4

[12] Gestern Abend hieß mich der Vater ihm in den kleinen Garten unter meinem Fenster folgen, wo kein Fremder hingeführt wird. Er[12] lobte meine Blumen, begehrte einen Strauß, ich merkte bald, daß er mir etwas zu sagen hatte, was ihm schwer vom Herzen gieng. Anna, begann er, und zog mich neben sich auf die Moosbank, ich habe Dir etwas zu sagen: Der Ritter von Plankenfels begehrt Dich zur Hausfrau, so eben hat er mirs entdeckt. Was sagst Du dazu?

Nein, mein Vater! rief ich, Nein! O diesem geben Sie mich nicht!

Er faßte meine Hand zärtlich, nicht diesem, noch irgend einem Andern will ich Dich geben, Du sollst Dich selbst nur geben, mein liebes Kind, doch muß ich Dich aufmerksam machen. Es ist der dritte Freier, den Du von Dir weisest, wirst Du es auch nie bereuen? Plankenfels, wie seine Vorgänger, ist ein stattlicher, ehrenhafter Mann, mir von wackern Männern wohl empfohlen, wie mirs scheint auch liebenswerth, um eines Mädchens Augen zu gefallen. Jugend und Schönheit sind Blumen, deren jeder begehrt, aber bald entblättert sie die Zeit, und[13] dann naht sich ihnen kein zärtliches Verlangen mehr; sie stehen allein, und die Stürme des Herbstes brausen über sie hin. Ich bin jedes Tags eines Rufs zum schwäbischen Bundesheer gewärtig; ein alter Kriegsmann muß enden, wie er begonnen, bereit zu jeder Stunde vor dem Feinde zu stehen. Du und die Mutter stehen allein, wenn ich falle, auch die Mutter wird vor Dir hingehen, so lehrt es der Lauf der Natur. Meine edlen Freunde leben Dir zu entfernt, Dich schützen zu können; eine unruhvolle Zeit droht zu beginnen, – was soll aus Dir werden?

Laß uns nicht ängstlich sorgen, bester Vater! rief ich. Glücklich und schön begann mein Leben unter den Augen geliebter Eltern. Es scheint das Glück ist mir hold. Lieber wollt' ich im heiligen Frauenkloster meine Tage beschliessen, als in freudelosem Ehebund, dem mein Herz widerstrebt.

Nun so gebe ich dem Ritter in Gottes Namen den Abschiedsgruß, sagte der gute Vater[14] mit Freundlichkeit, und empfehle Dich dem ewigen Auge über uns. Sein Blick war gen Himmel gerichtet, eine Thräne glänzte darin, und mein befreites Herz schlug hoch an dem seinen.

Quelle:
Caroline von Wolzogen: Erzählungen. 2 Bände, Band 2, Stuttgart und Tübingen 1826, S. 12-15.
Lizenz:
Kategorien: