieht sich plötzlich um, horcht auf. Und da stehn wir in seiner Halle. – Komm; auf die Straße hinaus! – – Drusus – schnell oder nie! Meine Natur erträgt es nicht, Tage, Wochen an so 'nem Gewebe zu spinnen!

DRUSUS lächelnd. 'S wär' auch nicht weise. – Gieb mir deine Hand; – willst du ein wenig mit mir an die Tiber gehn?

OPIMIUS tief erregt. Soll es sein, sei es heut!

DRUSUS. Ich sprach auch nicht von morgen. Horchend. Gehn wir; man kommt.

OPIMIUS hastig. Hinaus![30]

DRUSUS. Stille doch! Willst du in deinen Beinen zeigen, was dir im Herzen steckt? Willst du vor Gracchus davonlaufen? Opimius steht stolz sich fassend da. Sie gehen, während von rechts Gracchus und Metellus hervortreten, langsam nach hinten. Drusus mit gespielter Ruhe. Und um dir als ehrlicher Mann meine Meinung zu sagen, werther Opimius – Sprechen leise weiter, gehn zur Hausthür. Euporus erscheint hinten, öffnet ihnen, macht hinter ihnen zu.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 27-31.
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