Der Adriatischen ROSEMVND

fünftes Buhch.

[184] Rosemund, welche di vihlen libes-gedanken, damit si dise ganze nacht verschlossen, sehr ermüdet hatten, begunte gleich izund, da der lihbliche morgen ihr zimmer beschine, und di vogel fohr ihren tage-leuchtern zu zwitschern anfingen, in einen angenähmen schlahf zu fallen; dehr-gestalt, daß Markhold zeit genug hatte seine nuhr ehrstlich=verfasste tichtlinge, der Rosemund zu ehren, an etliche linden hinter ihrem garten an zu häften. Dan er wuste wohl, daß si sich alle morgen, so bald si auf=gestanden wäre, unter denselbigen mit ihrer lauten zu ergäzzen pflägte; und solches aus denen uhrsachchen, weil sich rächt gegen über ein lihblicher wider=schal, welcher ihr lauten-spilen noch mehr verlihbligte, hören lihs. So macht' er sich dan nuhn also-bald färtig, ging von seinem schlahf-zimmer sehr früh, da noch nihmand im ganzen hause auf-gestanden wahr, hin-unter in disen lust-gang, und häftete daselbsten vihr getichtlein an vihr gegen einander über-stähende linden: von denen wahr das ehrste diser


Zwelfling

Auf den mund seiner Schönen.


Ist das der Rosen-mund! was rosen! welche bleichen,

wan si der wind anhaucht; da diser schöner würd, [240]

wan mein verlihbter hauch den seinen kan erreichen,

und in däm rosen-tahl der liben lippen irrt.

wi ist er dan rubihn? rubihn mus eher weichen;

er ist zu blas, zu bleich, und hat nicht solche kraft.

wi dan koral? oh nein! koral ist ohne saft,

ein ungenähmer stein und unbelihbtes zeuchen,

da weder strahl noch farb' ein frisches härz verwundt,

wi diser pflägt zu tuhn, wan sich mit wider-prallen

mein aug' in ihm verirrt. Drüm ist dein liber mund

vihl währter als rubihn, als rosen und korallen.[185]


Das andere, welches rächt gegen disem über, und auf ein härz von einer bürkenen baum-schahle geschnidten, verfasset stund, wahr dises


Klüng-getichte

auf das Härz seiner Träuen.


O trautes härts! was härts? vihl härter noch als hart,

o! stahl? mit nichten stahl; es lässt sich bässer zühen.

wi dan magneht? o nein; ihm ist vihl mehr verlihen. [241]

ist's dan ein deamant? auch nicht; dan diser ward

im schäzzen nahch-gesäzt däs härzens wunder-ahrt.

wi! ist es dan kristal? durch dehn di strahlen sprühen,

wan izt di sonne stäht in follem glanz' und glühen.

o nein. wo-durch würd dan sein währt rächt offenbahrt?

indähm es mehr als hart, mehr zühglich ist und zühet

als stahl und libes-stein; mehr währt als deamant,

dehn sonst di blinde wält fohr täuer-währt ansihet;

vihl reiner als kristal, vihl klährer von verstand

als er am blohssen schein. noch hält däs Folkes hal

dein härze gleich magnet, stahl, demant und kristal.


Näben disem klüng-getichte wahr noch ein anderes in einem länglicht-rundten brihfe zu sähen, und ohn-gefähr folgender mahssen verfasset.


Auf di Augen seiner

Liben.


Ihr augen fol von gluht! was gluht? karfunkel-strahlen: [242]

auch nicht! si sein ein bliz, dehr durch di lüfte sprüht

und sich aus ihrem aug bis in di meinen züht.

nicht blizze; bolzen sein's, damit si pflägt zu prahlen,

damit si pflägt den zol der libe bahr zu zahlen.

nicht bolzen; sonnen sein's, damit si sich bemüht

zu bländen andrer lücht; di keiner ih=mahls siht,

der nicht gestrahft mus sein. nicht sonnen; stärne tahlen

vom himmel ihrer stirn': auch nicht: was säh ich schimmern,

dan gluht ist nicht so feucht, karfunkel strahlt nicht so,

der bliz hat minder kraft, der pfeil macht jah nicht fro,

di sonn' ist nicht so stark, ein stärn kan nicht so glimmern,

wahr-üm dan sihet si däs Folkes aber-wahn

fohr gluht, karfunkel, bliz, pfeil- son- und stärnen ahn?


Rächt gegen disem über wahr folgendes angehäftet.


[186] Auf di hahre seiner

Trauten.


Sein das di güldnen hahr? ach gold! si können zwüngen [243]

und bünden meinen muht mit ihrem glanz' an sich;

nicht bänder; strahlen sein's, damit si bländet mich

di sonne meiner zeit: nicht strahlen; blizze drüngen

mit eingemischt härzu, und in den lüften rüngen:

nicht blizze; sehnen sein's, davon so säuberlich

di güldnen pfeile scheusst der kleine wüterich:

nicht sehnen: was dan sonst so unter vihlen dingen?

dan gülden sein si nicht, weil gold nicht halb so täuer;

auch bänder sein si nicht, weil bänder schwächcher sein;

auch sonnen-strahlen nicht, weil nuhr ein sonnen-schein;

nicht blizze, weil der bliz ein augen-bliklich feuer:

auch sein si sehnen nicht. noch wärden si mit macht

gold, strahlen, bändern, bliz und sehnen gleich geacht.


Als nuhn Markhold dise vihr getichte mit allem fleis angehäftet hatte, so verbarg er sich in dem garten, weil er wohl wuste, daß seine Rosemund nicht lange mehr aussen-bleiben würde, damit er [244] sähen möchte, wi si sich ställte, und wi si sich zu solchen tichtlingen gebährden würde. Dise Schöne wahr in-dässen gleich auf-gestanden, und er hatte kaum ein vihrtel-stündlein in dem garten gesässen, daß si mit ihrer lauten nahch selbigem lust-ohrte zu gegangen kahm.

Markhold stund hinter einer läuben, und lauschte, was si begünnen würde; Si aber lihs sich straks in selbiger gegend, da dise vihr schärz-getichte stunden, auf eine rasen-bank nider, und spihlte wohl zwei oder drei lider, ehe si solcher brihfe gewahr ward. Als si aber ohn-gefähr auf-wärts sahe, und ehrstlich den zwelfling erblikte, dan si sahs gleich gegen demselbigen baum' über, da diser an=gehäftet wahr; so wusste si nicht, ob si fort-spilen oder inne halten solte. Si sahe sich anfangs auf allen ekken üm, ob si etwan eines mänschen, dehr solches angeschriben hätte, möchte gewahr wärden; als si aber nihmand vermärken konte, so stund si auf und las' es mit halb-zerbrochner stimme; Si überlas' es noch eins, und als si solches zwei=mahl getahn hatte, so nahm si es zu sich, und säzte sich wider-üm nider, in wüllens ihre laute zu[187] stimmen: aber si wahr über-aus-froh, als si im sizzen noch dreier solcher brihflein ansichtig ward. Si sprung fohr grohsser begihrde nahch däm einen zu, das wi ein härz gestaltet wahr, und wuste fohr fräuden nicht, ob si es anrühren dürfte. ändlich aber, weil si leichtlich sähen konte, daß si Markhold geschriben hatte, so nahm si alle vihre zu sich und lägte si auf di rasen-bank, da si sahs.

In-dässen nuhn daß si widerüm auf ihrer lauten spilete, und ein so libes lihdlein zu süngen begunte, daß sich Markhold hinter seiner läube kaum mehr enthalten konte, so kahm ein gelinder wind unter ihren erlangten fund, und zersträuet' ihn, eines hihr- das andere dort-hin. O wi flohe si [245–246] hinter ihnen hähr, wi geschwünde lühf si, einem hihr, dem andern dort, nahch: gleich wi ein ahdler, wan er seinen raub ohn-gefähr verlühret, demselben mit fluggem schosse nahch-eilet; also eilet' auch dise Schöne ihrer entführten beute nahch. Markhold hatte solcher gestalt seine rächte lust, und hätte nichts libers und gewündschters sähen können, als disen eifer seiner trauten Rosemund: di er üm so vihl däs-zu-mehr lihbte, und von blik zu blik alle=zeit lihblicher hihlt.

In-zwischen machte sich dise Schöne mit ihren zusammen-geläsenen brihflein wider-üm in ihr zimmer, da si selbige ehrst rächt betrachtete, und ihrem liben Markhold immer verbündlicher ward. Si säzte sich auch ändlich zur fäder, damit si etwas in ihrer mutter-sprache dahrauf zur antwort machchen möchte: aber di Stil-muht kahm dahr-zwüschen, und vermäldet' ihr, daß Markhold schohn aufgestanden wär', und auf dem sahle härüm lust=wandeln ginge. Damit si ihn nuhn nicht so lang' alein lahssen möchten, so kleideten si sich fol-änd an, und gingen zu ihm hin-über.

Markhold entfüng dise Schönen mit grohsser ehr-erbütigkeit, und si führeten ihn in das näheste zimmer, da ihn der Her Vater auch straks dahr=nahch besuchete, und üm verzeuhung baht, daß er ihn izund einer noht-wändigen verrüchtung wägen verlahssen müsste. Markhold hätt' auch gärn seinen abschihd von disen Schönen genommen, und den Hern Vater bis nach Amstelgau begleitet, da er äben[188] auch zu tuhn hatte. Aber wi sehr er auch baht, so kont' er es doch von dem Sünnebald nicht erhalten; nein, nein, sahgt' er, es wül mihr nicht gezimen, daß ich meine gäste wäg-führen sol; es ist mehr als alzu vihl, daß ich so unhöhflich sein mus, und ihn aleine lahssen, meinen geschäften ob zu ligen. Aber dähm sei auch wi ihm wolle, so können ihm meine [247] töchter di zeit noch wohl so guht verkürzern, als wan ich selbst zugegen wäre.

Markhold muste sich also bewägen lahssen, und noch ein stündlein verharren. welches dan der Rosemund über-aus wohl gefihl, weil si ihn solcher gestalt seiner zusage, di er ihr foriges tages versprochchen hatte, erinnern konte.

Der tahg wahr sehr schöhn, der himmel klahr, und das wetter über-aus-lihblich; di sonne blikte mit ihren anmuhtigen strahlen, welche rächt laulicht waren, den frohen wält-kräus so fräundlich an, daß man fast nicht mehr lust hatte in den häusern zu bleiben. Di Rosemund mahnete den Markhold zu einem lust-wandel an, und di Stil-muht selbst baht ihn dahr-üm, daß er sich mit ihnen in das grüne begäben möchte. Si gingen hihr-auf in den garten, da sich di lihblichen rosen von der wärme der sonnen schohn auf-getahn hatten, und säzten sich ehrstlich zum brunnen, här-nahch unter di lust-höhle, da sich Markhold an den zihrlich-gesäzten und über-köstlichen muscheln sonderlich erlustigte. Es waren ihrer daselbsten wohl hunderterlei ahrten, immer eine schöner als di ander, zu sähen, dahrinnen man di wunder der grohssen zeuge-mutter nicht gnugsam betrachten konte. unter allen aber wahr sonderlich di purpur=muschel zu erhöben, dahr-aus di königliche farbe, welche ein schähffers-hund erfunden hat, gesamlet würd. Di zakken der schwarz- und rohten korallen, di magnetischen stein-rozzen, durch welche sehr kleine wasser-strahlen geriselt, und aus einer muschel in di andere gesprungen kahmen, machten das aus-sähen noch lihblicher. Di schau-gläser, so auf allen seiten und in allen winkeln härführ blikten, gahben einen sehr lustigen wider-schein. In däm einen stein-wärke wahr ein kleiner teich, [248] dahrinnen der Se-got mit seinem drei-zank-stabe här-üm-fuhr. Er sahs in einer länglicht-rundten ofnen muschel als auf seinem[189] königlichen stuhle; üm ihn härum schwummen allerlei kleine Se-wunder, Mehr-ammen, und wasser-kälber. Auf der andern seiten wahr noch eine kleine Se, welche fast halb fol gisch wahr, und di Lustinne, in einer ahrtigen muschel, aus-warf, welches in däm nähsten schau-glase ein solch ahrtiges aus-sähen gahb, daß auch Markhold sagte; wan einer nicht begreiffen kan, wi di kunst und selbheit mit einander streiten können, so darf er nichts mehr als dises wunder=wärk anschauen. Der eingang diser Lust-höhle wahr ein halber mahnd, der zu beiden seiten zwo ahrtige mit schild-kröhten überzogene toskanische (wi si di bau-läute zu nännen pflägen) säulen hatte. Das fuhs-geställe wahr von marmel, und das haubt-gerüste von kristal und albaster mit korallen vermängt. Der boden wahr mit schwarz- und weissem marmel gepflastert, dahrauf rächt in der mitten ein härz von rohtem durchscheinendem steine gehauen, auf etlichen koral-zakken, gleichsam als auf dornen entpohr stund, und etliche dünne wasser-strahlen über sich sprüzte. üm dises härze härüm sahssen auf kleinen albasternen bänken neun ahrtige wasser-fräulein, welche sich gleichsam in den wider-härab-fallenden wasser-tropfen zu baden schinen. Markhold entfand aus solchen seltsamkeiten nicht wenig lust, und hätte wohl gewündschet, daß er solcher lust und ergäzzung tähglich genühssen könte. Dan es mus ein-ihder bekännen, daß solche und dehr-gleichen wasser-künste, denen-jenigen, di den büchern obligen, bis-weilen sehr wohl zu statten kommen, und di abgemärgelten sünnen wider von näuem erfrischen und beläben.

Als nuhn dise libe geselschaft solchem wasser-[249]spihl' und lust-riseln lange gnug zu-gesähen hatte, so begahb si sich lätslich unter einen belaubten lust-gang, da di Rosemund aller-hand lustige räden fohr-brachte, und mit solchen ümschweiffigen gesprächen den Markhold noch länger bei sich behalten wolte. Anfangs kahm si auf di vihl-färbigkeit der tulpen, und sagte; daß fast ein maler mehrerlei farben nicht zurüchten, und schönere bilder fohrställen könte, als di tulpen wären. Ach! meine Schöne, was wül si doch sagen, fihl ihr Markhold in di räde, es ist mihr noch wohl eine malerin bekant, von welcher ich zwei bilder[190] gesähen habe, di vihl schönere, vihl träflichre und vihl lähbhaftere farben haben, als dise nichtige bluhmen. Dan ich habe nihmahls an keiner einigen tulpen solche rein=weisse farbe gesähen, als si ihren stirnen angestrichchen hat; keine tulpe kan auch nimmer-mehr solche lihbliche röhte haben, als si ihrem munde gegäben hat: und wehr wül mihr eine so zahrte leib-farbe an disen flüchtigen bluhmen weisen, als si ihren wangen mit-geteilet hat?

Ich möchte solche kunst-reiche malerin wohl kännen, gahb di Stil-muht zur antwort; und in wahrheit, si mus eine sonderliche künstlerin sein, weil si solches zu wäge bringen kan. Si ist freilich (fing ihr Markhold das wort auf) eine sonderliche künstlerin, ja eine künstlerin aller künste, und wihr pflägen si di grohsse Zeuge-mutter aller dinge zu nännen. Ach, fihl si ihm wider in di räde, ist es di-jenige, so darf ich mich nicht vihl wundern, daß si als di künstlichste malerin, solche schöne bilder gemalet hat. Darf ich aber (fuhr si fort) wohl so führ=wüzzig sein, und zu wüssen begähren, was solches fohr zwei bilder sein, di si gebildet hat, und di ein solches lohb verdinen? Meine Schöne, gahb ihr Markhold zur antwort, ich wolt' ihr gärne nuhr das eine sähen lahssen, (dan das andere hat si [250] schohn gesähen) aber, weil ich weus, daß es ihre augen nicht anders, als durch einen widerschein, er-kännen müssen, so würd si so lange geduld haben, bis wihr in ihr zimmer kommen. über solchen worten huhb di Rosemund an zu lachchen, und entfärbete sich; sollen solche nichtige bilder, fing si an, ein solches lohb verdihnen? es hat meinem Hern nuhr also belihbt, und wihr sein uns, unserer schwachheit halben, über-gnug bewust. Aber damit ich ihm, fuhr si fort, das-jenige, was mihr izund eingefallen ist, nicht länger verhalte, auf daß es här-nahch nicht gahr vergässen wärde, so mus ich ihn erinnern, daß sich bald eine schuld-forterin bei ihm an=gäben würd, damit er sich entweder zur zahl- oder verantwortung däs-zu bässer gefasst halten könne.

Ich hoffe nicht, gahb ihr Markhold zur antwort, daß man izund äben kommen wärde, meine lust zu verstöhren: und im fal ja selbige einmahnerin, wider verhoffen, anlangen[191] würde, so lahsse si durch ihre dinerin an däm tohre befählen, daß man si abweise, mit fohrgäben, daß ich widerüm verreiset wäre. Hihr-auf huhb di Rosemund an zu lächlen, und schwihg eine gute weile stille. Ach! nuhn säh' ich, huhb Markhold an, wessen schuldner ich bin, und bitte meine Schöne zum höchsten üm verzeuhung, daß ich ihr mit einer solchen antwort begegnen dörfen. Aber, wan si mich einer bitte gewähren wolte, und nicht eine solche scharfe gläubgerin sein, so wolt' ich si wohl gebähten haben, daß si mihr nuhr noch einen tahg frist lahsse, damit ich mich zur ab-zahlung gefasst machchen könne.

Di Rosemund huhb samt der Stilmuht an zu lachchen, und wi si bishähr, verdäkter weise, üm di beschreibung der alten und izigen Deutschen an=gehalten hatte, so täht si es auch nuhn austrüklich, und wolte nicht eher ablahssen, si hätte dan ihr begähren erlanget. Markhold bekwähmete sich also, [251] seine Schöne zu vergnügen, und nahchdähm si sich alle dreie in dem lust-gange nider-gelahssen hatten, so fing er folgender gestalt an.


Kurzer entwurf

der alten und izigen

Deutschen.


Ich habe meiner Schönen zwahr versprochchen einen abris und entwurf der alten und izigen Deutschen zu tuhn, und bin auch gesonnen meinen worten aufs mühglichste nahch zu kommen: aber, weil di verfasser und auf-sucher ihres uhrsprunges sich meisten-teils in denen so vihlen und unter=schihdlichen namen, damit si von anbegün bis auf dise gegenwärtige zeit sein genännet worden, verirren, dehr-gestalt, daß si di ehrsten mit den lätsten vermischen und fohr einerlei ansähen: so wül ich zu=fohr den unterschihd solcher namen, damit si sich däs zu bässer dahr-ein fünden könne, nahch den zeiten ihres uhrsprunges kürzlichst erklähren und dahr-nahch auch däm begähren meiner Schönen gnüge tuhn.

Es wärden aber, fohr das ehrste, di Deutschen Twiskonier, das ist, di-Askanier genännet, von dem Twiskon, oder[192] Tuaskon, ihrem Vater und uhrhöber, welcher äben der Askenas (wi di Juden und Ebräer einhällig vermeinen, und di Deutschen noch heutiges tages םיזנכשא Askenazim, nännen) sein sol, dessen1 vater Gomer, und grohs-vater Jafet, gewäsen ist; welcher Jafet von dem Noeh, nahch aus-sage der heiligen Schrift, nahch dem Sem und Ham ist gezeuget, und gesähgnet worden, daß er sich ausbrei-[252]ten solte,2 wi auch dannen-här das eine teil der wält, welches er und seine nahchkömlinge ein-genommen haben, Europe (das ist, ein breites aus-sähen, oder eine weite gegend) ist benamet worden.

Weil nuhn di heidnischen Geschicht-schreiber, und denen zur folge di unsrigen, dise des Twiskons ankunft und gebuhrt nicht gewust haben, und den sachchen nicht so weit nahch gedacht, daß Twiskon oder Tuaskon mit däm geschlächtswort' aus tu-Askenas zusammen gezogen und in etwas verändert sei; so haben si fohr-gegäben, daß Twiskon der Twiskonen, oder der Deutschen, Vater und Got gewäsen wäre, welcher seinen uhrsprung und gebuhrt aus der ärden genommen hätte.

Es ist aber diser Askenas, oder Twiskon, im 130 jahre nahch der Sünd-fluht gebohren, und von seinem Fohr-grohsvater dem Noeh, nahch des Berosen zeugnüs, in di länder, welche üm das Euxinische Mehr und den Rein härüm ligen, verteilt worden. Da er der ehrste könig der Twiskonen gewäsen ist, und sein reich samt seinem folke, nahch mitternacht zu, gewaltig vermehret hat. Er gahb auch gesäzz' und rächte, wi das folk solte beherschet und im zaume gehalten wärden; hihlt di untertahnen zur Gottes-furcht und guhten sitten; und starb im 1964 jahre, nahch erschaffung der wält, als Semiramis sechs jahr zu Babilon geherschet hatte.

Es uhrkunden etliche, daß diser Fölker ehrster siz in klein Asien gewäsen sei, von dannen si sich mit den Zimbrern[193] (ihren brüdern) durch Krakau, Polen, Schlesien und andere länder (wi noch etliche namen der Stätt' und des flusses Asche, oder Aske, aus-weisen) nahch der gegend zu, wo izund däs Deutschlandes mittel-teil liget, begäben hätten, und in Anhalt nidergelahssen; dässen Fürsten sich noch heut zu tage von Askanien schreiben; und [253] es bemärkt und bewähret auch selbige meinung di Grahf-schaft Askanien selbst, di Grahf-schaft Mans-fäld, oder des Mannes Fäld, (welcher des Twiskons sohn gewäsen ist) di Stat Aschersläben, und vihl andere mehr.

Das wort Askenas aber heisset so vihl als ein fohr-stäher und verwahrer däs feuers, vom hebreischen שא asch, d.i. feuer, und ןהכ ein Gots-beamter: welchen namen di Askanier oder Twiskonen mit rächt geführet haben, in-dähm si alle-zeit unverzahgte, tapfere und feurige helden-gemühter gehabt.

Es walten auch härnahch von dem algemeinen namen diser fölker, dehn si izund führen, und Deutsche genännet wärden, viler-hand meinungen: Einer ist in dehm wahne, daß das wort deutsch von däm worte Twiskon3 wi dises von Askenas hähr-rühre, und sei nuhr in etlichen buhch-staben verändert. Andere tuhn noch dises dahr-zu, und schreiben, daß man dem Askenas, dehr seinen siz an dem Reine, gegen Köllen über, wo der Fläkken Deutsch liget, genommen hätte, (welches ändlich auch wohl kan geschähen sein) den zu-namen Deuter oder Deut gegäben; weil er nähmlich aus dem fluge der vögel hätte deuten, und zu-künftige dinge zufohr verkündigen können. Etliche wollen, daß si alle ihre Götter mit dem namen Deut oder Düd genännet hätten: etliche vermeinen, daß si nuhr einen Got dises namens an des Merkuhrs stat (welchen di Egipter auch Deut zu nännen pflägen) verehret, und fohr den vermeinten Verdeutscher, das ist (eigendlich zu erklähren) Dolmetscher, oder Ausläger, der Götter, und götlichen geheimnüss' und gesäzze, gehalten hätten. Der lätste teil wül behaubten, daß der neund' oder zehen-[254]de könig solches folkes disen namen geführet habe; und dahähr sei es kommen,[194] daß ehrstlich di fölker zwischen der Weiksel und dem Reine, und dahr=nahch auch alle di andern, Deutsche wären genännet worden; etliche vermeinen, daß es der Deutschen fünfter König gewäsen sei, dehn man, aus libe dises namens, also genännet hätte. Dähm sei nuhn wi ihm wolle, so kan man doch muht-massen, daß di uhr-alten Deutschen unter däm worte deut (wi di Egipter einen ihden weisen man nännen, und bei den Ebreern das wörtlein dod דוד ein fräund, oder lihbster, wi di Israeler den Baal ihren lihbsten und bräutgam nännten, geheissen hat) einen got, oder doch zum wenigsten etwas götliches, verstanden haben. Es stärket mich auch noch in solcher meinung der Gotten name (welche ein teil diser fölker gewäsen sein, und sich ändlich gahr sehr nahch norden zu gelänket) in-dähm si von däm worte Got, welches so vihl ist als guht, wi es ihre nahchkömlinge, di Dähnen und Schweden, noch schreiben und aus-sprächchen, also sein genännet worden. dehr-gestalt, daß beides di Gotten und Deutschen (der gebräuchlichen bedeutung der wörter, got und deut, nahch) einerlei und gleich=sam götliche namen führen.

Zum dritten haben auch di Deutschen den namen Germanier geführet, welchen man den Lateinern zu-schreiben wül, daß si nähmlich das deutsche folk also genännet hätten, weil es als lauter leibliche brüder an einander hünge. Man liset bei allen geschicht-schreibern und schrift-rüchtern so vihlerhand auslägungen von disem worte, daß es vihl zu lang wärden solte, wan ich si alle beibringen wolte. Es ist märk-würdig, wan Kornelius Tazitus schreibet, daß di Germanier nicht anders wo-hähr in Deutschland kommen wären, sondern dahr-innen gebohren; und man fündet auch dises [255] wort in keinen älteren lateinischen uhrschreibern, welche an dässen stat allezeit di namen Dwiskoner oder Deutonier, gleich wi di lätsteren fast allezeit Germanier, gebrauchen. Zu dähm so bekännet solches auch ob-ermäldter Tazitus austrüklich, daß der Germanier name noch näu sei: dan ob di Germanischen fölker schohn lange zufohr gewäsen sein, so haben si doch unterschihdliche namen gehabt; etliche hat man Zimbren, etliche Deutschen, etliche Gotten, etliche Schwaben, u.s.f. genännet Wan es mihr[195] vergönnet ist meine auslage von solchem streitigen namen zu sagen, so halt' ich daführ, daß es entweder von däm alten worte geren, d.i. bezwüngen hähr-rühre, weil si als zwang-männer und bezwünger gewäsen sein; oder aber von den noch-üblichen wörtern währe, gewähre, d.i. krihgs=rüstung, oder Gewärre, d.i. krihg: in welcher bedeutung di Franzosen das ihrige von den alten Deutschen entlähnte wort guerre noch gebrauchen; da nahch ihrem und der Lateiner gebrauch nuhr das w in währe; oder aber in den andern, di ehrsten beiden wort-glider zusammen gezogen sein: dehr-gestalt, daß German eigendlich nicht anders heisset als währman, oder ein bewährter man; oder wärman, d.i. kriges-man, welches mit dem andern namen Hehrman (dehn unsere Fohr-ältern auch geführet haben) wohl über-ein-kömmet: und ich wolte dannen-hähr gedachtes wort in unserer deutschen sprache nicht anders, als Währman und Währmannien, schreiben. Was schlühslich di meinung des Junius anlanget, dehr izt-ermäldeten namen von dem jüngsten bruder des Askenas und des Gomers sohne, dem To-garma, noch von der Sünd-fluht hähr auf-suchen wül, so mus ich bekännen, daß mihr selbige fast unter allen den andern am bästen gefallen hat. [256]

Nuhn haben wihr noch einen namen der Deutschen zu betrachten, welchen si zu lätst, als si aus einem verwildeten folke sein zu rächt gebracht worden, und sich der ahdlichen tugenden und höhflichen sitten beflissen, bekommen haben. Dan zur selben zeit, als di Deutschen mit den Römischen Käsern, dem Konstantihn, und dem Juliahn, krihg führeten, di Römer über di Alpen jahgten, und diselbigen örter, welche di Schwaben heutiges tages noch besizzen, ein-nahmen, so hat man ehrstlich diselben fölker der Deutschen, so sich zwischen der Donau, dem Rein' und Mein nider-gelahssen hatten, und der Römer tohd-feinde waren, Almannier genännet; welcher name von den wörtern adel und man zusammen-gesäzt ist; dan gleich wi in Adelheit ins gemein das d aussen gelahssen, und Ahlheit gesprochchen würd, so hat man es auch mit däm worte Adelman gemacht. Di Franzosen (welche disen ihren namen auch von den Franken oder freien Deutschen, di sich in Gallien, wi Frankreich[196] ehrstlich genännet ward, eingedrungen, und di alten einwohner meisten-teils verjaget hatten, noch bis auf dise stunde führen) nännen di Hohch-deutschen noch izund Alemands, di Grichen Elamags, di Türken Alaman. Wan es anspihlens gälten solte, so könte man alhihr widerüm was götliches aus disem namen machchen, und würde dähmnahch selbiger mit den Gotten und Deutschen über-ein-kommen. Di Türken, gleich wi den Sprahch-verständigen bekant ist, wi auch di meisten morgen=ländischen fölker, haben das wort Al, el, oder Alla, damit si Got bedeuten wollen: weil nuhn selbige fölker di Deutschen Alamans oder Allamans nännen, so würde Allaman in ihrer sprache so vihl heissen als Gottes-man, oder der Got Man, welcher ein sohn oder sohns-sohn des Askenas, und ein könig der Deutschen, sol gewäsen sein. [257]

Hihr-aus sihet nuhn meine Schöne, daß man uns Deutsche zu-ehrst Twiskonen oder Tuaskanier; nahch-mahls, Deutschen; färner Währ-männer oder Germanier, und Hehrmänner; ändlich aber Adelmänner oder Alemannier, genännet hat. und dise sein di algemeinen der Deutschen Fölker namen, hähr-nahch hat man auch noch sehr vihl andere, damit ein' ihde absonderliche fölkerschaft der Deutschen ist zu-benamet worden; welche wihr, weil es unser zwäk nicht ist, und wihr uns schohn alzu lange versäumet haben, mit stil-schweigen über-gähen wollen.

Ich hätte mich in auslägung solcher unserer Fölker namen so lange nicht auf-gehalten, wan ich nicht gewust hätte, daß meiner Schönen damit gedinet wäre, und si sich selbst in untersuchungen derer-gleichen sachchen übete; nahch-dähm ich sehr wohl weus, daß ein anderes Frauen-zimmer sehr wenig, oder bis-weilen gahr nichts, dahr-von verstähen würde. Im fall' ich ihr aber nichts däs zu weniger verdrühslich gewäsen bin, so bitt' ich üm verzeuhung, und wül ihr auf ein anderes mahl di zeit mit einer froheren lust und lustigern gesprächen versühssen.

Damit ich aber zu den Deutschen selbst schreite, und dehrselben Gebuhrts-ahrt, geschikligkeit und gebräuche, ihrem begähren nahch, erzähle, so wül ich ehrstlich von den alten[197] anfangen, und härnahch von den näuen auch einen kurzen entwurf gäben.

Di alten Deutschen (wi di wenige Geschichte mälden, di uns noch übrig gebliben sein) waren starke, härz-hafte, grohs-mühtige, und gleichsam wild' und rauhe leute, bei denen ih-dännoch, wi Tazitus bezeuget, di guhten sitten und das alte hähr-kommen mehr galt, als bei andern di guten gesäzze. Si wussten von den freien künsten wenig, oder wohl gahr nichts; und da-hähr ist es kommen, [258] daß kein einiger ihre tahten und verrüchtungen aufgesäzt und däm gedächtnüs ein-verleibet hat.

Das gedächtnüs ihrer helden-tahten pflägten si nuhr mit gesängen, welche si ihre kinder lähreten, zu erhalten, und wan si den feind angreiffen solten, (welches dan ihres härzens fräude wahr) so sangen si dem Herkules zu ehren ein kriges-lihd, mit fohr-gäben, daß dises der streitbahrste man gewäsen wäre. Si brauchten in disem gesange keine lihbligkeit, di ohren damit zu küzzeln, sondern bemüheten sich nuhr dadurch ihre gemühter zur tugend zu ermundtern, und den feinden ein schrökken und entsäzzen ein zu jagen. Däs-wägen brauchten si auch solche harte, grob' und knallende donner=worte, und hihlten di schilder im süngen fohr den mund, daß es also mehr gebrummet als gesungen hihs. Ihr gesicht wahr meisten-teils krigerisch, erschröklich, und grimmig an zu sähen. Si waren ein=ander geträu, und stunden di nähchsten bluht-verwandten, wan si in der schlacht waren, alle-zeit bei-einander. Wehm si etwas versprachen, dehm hihlten si es auch, und warden an ihren worten nimmer-mehr brüchchig; da-hähr man noch heutiges tages saget, wan einer dem andern etwas fästiglich geloben und versprächchen wül, ich sage dihr solches zu auf der alten Deutschen träu und glauben. Si hihlten wi mauren bei ein-ander, und hatten ihre weiber und kinder alle-zeit nicht weit von sich, damit si sich ihrer erinnerten, und fohr ihre freiheit ritterlich kämpfeten. Man liset, daß es vihlmahl geschähen sei, wan di schlacht-ordnung geschwanket, und sich schohn zerschlagen befunden hätte, daß alein di weiber mit ihrer gegenwart, bitten und flöhen, indähm si ihre fohr augen schwäbende dihnstbahrkeit angezogen,[198] selbige wider-üm zu rächt gebracht, und der flucht gewähret hätten.

Tazitus, welcher unter dem Käser Vespasiahn [259] stathalter in Niderland gewäsen ist, bezeuget der Deutschen tapferkeit und helden-muht mit disen worten: Nihmand (sagt er) hat ihmahls einen krihg wider di Deutschen ungerochchen geführet; welches fohr zeiten di drei grohss' und erschrökliche Hehr-läger unter dem August; und nahch-mahls der Karbo, Kassius, Schaurus, Aurelius, Servilius, Zepio, Manlius, und etliche gewaltige Käser, mit ihrem grohssen schaden gnugsam sein gewahr worden; in-dähm si von den Deutschen zum teil erschlagen, zum teil in di flucht sein getriben worden.

Josef, der Grichische Geschichter, nännet si starke, Dionisius krigerische und streitbahre, Arrius Soldaten und kriges-leute; und Seneke säzt noch dises hin-zu, und sahgt; daß auf der wält nichts muhtigers und behärzters sei, als di Deutschen, wi auch nichts fräudigers zum anlauff', und nihmand, dehr di waffen mit solcher begihr annähme und gebrauche. Wehr in dem träffen seinen schild verlohren hatte, wurde führ ehr-lohs gehalten, dorfte zu keiner Rahts=versamlung, auch zu keinem Gottes-dihnste kommen; da-hähr sich ihrer vihl, aus verzweifälung und unwüllen, erhänket haben.

Ihre versamlungen pflägten si im wachsen des mahndes zu halten, und zählten di zeit nicht bei den tagen, sondern bei den nächten. Wan di sachche nicht so gahr wüchtig wahr, so beraht=schlahgten sich nuhr di fohrnähmsten unter ihnen; wan es aber eine schwäre sachche wahr, so kahm di ganze gemeine zusammen, und wan das folk sein guht-dünken gesahgt hatte, so machten di führnähmsten den schlus. Si kahmen gemeiniglich gewafnet zusammen, und wan ihnen der fohrschlahg gefihl, so huben si mit ihren spihssen an zu schüttern, welches dehm eine grohsse [260] ehre wahr, dehr den fohrschlahg getahn hatte. Gefihl ihnen aber dehrselbige nicht, so murreten si, und schüttelten di köpfe dahr-über.

In der Königs-wahl sahen si alein auf den adel, und zu Kriges-obersten nahmen si di-jenigen, so sich am[199] tapfersten gehalten hatten. Di Könige dorften nicht herschen und handeln, wi si wolten; und di obersten beflissen sich mehr durch ihre tugend, als scharfe kriges-gebote, däm folke fohr zu stähen, und ein härze zu machchen.

Di-jenigen, so einem Könige oder Fürsten auf=warteten, eiferten über ein-ander, und es wolt' immer ein ihder der nähest und libeste sein. Es wahr ihrer Fürsten gröhsseste pracht und herligkeit, daß si allezeit zu kriges- und fridenszeiten eine grohsse anzahl wakkerer und streitbarer Jüngling' üm sich haben mochten.

Der jungen manschaft führnähmste übungen und Ritter-spihle bestunden einig und alein dahr=auf, daß si zwüschen den spihssen und schwährtern hähr-üm-sprangen, dadurch si kühn-muhtig warden, und der waffen gewohneten. Auf schöne tummel-pfährde hihlten si nicht vihl, sondern gewöhneten ihre rosse, ob si schohn ungestalt und mager waren, zur tauerhaftigkeit und zum rännen. wan di Reiterei eine schlacht täht, so sprangen si oft-mahls von ihren pfärden här-unter, und fochten zu fuhsse; inmittels warteten ihrer di pfährde, und verwändeten keinen fuhs. Sättel auf den rossen zu führen wahr ihnen di höchste schande; und si führeten weder köstliche kleider, noch krihgs-rüstung. Ein reiter lihs sich mit einem schild' und reisigem spihsse genügen. wenig unter ihnen hatten panzer an, kaum der zehende einen sturm-huht, und di schwährter waren bei ihnen sehr seltsam.

Es wahr dem kriges-mann' eine schande, wan sein Oberster oder Feld-her in der schlacht üm-kom-[261]men, und er entronnen wahr, es wäre dan, daß man den sihg erhalten hätte. Also stritten di Hehr=führer üm den sihg, und di Soldaten führ ihren Feld-hern.

Si vermeinten, daß es faulen leuten zu-stünde, mit schweiss' und arbeit dasselbige zu verdinen, was man mit seinem bluht' erwärben könte; da-hähr konte man si so schwährlich dahr-zu bringen, daß si das feld gebauet, und ein ganzes jahr auf di früchte gewartet hätten: aber ihren feind här-aus zu fortern, und etliche frische wunden zu hohlen, das wahr ihre lust. Was verrähter und feldflüchtige waren, di hingen si an di bäume; faule, verdrossene[200] schlüngel, und di weder krigen noch sonst etwas tuhn wolten, ersäuften si in einem unbewähglichen pfuhle, warfen eine geflochtene horte dahr-über, und sahgten, si wären nicht währt, daß si öffendlich stärben solten.

Si waren dem trunke sehr ergäben, und achteten solches führ keine schande, wan si tahg und nacht an-ein-ander härüm-soffen. Si handelten auch in ihren Gastereien von krihgs- und fridens=händeln, da si dan ihr gemüht, weil si ohne dis nicht tükkisch noch arglistig waren, bei dem trunke noch mehr eröfneten. und wan solches also geschähen wahr, so ward di sachche des andern tages wider führ-genommen, und bei nüchternen gedanken ab=gehandelt.

Ihr trunk wahr meisten-teils von gersten, oder andern früchten gesotten, zohg sich in etwas auf den geschmak des weines; di am Rein-strohme pflägten auch wein-bärge zu bauen. Ihre kost wahr nichts mehr als busch-ohbst, käse, milch-speis', und bis-weilen ein frischer wild-braten. Das jahr hatten si in drei zeiten ab-geteilet, in den Windter, Früling und Sommer; dan vom Herbst' und desselben Gotte wusten si nichts. [262]

Ihre Götter, di si verehreten, waren Merkuhr, welchem si zu ehren mänschen schlachteten; dahr=nahch Herkules und Mars, denen man vihe zur schlacht-gabe dahr-reichte. Dem lätsteren, als ihrem Kriges-gotte, haben si einen busch geheiliget, welcher nicht weit von däm Sächsischen Halle, gahr nahe bei der stat (welche von ihm den namen hat) Märse-burg oder Mars-burg, gelägen ist. Di Freie, Istevons des vihrten Königes der Deutschen Gemahl, ist auch, wi man schreibet, fohr di Göttin der Libe oder däs freiens, an der Venus stat, geehret, und auch nahch ihr der vihrde tahg in der wochche, frei-tahg, genännet worden.

Keine unter allen ihren fölkerschaften wahr der abgötterei mehr ergäben, als di alten Sachsen, welche di grünen bäume, wan si dik-belaubete zakken hatten, wi auch di brun-kwälle verehreten. unter andern hatten si einen über-aus-grohssen stam eines baumes aufgerüchtet, dehm tähten si götliche ehr' an, nännten ihn in ihrer sprache Irmensaul, oder Ihdermans-säule, damit si Gottes al-macht, di alles träget und erhält, andeuten und ab-bilden wolten.[201] Disen hat der grohsse Erz-her Karl ümgeworfen, nahch-dähm er di Sachsen durch einen lang-wihrigen krihg über-wunnen.

Es kahm ihnen nichts so ungeräumet fohr, als daß man di götliche Al-macht und Hoheit in di änge gebäu und hütten ein-schlühssen solte, oder durch bilder und götsen führ-bilden; weil di götliche gewalt nicht von mänschen-gedanken, vihl weniger zwüschen vihr wänden könte begriffen wärden. Aus disen uhrsachchen nuhn weiheten si ihren Ab=göttern keine wohnungen und gebäue, sondern dikke schattigte wälder, und sagten aus-trüklich, man könte Got wohl ehren, aber nicht sähen.

Di Schwaben verehreten auch di Ab-göttin Isis; und heiligten ihren Göttern wälder, in wel-[263]che nihmand kommen durfte, man hätte dan ihn zufohr gebunden, zur bezeugung seiner untertähnigkeit: und wan einer un-versähens strauchelte, daß er zu boden fihl, so dorft' er nicht wider auf=stähen, sondern man wälzt' ihn auf der ärden hin-aus.

Di Sachsen pflägten etliche schlohs-weisse pfährde mit gemeinen kosten zu erzühen, welche man zu keiner arbeit gebrauchte, sondern nuhr künftige dinge durch si erforschete. Si warden in einen wagen gespannet, näben dehm der König oder Fürst hähr-ging, und fleissig in acht nahm, wi si sich gebährdeten, und wi si sich mit schreien anställten. Von disen zeuchen hihlten si über-aus-vihl, und es vergaften sich dahr-an nicht alein di gemeinen leute, sondern auch di fohrnähmsten und geistlichen selbst. In schwähren und gefährlichen krigen lihssen si einen gefangenen von däm folke, damit si krihg führeten, gewafnet härführ-trähten, welcher mit einem Deutschen oder Sachsen, auf seine weise gerüstet, kämpfen muste. Wehr nuhn unter disen zweien di ober-hand behihlt, desselben folke schriben si den sihg zu.

Dises sei also mit kurzen von der alten Deutschen ahrt, gebräuchen und sitten: nuhn wül ich meinem Fräulein auch von der heutigen etwas erzählen: derer stand, wäsen und gebräuche in allen ländern, jah fast in allen Stätten, unterschihdlich ist. Es wärden aber di Deutschen in zwe stände fohr-nähmlich ab-geteilet.[202]

Der ehrste Stand ist der Geistliche, zu welchem teils fürstliche, teils adliche, teils bürgerliche und gemeine geschlächter beförtert und erhoben wärden. Es würd ein geistlicher, sonderlicher ein Prädiger und öffendlicher Beichtvater, an keinem ort' und in keinem lande höher und ansähnlicher [264] gehalten, als in Deutschland. Fohr allen andern fölkerschaften aber ehren di Meissner (welche sonsten di aller-ehr-erbütigsten vnd fräund-sähligsten leute in ganz Deutschland sein, und gleichfalls auch di aller-lihblichst' und reineste sprache haben) ihre Geistlichen so hohch, daß auch di kinder auf der strahssen, denen solche furcht gleichsam angebohren ist, fohr ihnen erschrökken, mit den hühten in den händen stok-stille stähen, wan si etwan fohr=bei-gähen, und sich schäuen in ihrer gegenwart etwas laute zu ruhffen; jah, wohr-über man sich noch mehr verwundern mus, di sonst unbändigen kriges-gurgeln und Soldaten selbst, wan si an einem orte, sonderlich auf hohen schuhlen, in besazzung ligen, wüssen nicht, wi si di geistlichen genug ehren sollen; dan wan irgend ein gezänk' und un=frid' unter ihnen ist, und nuhr ein geistlicher in seiner ansähnlichen langen tracht, wi es an denen örtern gebräuchlich ist, fohr-über gähet, so schweiget ihderman fohr grohsser ehr-erbütigkeit stille; si teilen sich von ein-ander, stähen auf, und grühssen ihn mit sehr demühtigen und gleichsam untertähnigen gebährden. Jah, es haben di geistlichen unter den gelährten di ober-ställe; und dahähr kömt es, daß di von Adel, ja oft Frei-herren selbst, sich zu Prädigern gebrauchen lahssen, und in der götlichen weusheit nicht alein üben, sondern auch öffendlich lähren.

Der andere stand ist der wältliche, welcher widerüm geteilet würd, ehrstlich in den herlichen, unter welchen der Erz-her der ganzen wält, der Römische Käser, di Kuhr-fürsten, Herzoge, Mark=grafen, Land-grafen, Grafen, Freiherren, u.a.m. gerächnet wärden; dahr-nahch in den ahdlichen, dahr-unter di Ritter und ädel-leute begriffen sein; Zum dritten in den stand der gelährten, dahr-unter di Lährer auf den Hohen-schulen, di Fürstlichen [265] Beamten, und dehr-gleichen, gezählet wärden. Zum vihrten in den bürgerlichen, dahrunter ehrstlich, di Rahts- und Bürgermeister,[203] Herren und bedihnten der Stat, dahr-nahch di kauf-leute, und ändlich di Hand-wärker gehören. Zum lätsten in den stand der feld-läbenden, unter welchem di Bauren, und tage-löhner begriffen sein.

In allen disen ständen nuhn würd auf kein ding mehr gehalten, als auf di freien künste; und di aller-schlächtesten leute, wan si nuhr so vihl kosten auf-bringen können, schikken ihre kinder nicht alein zur öffendlichen schuhlen, sondern halten ihnen auch noch über das zu haus' einen absonderlichen unter-weiser und anführer. Etliche wänden alle güter, und was si in ihrem vermögen haben, dahr=an, und gedänken, wi es auch di gewüsseste wahrheit ist, daß ihre kinder dehr-mahl-eins reich genug sein, wan si ihnen vihl reichtühmer und schäzze der unstärblichen und unvergänglichen weusheit gesamlet, und zu wäge gebracht haben.

Di von Adel befleissen sich auch in ihren jüngsten jahren auf nichts anders, als ehrstlich, auf freie künste, si unter-suchen di geschichte, wärden beläsen in wält- und Stat-sachchen, üben sich in sprachen; dahr-nahch wan si älter wärden, so begäben si sich auf Reisen, lärnen aller-hand ahdliche Ritter-spihle, als föchten, ringel-rännen, pfärde-tummeln, piken schwüngen, fahnen führen, schühssen, sprüngen, rüngen, und dehr-gleichen; und ändlich, wan di ältesten brüder di gühter in besiz=tuhm nähmen, so begäben sich di jüngsten entweder in den krihg, oder ligen weiter den freien künsten ob, daß man si här-nahch am Käserlichen, an fürst- und grähflichen höfen, zu ehren-dihnsten und bestallungen beförtern könne: Dan sonst, wo si nichts tüchtiges in den freien künsten getahn haben, so würd ihnen manches schlächten mannes, ja [266] manches bauren sohn, dehr seine sachchen so hohch gebracht hat, daß er eines fürstlichen Hohf-rahts ställe beträten kan, fohr-gezogen.

Si führen ihren ahdlichen stand meisten-teils auf dörfern, da si ihre Schlösser und sizze haben, welche bisweilen so schöhn erbauet, und mit schlos=gräben und mauren befästiget sein, daß sich kein König schähmen dürfte, dahr-auf zu wohnen. Solches tuhn si meistig aus libe der freiheit, in=dähm si solcher-gestalt keinem andern dürfen[204] nahch=sähen, und selbsten meister und Herren in allen ihren geschäften und verrichtungen sein können. Si halten sich sehr prächtig, und ist ihnen auch vergönnet einen grohssen stand zu führen.

Das ahdliche Frauen-zimmer hält sich däm Fürst- und grähflichen in der tracht und kleidung gleich, ausgenommen, daß eine Jungfrau von adel nicht so vihl gold und ädle steine tragen darf, als ein fürstliches Fräulein. Si tragen meisten-teils alle mit-einander flügende lokken und zu felde geschlagene hare, welches sonst andere Jungfrauen, wo si keine vom adel sein, nicht tuhn dürfen. Di Töchter der Hohch-gelährten auf Hohen schulen, und der fürstlichen Rähte, mögen sich zwahr denen von adel gleich halten, ob ihre ältern gleich von schlächter abkunft, und nuhr durch ihre kunst und geschikligkeit zum adel gelanget sein; aber man fündet gleich-wohl sehr wenige, di es zu tuhn pflägen. Güldne ketten, arm-bänder, sammet und seiden-zeug (welches keiner gemeinen bürgers tochter gestattet würd) tragen ihrer vihl; aber di kleider auf eine andere ahrt, als di von gebuhrt ahdlich sein, mit kurzen schauben, oder wi es di Landes-ahrt und tracht mit sich bringet: dan däs Fürst- grähf- und ahdlichen Frauen-zimmers tracht und kleidung kömt schihr durch das ganze Deutsche Reich in allen ländern über-ein; da här-gegen di [267] trachten der andern Stände fast in allen Stätten unterschihdlich sein.

Unter däm Mansfolk' ist fast kein unterscheid, ausgenommen (ich räd' alhihr von denen Stätten, di unter eines Fürsten boht-mässigkeit sein) di kaufleute und gemeinere bürger, welche solche köstliche zeuge zu ihren kleidern nicht tragen dürfen, als den höheren ständen vergönnet ist. Wan aber ein Kaufman, oder ein anderer, seinen Sohn auf der Hohen schuhlen in freien künsten unterhält, so ist ihm, so lang' er den Freien künsten obliget, wohl vergönnet, daß er sich einem von adel gleich halten mahg; dan ein gelährter Jüngling hat di gröhsseste freiheit, als ein mänsch immer-mehr haben kan.

Di-jenigen, so auf Hohen schulen läben, sein keiner läbens-strahf unter-worfen (ich räde von denen zu Witten-bärg[205] und Leipzig;) und si mögen auch tuhn was si wollen, so haben si doch solche freiheit, daß ihnen kein Stats-diner ein hahr krümmen darf, vihl weniger einige gewalt antuhn. Haben si gleich einen entleibet, oder noch eine gröhssere taht begangen, so darf man si doch nicht höher strahffen, als mit dem banne: dan das läben würd ihnen nimmer-mehr genommen, wo man nicht di grohssen freiheiten, di solchen Hohen schulen von den Römischen Erz-herren gegäben sein, schwächchen und vernichtigen wül.

Was nuhn di Künstler und Hand-wärker betrüft, so würd den Deutschen von allen Geschicht=schreibern das lohb gegäben, daß in keinem reich' und lande der wält so träfliche meister, und deren nicht wenig, sondern in grohsser anzahl fohr-handen sein, gefunden wärden. Man lahsse di einige und wält-berühmte Stat Nürnbärg auf-träten, und sähen, was si uns fohr träfliche künstler dahr=ställen würd, als ih-mahls unter der Sonnen ge-[268]läbet haben. Di von Chine sein träfliche scharf- und kluhg-sünnige köpfe, dehr-gleichen man sonsten nicht fündet; aber wan ich dise mit jenen vergleichen solte, so würden di Deutschen, wo nicht in allen, doch in den meisten kunst-stükken, di ober=hand behalten. Di nüzliche Trukkerei, das schähdliche büchsen-schühssen, so vihl schöne kunst- und uhr-wärke haben alle di Deutschen erfunden, wi=wohl ihnen di Chineer dehrgleichen auch zuschreiben. Ist unter den Malern und künstlern der ganzen wält wohl ein solcher über-aus-träflicher man ih-mahls gewäsen, als der weit-bekante Albrecht Dürer von Nürnbärg? aber was halt' ich mich noch lang' in solchen weit und breit bekanten sachchen auf, und erzähle meiner Schönen das-jenige, was si schohn zu Venedig, da man di meisten lihb=haber aller schönen künste fündet, mehr als al-zu-wohl, würd vernommen haben.

Was nuhn schlühslich di Kriges-händel betrüft, so mus ihderman bekännen, daß di ähdlen Hohch=deutschen von ihrer fohrfahren gebuhrts-ahrt, in disem falle, nicht einen fuhs-breit ab-gewichchen sein. Dan es haben sich ihrer so vihl hundert tausend, jah so vihl, daß es fast ungläublich scheinet, so wohl zu aus- als inländischer fölker krigen, gebrauchen lahssen. Di aus-ländischen und fremden Fölkerschaften[206] liben si ihrer träue, stand-fästigkeit und helden-muhtes so sehr, daß si auch Fürsten und Könige zu ihren fohr-nähmsten dihnsten beställen.

Der Papst oder Ober-erz-vater zu Rohm, der König von Spanien, der König von Frankreich, der Grohs-fürst von Florenz, und andere grohsse Herren mehr, brauchen nicht alein di Hohch-deutschen zu ihren krigen, sondern si tuhn ihnen auch noch di ehre, daß si zu ihrer ehrsten Leibwachche, di solcher grohssen Herren leib und läben zu bewah-[269]ren hat, keine andere fölker als Hohch-deutsche (welches gemeiniglich Schweizer sein) zu nähmen pflägen. Ja si sein des kriges so begihrig, daß si auch (gleich wi ihre uhr-ältern getahn haben) den ausheimischen fölkern, als den Nord-türken (un=angesähen daß solche bluht-gihrige, verfluhcht' und Gottes-vergässne mörder und räuber, ihr vater=land in den grund verdärben und verwühsten) in der mänge zu-lauffen.

Es ist auch männiglich bekant, was fohr eine macht di Deutschen Fürsten auf-bringen können. Als der Grohs-türke di käserliche Haubt-stat Wihn in Oester-reich belägerte, so zohg ihm Käser Karl, der Fünfte dises namens, mit 90000 zu fuhss' und 30000 Reitern entgegen. Maximiliahn der Andere boht ihm das häubt mit 100000 zu fuhss' und 35000 reisigen. wan man sich nahch unsern zeiten zu-wändet, so mus man führ den grohssen hehren erschrökken, di man zeit däs 1619 jahres, da sich diser izige krihg entsponnen, auf dem Deutschen boden gesähen hat.

Der Kuhr-fürst von Sachsen hatte fohr 8 jahren alein 50000 auf den beinen, welche, wi ich mit meinen augen gesähen habe, di aller-bästen und ansähnlichsten Soldaten waren, di ein Kriges=haubt immer-mehr wündschen mahg; und fast in einem jahre dahr-nahch alle mit ein-ander in der Marke zerschlagen, verhungert und vernichtiget worden. Wehr wül des Herzogs von Beiern und anderer Reichs-fürsten (von däm Käserlichen Folke wül ich nicht sagen) so vihl und grohsse Kriges-läger hähr-rächnen? wehr wül alles folk, das in den zwo Leipzigschen, in der Lizischen, Nördlingischen, Wit-stokkischen und andern haubt-schlachten innerhalb zehen oder zwölf jahren gebliben ist, zählen können?[207]

Aber, meine Schöne, diser angebohrne muht zu [270] föchten, wi nüzlich und löblich er fohr disem den Deutschen gewäsen ist, so schähdlich und verdamlich ist er ihnen wider-üm zu disen zeiten: da sich di Deutschen Fürsten unter-einander selbst auf-räuben, und das eine teil mit den ausländischen fölkern wider ihr eigenes vaterland in verbündnüs trit, und dässen untergang beförtern hülfet. Jah ich kan es mit rächt seinen untergang nännen; in=dähm di schöhnsten Stätte, di lustigsten und prächtigsten Schlösser und Herrenhäuser muhtwüllig, nicht alein verwühstet, verbrant und eingeäschert, sondern auch gahr geschleiffet wärden. Der himmel erzittert dafohr, di wolken wärden bewäget, di stärne lauffen betrübet, di sonne verhüllet ihr antliz, der mahnd erblasset, und di irdischen uhrwäsen erböben; wan si schauen und sähen di bluhtigen und nimmer-mehr-verantwortlichen verwühstungen. Mich deucht als wan ich izund sähen könte, wi di allerschöhnste gegend üm Torgau und Dresden här-üm mit ihren aller-lihbligsten wisen, mit ihren an-nähmligsten lust-wäldern, mit ihren schönsten weinbärgen, mit ihren befruchtesten feldern und lustigsten gärten, fohr trauren ihr antliz entzühet, und ihre schöne schlösser, di izund so un=mänschlicher weise, ganzer sechs meilen üm Leipzig härüm, geschleiffet und nider-gerissen wärden. O wi wahr hat Filip Melanton fohr hundert jahren zufohr gesagt, als er dise schöne Gegend, di wohl mit rächt ein irdisches Paradihs, ein Himmel der irdischen Götter, und schau-plaz aller lust und ergäzligkeit heissen mahg, mit weinenden augen an=gesähen hat; O wi jammert und kränket es mich, daß dise schöne gegend noch ein=mahl in der Türken hände kommen sol! Wan izund diser täure Man noch läben solte, so würd' er di erfüllung seiner fohr-sage mit augen [271] ansähen, und ohne zweifäl dafohr erschrökken; sonderlich wan er erfahren und hören würde, daß es nicht alein Kristen, sondern auch gahr Glaubens-genossen und geistliche bunds-verwandten wären, di solchen heiligen bund verläzzen, und wider alles rächt und gewüssen so unmänschlich handeln. Aber was wül ich mein libes Vater-land, dähm ich an schöhnheit und aller behähgligkeit keinem lande, so vihl ich ihrer auch gesähen[208] habe, vergleichchen kan, noch lange betauren! es ist unsers Gottes gerächte strahf-ruhte; sonst könt' es nicht mühglich sein, daß uns unsere eigne Glaubens-genossen so verfolgeten. Es würd uns der erzürnte Himmel, wan er seinen zorn gelöschet hat, wohl wider gnädig anblikken.

Der Rosemund lühffen indässen über solcher erbärmlichen räde di trähnen mildiglich über di wangen, und dise Schöne betrübete sich aus grohssem mitleiden so sehr, daß auch Markhold gezwungen ward mit seiner erzählung auf zu höhren.

In-dähm si nuhn also sahssen, und das arme Deutschland bejammerten, so kahm ein knabe zur Rosemund, und über-reicht' ihr ein schreiben, welches di Adelmund geschriben hatte. Weil nuhn dise Schöne in etlichen wochchen keine zeitung von ihr gehabt hatte, so wahr si nicht wenig erfräuet dahr-über, und konte kaum so lange warten, bis es aufgebrochchen wahr. Markhold selbst und di schöne Stilmuht vergahssen aller ihrer traurigkeit so plözlich, daß si fohr grohssem verlangen zu wüssen, was dässen inhalt wäre, durch di gebährden ihre fräude gnugsam an den tahg gaben. Mitler-zeit hatte si solches eröfnet, und verlas' es fohr ihren ohren folgender gestalt: [272]


Der Adelmund

Schreiben

an di

fräundsälige

Rosemund.


Mein Fräulein,


Nahch-dähm der kleine wüterich der verlihbten härzen das meinige, nahch so langem warten, ändlich ein-mahl befridigen, und das feuer, das er in meinen glidern angezündet hat, mit seiner gewüssen nahrung versorgen müssen; so hab' ich nicht unter-lahssen können, mein trautes Fräulein mit solcher angenähmen zeitung zu erfräuen. Dan wi ich mich zum höchsten erfrölichen würde, wan ich erführe, daß ihr der Lihb-reiz, dehr ihr schohn fohr einer guhten zeit mark und beine gerühret hat; ein-mahl so hold sein solte, daß es mit ihr zur ändlichen würkung gedeien möchte; so weus ich auch gewüs, und bin dässen mehr als alzu wohl versichchert, daß si sich über das lang-gewündschte[209] glük ihrer tohd-fräundin nicht weniger erfräuen würd. Kurz, si sol wüssen, daß uns bei-[273]de, mich und meinen Lihbsten, das ungewitter der Libe, nuhn-mehr in den hafen eingeworfen, und in eine solche lihbliche wind-stille versäzzet hat, daß wihr uns, allem ansähen nahch, keines sturmes mehr, dehr uns scheiden könte, bis in den tohd zu befahren haben. Jah wihr sein nuhn-mehr ohne sorgen, und wündschen nicht weiters, als daß meine Fräundin gleiches glükke beträffen möchte. Mein Lihbster flöhet fohr den Markhold, und ich fohr si, dehr-gestalt, daß zwo stimmen und zwe wündsche, wi-wohl si unterschihdlich sein, doch auf einen zwäg zilen. unsere Hochzeit wäre noch vihl lustiger ab-gelauffen, als es geschähen ist, wan wihr nuhr si und ihren Markhold zugegen gehabt hätten. Aber er wahr al-zu weit entfärnet, und si däs-wägen in solcher bekümmernüs, daß ihnen beiden di be-schaffenheit ihres zustandes nicht gestatten wolte, unserem ehren-feier bei zu wohnen. Solt' er aber mitler-zeit, wi ich verhoffe, widerüm zu-rük-kommen sein, so versähen wihr uns ihrer beider kurz-künftigen anhähr-kunft, dahr-üm wihr dan höhchlich bitten. Mein Lihbster lässet ihnen sämtlich seinen ehren-gruhs und dihnste vermälden, und ich wärde si auch bitten, daß si ihrem Markhold, dem [274] Hern Vater, und allen den ihrigen meine un-ermüdete wülfärtigkeit zu verstähen gäbe. In-dässen läbe si wohl, und ich verbleibe


meines hohch-geehrten Fräuleins

stähts-dihnst-ergäbene


Adelmund.


Bei verläsung dises brifes veränderte di schöne Rosemund di farb' ihrer wangen fast augen-bliklich; bald erblasste si fohr angst und hofnung; bald erröhtete si sich wider, beides fohr schahm und eifriger libe, welche di verrähter der heimlichen härzens-schlühsse, di augen, als gewüsse zeugen, gnug=sam zu verstähen gaben. Di seufzer, welche aus ihrem härzen un-aufhöhrlich über sich stigen, und mit gewalt här-führ-brächchen wolten, hätte si fohr der schönen Stilmuht gärne verborgen gehalten, und bemühete sich auch mit aller kraft ihnen den wähg zu verlägen. aber si waren so stark und so häftig, daß si es nichts däs-zu-weniger an ihrem lispeln und hin-fallender stimme wohl vermärken konte, wi ihr zu muhte wahr. Der gaumen ward von ihrer auf=steigenden hizze fast ganz aus-getruknet, und der mund blihb bisweilen, in-dähm er ohn unterlahs luft schöpfen muste, und sich fast nihmahls schlühssen konte, mitten im worte stähen. [275][210]

Markhold sahe solches alles mit nicht geringem mitleiden an, und di Stilmuht selbst wahr ihrent-halben auch nicht wenig betrühbt; dan si kont' ihr unschwähr ein-bilden, unter welchen rosen, und an welchem glide, di binen mit ihren achchelnden pfeilen ihre Rosemund verlätset hatten.

Als si nuhn nahch verläsung solches schreibens noch ein wenig mit-ein-ander gesprachet hatten, so nahm Markhold seinen abschihd, und begahb sich wider nahch Amstelgau, da ihm äben ein brihflein von seinem guhten Lands-fräunde, dehr sich zu Reinwurf auf-hihlt, eingehändiget ward. Diser rähdliche Deutsche fühgt' ihm zu wüssen, daß er gesonnen wäre sich wider-üm in Frankreich zu begäben, und zu Parihs eine zeit-lang auf zu halten. Weil es aber un-mühglich wahr, daß er seinem lihbsten Markhold fohr seinem abreisen zu-sprächchen konte, so baht er ihn, daß er doch di müh-waltung auf sich nähmen, und ihn aufs eheste, wo es ihm nicht un-gelägen kähme, besuchen möchte, dan er hätte sehr noht-wändige sachchen mit ihm zu räden.

Markhold wahr nahch verläsung solches schreibens also-bald des schlusses, daß er sich nächst-künftigen morgens, auf di reise begäben wolte. In-mittels gedacht' er noch immer an seine libe Rosemund, und wiwohl sich fohr seinem so kurzen abreisen sehr vihl zu verrüchten fand, so unterlihs er doch nicht, seiner gelihbten auch einige zeit zu widmen. Mit solchen lihblichen verzükkungen bracht' er auch seine reise zu, und kahm also fast unvermuhtlicher weise zu Reinwurf an. Weil ihm nuhn di gelägenheit selbiges ortes über-aus-wohl gefihl, so entschloß er sich, eine zeit-lang daselbsten zu verharren, damit er in solcher stillen lust seiner bücher däs zu bässer abwarten könte: Dan, so lang' er zu Amstelgau wahr, so verstöreten ihn [276] teils seine tähglichen fräunde, teils auch das alzu nahe beisein der härz-entzükkenden Rosemund. Aber er konte gleich-wohl nicht lang' in solcher stille läben; di schreiben diser Schönen, und das stätige anhalten, daß er ihrer beider fohrnähmen zur ändlichen fol-sträkkung möchte kommen lahssen, verunruhigten ihn dehr-gestalt, daß er bis-weilen aus grohssem weh-leiden nicht wuste, was er begünnen solte. Di fohr augen schwäbende unmühgligkeit[211] machte si beider-seits über-aus-betrübet. Es hatte das ansähen, als wan si nimmer-mehr ihres wundsches könten gewähret wärden, als wan ihnen alle himlische kräfte zu-gegen lühffen, und solches verhängnüs schohn von ewigkeit hähr über si wäre bestimt worden.

Di träu-beständige Rosemund, di sich nuhn nicht mehr wolte tröhsten lahssen, und ihres unerleidlichen zustandes wägen, an ihren leibes-kräften sehr abgenommen hatte, begunte von tage zu tage unbäslicher zu wärden, und mühete sich so sehr, daß si ändlich ganz lagerhaftig ward, und in eine schwähre krankheit geriht.

Die fohr-belihbten wangen verfihlen; di augen warden gleichsam wi mit einem blauen gewäb' üm=gäben, und lagen schon sehr tühf in ihren winkeln; die aller-schönsten lippen, di ein mänsch ih-mahls mit augen gesähen hat, verblichchen wi eine rose zur zeit des heissen mittags; di rägen glider, der rasche gang, di über-aus-lustige gebährden, di anmuhtige höhfligkeit, di härz-entzükkende leibes-gestalt, waren ganz verlasset, und spihleten fast das gahr-aus; der reine klang ihrer so lihblichen stimme ward heisch und unverständlich; ja der ganze leib fleischte sich von tage zu tage so sehr ab, daß si mehr einem schatten als mänschlichem leibe gleich sahe.

Dem Hern Vater, welcher solches alles mit-an-[277]sahe, und di uhrsachchen ihrer lagerhaftigkeit wohl wuste, begunt' es al-gemach zu räuhen, daß er solche harte bedüngungen fohr-geschlagen hatte. Aber wi bekümmert er auch wahr, so kont' er sich doch nicht entschlühssen, seine fohrschläge fahren zu lahssen oder zu lindern. Er kahm si auf eine zeit zu besuchen, und frahgte, was si von ihm erheischte; er gelohbt ihr alles zu gäben und alles zu bewülligen, was ihr härz wündschte, und was ihm zu tuhn mühglich wäre, dan er hatte si über-aus-lihb. Aber es wahr üm-sonst, daß er seiner lihbsten Tochter mit solchen lihblenden worten auf-hälfen wolte. Dan si wuste wohl, daß ihm seine al-zu-harte stand=haftigkeit nicht zulahssen würde, daß er ihr nuhr dasselbe, welches si einig und alein wündschte, gestatten würde. Er wolte si bald mit disem, bald mit jenem tröhsten; er suhchte vihlerhand aus-flüchte,[212] seinen harten sün zu entschuldigen: aber ihr wahr nichts tröhstlichers als der tohd, welchen si in seiner gegenwart oft wündschte.

Der alte Her wolt' ihr solches aus dem sünne räden, und führt ihr zu gemühte, daß si doch bedänken solte, in was fohr bekümmernüs si ihn stürzen, und was fohr härzeleid si ihm über den hals zühen würde: ja er sprahch ihr so erbärmlich zu, daß si fohr weh- und mit-leiden weinen muste.

In-dässen nuhn, da si also rädeten, kahm der abänd här-bei, und di sonne neugte sich mit sehr betrühbtem ge-sichte zum untergange, nicht anders, als wan si mit-leiden mit däm gespräche diser beiden gehabt hätte. Der alte Her nahm abschihd und gesägnete seine libe tochter, di ihm vihl liber wahr als alle schäzze der wält, und di nuhn-mehr ohn' einige geselschaft und zeit-verkürzung di lange nacht schlahf-lohs verschlühssen muste.


Aende däs fünften Buches.

[278]

1

Becman. de Orig. Lat. linguæ. Der Spilende Durchbrächcher in der Gesprähch-spile vihrtem teile. Der Suchende Schottel in der Sprahch-kunst. Munster. l. 3. Cosm. Bertius. Mercator, etc.

2

Genes. 9. cap. 27. vers.

3

Hieronymus in Ebr. quæstion. Euseb. in Chronic.

Quelle:
Philipp von Zesen: Adriatische Rosenmund. Halle a.d.S. 1899, S. 184-213.
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