Fünfter Auftritt

[29] Ruthwen, Janthe zu seiner Linken.


RUTHWEN. Sey ich dich endlich, meine süße Janthe! Ach, verzeihe, wenn ich schon an deiner Liebe zweifelte.

JANTHE. Ach, die Angst hat mich entkräftet. Sie sinkt in seine Arme. Erst nach Mitternacht konnte ich das Haus verlassen. Die Zubereitungen zum festlichen Empfang des Lord Mersey, der morgen mit dem Frühesten erwartet wird, beschäftigten Vater, Mutter und das ganze Haus bis spät in die Nacht.

RUTHWEN. O so war es die höchste Zeit! Morgen schon wärst du auf ewig für mich verloren gewesen. Du, die Braut eines andern! Du, die mein Herz so zärtlich, so unsäglich liebt, du, die Frau eines andern! Ha, der Gedanke könnte mich zum Wahnsinn führen.

JANTHE. Ach, hätte ich meinem Vater deine Liebe geschildert, ihm gesagt, wie gut du bist, wie sehr mein Herz an dir hängt; ach, auch er ist ja so gut, er hätte mir gewiß verziehen und meine Liebe zu dir gebilligt. Warum hattest du mir auch verboten, gleich bei der Zurückkunft meiner Eltern der freudigen Regung meines kindlichen Herzens zu folgen.

RUTHWEN. Kannst du mir die Besorgnis meiner Liebe zum Vorwurf machen? Er, der geschworene Feind meines Hauses, nie hätte er in den Bund unsrer Herzen gewilligt, und seine Weigerung wäre mein Todesurteil gewesen.

JANTHE. Du kennst ihn nicht; kein Haß steht so fest in seinem Herzen, daß ihn die Liebe zu seiner einzigen Tochter nicht entwurzelt hätte. Ach, und heimlich konnte ich ihn verlassen, mit Thränen wird er am Morgen sein Kind suchen und nicht finden. Sie wendet sich weinend von ihm.

Nr. 3. Duett.


JANTHE.

Teurer Eltern einz'ge Freude,

Lohn' ich sie mit herbem Leide,

Die zu ehren süße Pflicht.

Ach! Ich muß sie ja betrüben,[29]

Denn es zwingt mich, dich zu lieben,

Was Vernunft dagegen spricht.

RUTHWEN tritt zu Janthe und umarmt sie.

Fühl' an meines Herzens Schlagen,

Mehr als ich vermag zu sagen,

Daß ich dein auf ewig bin;

Nimmer werd' ich dich betrüben,

Ewig, ewig dich zu lieben,

Schwör' ich dir mit treuem Sinn.

JANTHE sinkt an seine Brust.

Ach, ich muß sie ja betrüben,

Denn es zwingt mich, dich zu lieben,

Was Vernunft dagegen spricht.

So bist du, Teurer, mein auf ewig,

Und ewig, Teurer, bin ich dein!

Ach, Liebe, Liebe nur macht selig,

Mein Leben weih ich dir allein!

RUTHWEN.

Nimmer werd' ich dich betrüben,

Ewig dich zu lieben,

Schwöre ich mit treuem Sinn!

Ja, Teure, dein bin ich auf ewig,

Und ewig, Teure, bist du mein!

Ach, Liebe, Liebe nur macht selig,

Mein Leben weih ich dir allein!

JANTHE.

So bist du, Teurer, mein auf ewig!

RUTHWEN.

Ja, Teure, dein bin ich auf ewig!

JANTHE.

Und ewig, Teurer, bin ich dein!

RUTHWEN.

Und ewig, Teure, bist du mein!

JANTHE.

Ach, Liebe, Liebe nur macht selig,

Mein Leben weih ich ihr allein!

So bist du, Teurer, mein auf ewig,

Auf ewig, Teurer, bin ich dein! –

RUTHWEN.

Ach, Liebe, Liebe nur macht selig,

Mein Leben weih ich ihr allein![30]

Ja, Teure, dein bin ich auf ewig,

Und ewig, Teure, bist du mein! –

JANTHE.

Als du dich zuerst mir nahtest,

Bebte ich entsetzt zurück.

RUTHWEN.

Weiß wohl, Liebchen, daß du's thatest,

Doch jetzt lächelt mir dein Blick.

Der Mond dunkelt allmählich und steigt dabei langsam höher, bis er am Ende des Duetts ganz hinter den Felsen links oben verschwunden ist.


JANTHE.

Als du dich zuerst mir nahtest,

Bebte ich entsetzt zurück!

Aber wie mit Zaubersbanden

Zog es später mich zu dir. –

Ja, ich folg' dem innern Drange,

Meinem Herzen folge ich.


Beiseite.


Ewig, ewig ist er mein!

Liebe lacht aus seinen Augen;

O wie glücklich werd' ich sein!

RUTHWEN.

Weiß wohl, Liebchen, daß du's thatest,

Doch jetzt lächelt mir dein Blick!


Beiseite.


Ha, ihr ist im Herzen bange,

Armes Mädchen, dauerst mich.


Laut.


Unsre Herzen, die sich fanden,

Sind der Zauber, glaube mir. –


Beiseite.


Ha, ihr ist im Herzen bange,

Armes Mädchen, dauerst mich.


Beiseite.


Doch Triumph! jetzt ist sie mein;

Und ihr süßes Blut zu sangen,

Welche Wollust wird das sein!


Sie umarmen sich.

Der Mond ist verschwunden.


Ruthwen und Janthe fliehen beim ersten Hornruf nach hinten in die Höhle.

Jäger mit Hörnern, Diener und Landleute mit Fackeln kommen, nach allen Seiten hin suchend, von links.
[31]


Quelle:
Heinrich Marschner: Der Vampyr. Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück, Leipzig [o. J.], S. 29-32.
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