Siebenter Auftritt.

[83] Drusus, Bürger, Pomponius, dann Gracchus, Cornelia, Licinnia; Metellus, seine Söhne, Opimius mit Scipio's Leiche; Sclaven und Volk.


POMPONIUS tritt aus Gracchus' Haus hervor. Was für eine Stimme aus der Unterwelt schreit hier vor der Thür? – Gajus, heraus!

GRACCHUS ihm folgend. Was rufen sie? Was für ein Scipio ist todt?

DRUSUS. Mensch mit der ehernen Stirn, du fragst: »was für ein Scipio ist todt?« – Schau hin, Volkstribun: in ihrer ganzen Länge trägt man dir die Antwort heraus. Betrachte sie dir genau, unschuldiger Mörder, und dann frag' noch einmal: »was für ein Scipio ist todt?«


Metellus, seine Söhne und Opimius tragen Scipio's Leiche, halb verhüllt auf einer Bahre heraus; Sclaven mit Fackeln folgen. Cornelia und Licinnia stürzen aus Gracchus' Hause hervor.


GRACCHUS. Weh mir! – Ist das Scipio oder mein Gedanke –

CORNELIA zurückfahrend. Phantom der Nacht![83]

OPIMIUS. Blick her! Enthüllt die Leiche. Starke Bewegung des Volkes.

METELLUS in furchtbarer Erregung. Gracchus, Gracchus, Gracchus – ich verwünsche dich! Hier liegt deine Rache, Mörder; gieb uns den halben Erdkreis für ihn, du giebst uns Scipio nicht! – Alle Zeichen über dich waren falsch: ein Dämon, aus dem Orcus aufgestiegen, ist menschlicher, römischer als du!

LICINNIA. All ihr heiligen Götter! Metellus – Gracchus –

GRACCHUS tritt in völliger Verstörung vor. Alter Mann, halt ein! Was verklagst du mich? Beim grausigen Tartarus –

METELLUS. Still, rühre deine verfluchte Zunge nicht mehr! Dolche jeder Art hast du in unsre Straßen geworfen – bis einer traf! Mörder! Sein Gewand zerreißend. So zerreiß' ich die letzte Gemeinschaft zwischen dir und mir; bei diesem stummen Scipio schwör' ich's: Feindschaft bis in den Tod!

OPIMIUS zu einem von Scipio's Sclaven, der mit Schwert und Schlachttrompete hinter ihm steht. Setz' deine Trompete an den Mund; sie hat vordem Carthago stürmen helfen! – Volkstribun! Du klagtest uns an, daß wir deinen Bruder gerichtet wider Gesetz und Recht! Sei ruhig, dir wird dein Recht: dich soll die Trompete rufen nach der Sitte der Väter, – vor das Schwert des Senats! Er winkt dem Sclaven; dieser stößt in die Trompete; mächtige Töne.

GRACCHUS. Hört mich, römische Bürger! Dieser Mord –

DRUSUS zum Sclaven. Blas' ihn nieder! Blase! Neue Trompetenrufe, Gracchus übertönend. Fort aufs Capitol! Tragt Scipio's Leiche durch alle Straßen umher![84]

GRACCHUS. Römer, hört mich an! Bei den allmächtigen Göttern –

OPIMIUS. Blas' in die Trompete, bis ihm die Zunge verdorrt! Der Sclave bläst; lange, wilde Tone. Hebt die Leiche! – Gracchus, wir rufen dich: mach' dich bereit zum Gericht!

LICINNIA zusammenbrechend. Helft mir – ich sterbe!


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 83-85.
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