Der Adriatischen ROSEMVND

vihrtes Buhch.

[151] Rosemund hatte nuhn-mehr mit dem här-führ-brächenden tage das bette verlahssen, und sich in ihren tage=leuchter gegen der Sonnen aufgang begäben, da si di lihblichen strahlen dises grohssen wält-lüchtes mit verwunderung betrachtete, und sich, in solcher betrachtung, ihres läbens einiger Sonnen, des trauten Markholds, erinnerte. Si stund eine guhte weile in solcher an-muhtigen verzükkung, und truhg ein solch-häftiges verlangen, ihren härz-gelihbten zu grühssen, daß si kaum der fräuden erwarten konte.

Si schikt' ihre kammer-jungfer hin, und lihs dem einen diner befählen, daß er den Markhold, mit vermäldung ihrer pflücht-schuldigkeit, zur mit-tags-mahlzeit laden solte. Der diner verrüchtet' ihren befähl also-bald, und Markhold ställte sich auch zwo oder drei stunden dahrnahch bei seiner Härz=lihbsten ein. welche ihn zur stunde zur Stil-muht führte, di von seiner widerkunft nicht das geringste gewust hatte, und sich dannenhähr höhchlich verwunderte.

Si entfing ihn mit sehr höhflichen und fräudigen gebährden, gahb ihm zu verstähen, wi es ihr so härzlich lihb wäre, daß ihn das glük in solchem guhten wohl-stande wider zurük gebracht hätte, und verwunderte sich über seine so geschwünde widerkunft.

Markhold, welcher noch nicht wuste, daß di kluhgsünnige Adelmund wider in Deutschland [198] gezogen wäre, frahgte seine Gelihbte, wi es ihr ginge? Sehr wohl, gahb ihm dise Schöne zur antwort; aber er würd si alhihr nicht fünden; dan das glük hat si dahin gefortert, da es si besäligen würd: wi? fihl ihr Markhold in di räde, ist si wider nahch Deutschland, gereiset? Jah freilich ist si hin, (fing di Rosemund mit seufzen an) si ist hin, di uns so vihl fräundes-dihnste geleistet hat, und genühsset ihres geneugten glükkes mit überflus.

O mein GOT! (fing Markhold an, und wahr über solcher zeitung so betrühbt, daß er sich fast nicht konte[151] tröhsten lahssen) wi bin ich so unglüksählig! di einige Adelmund, di ich wohl mit rächt di einige meisterin meines glükkes nännen könte, hat mihr äben izund müssen entzogen wärden, da ich ihrer am meisten bedarf. wehr wül nuhn mein glükke beförtern, oder vihl-mehr mein instähendes un=glük abwänden! Ist Adelmund hin, so ist mein glükke verspilet, und würd mihr gewüs zu einer solchen harten stihf-mutter wärden, daß ich schohn dahr-fohr erzittere.

Mein Her woll' ihr doch das glükke nicht mis-gönnen, fihl ihm di Stil-muht in di räde, und vihl=mehr gärne sähen, daß si ihres einigen wundsches ändlich ein-mahl gewähret ist. Ich mis-gönn' es ihr auch nicht, gahb der Markhold zur antwort, sondern ich betaure nuhr das meinige, daß es mihr so gahr zu-gegen ist.

Als si nuhn eine guhte weile mit-einander sprache gehalten hatten, so ward ihnen angesagt, daß di tafel schohn gedäkt und di speisen färtig wären. Stilmuht er-huhb sich zu ehrst, und baht den Markhold, daß er mit ihrer geringen mahl-zeit wolle fohr-lihb-nähmen, und sich in di tafel=stube verfügen, welche straks an ihr zimmer stühs. [199]

Markhold entschuldigte sich anfangs, und wolte nicht bleiben; mit führwändung, daß er in Amstelgau etwas noht-wändiges zu beställen hätte. Als ihn aber seine Rosemund selbsten so inständig nöhtigte, so lihs er sich noch ändlich halten, und verzehrte mit disen zwo Schönen das mittags=mahl.

Nahch gehaltener tafel, begaben sich dise dreie zum tage-leuchter, da ihre gebuhrts-stat Venedig in einer grohssen scheiben entworffen wahr; als der Markhold selbiger gewahr ward, so sah' er seine Rosemund an, und sahgte: meine Schöne hat mihr schohn fohr-längst di gelägenheit diser ädlen Stat zu beschreiben versprochchen; wan ich nuhn izund so bit-sählig sein könte, daß si solche mühwaltung auf sich nähmen wolte, so würd' ich mihr selbst vihl zu danken haben, und ihr auch in wahrheit über-aus-verpflüchtet sein.

Dise schuld, gahb si zur antwort, wärd' ich ihm gahr gärn abstatten, wan er sich nuhr zu-ehrst der seinigen, di er mihr zu zahlen gelobet hat, entlädigen würd. Meine[152] Schöne (fing er ihr das wort auf) wolle mihr solches doch nuhr klährlicher eröfnen, wofärn si wül, daß ich si vergnügen sol; dan ich kan aus disen dunkelen worten ihre meinung nicht rächt vernähmen.

Solte sich mein Her nicht zu erinnern wüssen, (gahb ihm dise Schöne zur antwort) daß er mihr schohn fohr langer zeit verheissen habe, einen kurzen abris der alten und izzigen Deutschen zu tuhn, das müste wunder sein! Genug, genug, meine Jungfrau, fihl ihr der Markhold in di räde: si spahre di übrigen worte; dan ich erinnere mich mei-[200]ner zusage schohn mehr als alzu wohl, und wärde mich auch nicht wägern, meinen worten nahch zu kommen: Aber weil es billiger ist, daß ich ihr di ehre lahsse den anfang zu machchen, sonderlich, weil wihr äben izund ihrer wält-bekanten gebuhrts=stat ab-bildung fohr augen sähen, so wül ich si noch ein-mahl gebähten haben, daß si mich doch meiner bitte, weil ich der ehrste bin, dehr dahr-üm an-gelanget hat, auch zu-ehrst gewähre. Däm gröhssesten und ansähnlichsten (fing si widerüm an) gebühret ja al-zeit der fohr-zug; und mein vater-land kan däm seinigen, weil dises ein ganzes Reich, und jenes nuhr eine Stat ist, nicht fohr-gezogen wärden.

Als nuhn di Stilmuht sahe, daß sich di zeit mit solchem höhflichen lust-gezänke nuhr unnüzlich verlühren würde, so rädete si ihrer Schwäster zu, daß si doch nuhr den anfang machchen wolte; und versichcherte si zu-gleich, daß si auch ein teil, wo es ihr zu lang fallen würde, auf sich nähmen wolte, damit der Markhold jah rächt könte vergnüget wärden.

Das ist wahrlich ein rächt-guht- und schwästerliches erbühten, fing Markhold hihr-auf an, welches nicht alein von der schönen Rosemund, sondern auch von mihr, mit höhchstem danke sol erkännet wärden. und ei liber! sagt' er, und sahe di Rosemund an, meine Schöne wolle sich nuhn nicht färner wägern, in-dähm ihr so ein guhter entsaz und bei-stand angebohten würd.

Rosemund ward also gezwungen ihres Markholds bitten, und däm ein-rahten ihrer Schwäster gnüge zu tuhn; si nahm einen schwanken indischen rohr-stahb, damit si ihm[153] di gelägenheit der Stat selbst zeugen könte, in di hand, und fing folgender gestalt an zu räden. [201–202]


Uhrsprung und Beschreibung

der

Stat Venedig,

aus vihlen bewährten uhr- und geschicht-schreibern

kürzlich zusammen gezogen.


Dise grohss' und gewaltige Stat, deren geringsten schatten mein Her auf diser glahs=scheiben entworfen sihet, hat zur zeit des Hunnischen kriges, wi man uhrkundet, ihren uhr=sprung genommen; gleich da-zu-mahl, als der1 Wühterich Attila ganz Wälschland über-zohg, und mit den alten Venedigern (welche zeit däm 300 jahre nahch der gebuhrt unsers heilandes, üm den Adriatischen Mehr-schohs här-üm in den aller-schön- und lustigsten landschaften wohnten) so übel handelte, daß sich sehr vihl und di aller-mächtigsten und ähdlesten von ihnen, mit allen den ihrigen, auf di nähest-gelägene wühst' und öden ein-länder begaben.

Dise flüchtige nuhn (unter welchen di von Padue,2 di den hohen flus, dehr alhihr recht krümlings mitten durch gähet, innen-hatten, di aller=ehrsten waren) haben diser wält-beruhffenen Stat, im 421 jahre nahch Kristus gebuhrt, zur zeit des3 Märzens, oder wi di meisten berüchten, des Ostermahndes, gleich damahls, als Klef, der Longebarder könig, zu wühten anfing, nahch etlicher meinung, üm dise gegend, da das Gottes-haus des heiligen Marksen stähet, den grund-stein geläget; und zu gleichem mahle, zur ehre Gottes, und [203] aus schuldiger dankbahrkeit, ein Gotteshaus erbauet, und dem h. Jakob geweihet.

Nahch dehr zeit, üm das 456 jahr, haben sich di übrigen gleiches fals, damit si dem Hunnischen wühten auch entflühen möchten, alhihr versamlet, und di Stat so träflich[154] zu erweitern angefangen, daß si auch üm den fohr-ange-zeugten hohen flus här-üm4 sechszig Inländer einnahmen, und diselbe zusammen zogen, dehr-gestalt daß ändlich eine solche grohsse Stat dahr-aus worden ist, di man mehr ein wunder-wärk der unstärblichen Götter, als ein mänschliches kunst-gemächte nännen mahg.

Di Stat ligt rächt mitten in dem innersten winkel däs Venedischen Mehres, welcher von einem selb-wäsenden tamme in gestalt eines halben mahndes ümgäben, und befästiget ist, und alle sechs stunden den zu- und ab-flus (welches man zu Hamburg fluht und äbbe nännet) zu haben pfläget. Diser tam hält di wogen däs ungestühmen mehres, das vom aufgange härzu gewallet kömmt, zurükke, daß es der Stat keinen schaden tuhn kan, und ist bei fünf und dreissig meilen lang; würd in etliche inländer geteilet, und hat siben eingänge, dahr-unter doch nicht mehr als zwei zur ein- und aus-fahrt dinen. auf der seite diser eingänge ligen sehr starke Fästungen, welche di hafen be-schühssen, und den feind, so sich einer irgend möchte blikken lahssen, mit geringer mühe zurükke halten können.

Dise teils von däm fästen lande, teils von den tämmen, ümschlossene Se würd achtzig wälsche meilen lang geschäzzet; di breite kan man so eigendlich nicht wüssen, weil si sich, nahch-dähm der ab- und zu-fal stark ist, bald verbreitert, bald widerüm schmählert. Si ist allend-halben so untühf, [204] daß sich kein schif der Stat nahen kan, ohn alein durch zwe wohl-verwahrte hafen; und es wärden gewüsse Leute dahr-zu gehalten, welche den grund, so er irgend zu tühf wärden wolte, stähts ausfüllen müssen, dehr-gestalt, daß man si weder zu lande noch zu wasser in der nähe bekrigen kan.

Di Stat würd in di rundte acht wälsche meilen geschäzzet, und ist weder mit wällen noch mit mauren versähen, da si doch führ un-überwündlich gehalten würd. Ihr reichtuhm ist unerschäzlich; ihre schäzze sein nicht zu zählen; jah si ist so fol von gühtern, daß si auch durch dise unaussprächliche beute manchen feind von däm ände der wält zu[155] sich lokken möchte. Si hat vihl schöhne Inländer, Landschaften und Stätte erobert, manche schlachten gehalten und vihl-mahls ob-gesiget. Si hat so vihl krige geführet, daß si fast nicht zu zählen sein.

Der ehrste krihg, dehn ihre Herzoge geführet haben, ist wider Ravenne gewäsen. Si haben sehr vihl-mahl wider di Mehr-räuber gestritten. Si haben sechs-mahl mit dem Grohs-türken gekriget; neun-mahl mit den Genuern; vihr-mahl mit den Sarazenen; ein-mahl mit den Langebarden; zwei-mahl mit den Nordmännern; vihr-mahl mit den Sirern; drei-mahl mit der mächtigen Stat Konstantinopel, di si auch gewonnen, aber nicht lange behalten haben; vihr-mahl mit Ferrahr; zwei=mahl mit Friaul, oder dem Julius-markte; zwei=mahl mit Napel; vihr-mahl mit Oesterreich; drei-mahl, jah mehr, mit Padue; vihr-mahl mit Histrien; ein-mahl mit dem Rogerius, Könige in Sizilien; jah si hat mit dem Sihgmunde; Fridrichen, dem zweiten dises namens, und andern Römischen Käsern und Erzkönigen; mit den Grichischen Käsern, mit dem wütenden Akziolihn, mit den Hunnen, Siliziern, Liziern, Kretern und andern mächtigen fölkern grohsse krige geführet. [205] Kurz, si hat so vihl und grohsse feinde gehabt, di ihr nahch dem ehren-kranze gestanden sein, und ist gleich-wohl (o welch-ein lohb!) nuhn-mehr über di tausend und etliche hundert jahr, so lang' als si gestanden hat, noch allezeit jungfrau gebliben, und nih-mahls erobert worden, welches wihr sonst von keiner einigen Stat geschriben fünden.

Dise mächtige Stat, wi mein Her sihet, würd hin und wider mit Se-ärmen zerteilet, und hat fast in allen strahssen ihre wasser-gräben, über welche mehr als 450 teils steinerne, teils hölzerne brükken gähen. An kleinen lust- und walschiflein, dahr=innen das Frauen-zimmer, und wehr sonsten nicht so weit ümgähen wül, zu fahren pfläget, fündet man allend-halben eine grohsse mänge, und es wärden ihrer mehr als 8000 gezählet. Der grohsse oder (wi si ihn nännen) hohe Se-arm, ist 1300 schuhe lang, und 40 breit. Er gähet rächt schlangen-weise mitten durch di Stat, und hat nicht mehr als eine sehr grohsse brükke von marmel, nuhr mit einem hohen schwib-bogen, 70 schritte lang, und 31 breit;[156] ist auf beiden seiten mit krahm-laden verbauet, und hat, nahch etlicher meinung, in di acht und vihrzig mahl hundert-tausend reichs-tahler gekostet.


Entwurf des Marks-plazzes, und däs

fürstlichen Schlosses.


Diser breite Plaz nahch däm Mehre zu, dahr=auf dise zwo aus frigischem marmel so künstlich-ausgehauene säulen (di man von Konstantinopel bekommen hat) in der mitten entbohr stähen, würd der Marks-plaz genännet. Er sähe nuhr, was alhihr fohr träfliche Schlösser und fürstliche Häuser, mit über-aus-schönen lust-gängen nahch der reihe härüm stähen, sonderlich nahch däm Gottes=hause des heiligen Marksen (von dehm diser plaz [206] also genännet würd) und Geminiahns zu. Hihr auf der linken hand sihet er das über-prächtige Schlos des Herzogs, welches man im 809 jahr nahch Kristus gebuhrt, als Angelus Patriziahz Herzog wahr, zu bauen hat angefangen.

Wiwohl nuhn dises gebäu fünf-mahl abgebrant ist, so hat man es doch allezeit prächtiger wider-auf- bauen lahssen. Es ist vihr-ekkicht, doch gleich=wohl auch etwas länger, als es breit ist. Gegen aufgang ist diser bau über-aus-prächtig an zu sähen; dan es hat sechs und zwanzig gewölbe, und gleich so vihl säulen von marmel, über welchen ein lustgang ist von vihr und funfzig kleinen bogen, mit äben so vihl pfeilern. Di tage-leuchter sein alle mit einander auf das herlichste und prächtigste mit eingehauenen kränzen, mit bluhm- und laub-wärk geziret. man sihet auch an disem schönen schlosse zwei über-aus köstliche fohr-gebäu, welche von aussen mit roht- und weissen marmelsteinern plähtlein über-schmükket sein; und noch vihr andere, fohr den vihr gröhssesten tühren, deren di ehrste, welche däm Gottes-hause des heiligen Marksen am nähesten, von lauter marmel, und mit vihr über=aus-künstlich-gehauenen bildern gezihret ist. Von der ekken diser ehrsten tühren an, welche sich nahch däm grohssen zeughause der Stat zu-wändet, bis zur andern bei der Palienser brükke, gegen mittahg, sihet man sechs[157] und dreißig schwib-bogen, so alle auf ihren wohl- und zihrlich-ausgehauenen pfeilern ruhen.

Wan man nuhn in dises Schlos hin-ein kömt, da sihet man ehrst wunder über wunder, und di augen müssen fohr solchem prächtigen und köstlichem zihr-rahte fast erstarren. Es kömt einem straks im eingähen eine lange reihe säulen und pfeiler zu gesichte, da immer eine über der andern stähet, und dahr-unter ringst üm das schlos här-üm schöne ge-[207]wölbete Lust-gänge sein. Inwändig ist ein zimlich-weiter hof, in dessen mitte zwe züh-brunnen stähen, welche mit köstlichen bildern und räben fol trauben, meisten-teils von ärz, gezihret sein.

Bei der grohssen tühre gegen mitter-nacht schwünget sich ein prächtiger schnäkken-gang in di höhe, nahch dem Sahl' und Zimmer des Herzogs zu. Zu-unterst an disem wündel-steine stähen zwo grohsse säulen, da auf der einen di bildnüsse des Kriges- und Mehr-gottes, auf der andern Adam und Eve, sehr künstlich aus-gehauen, gesähen wärden.

Gegen den grohssen oder hohen Se-arm zu, ist ein schöner Lust-gang, zu dehm man von beiden änden durch zwo wändel-träppen noch auf mehr andere walleien gähen kan. An diser träppe stähet der name des königes in Frankreich und Polen, Heinrichs, des Drittens dises namens, mit güldenen buhchstaben angeschriben. Hihr=an stöhsset ein schöner lust-garten, in welchem des Herzogs Bäht-haus stähet; auch sihet man daselbst unter dem freien Himmel sehr vihl stühle nahch der reihe härüm gesäzt.

Wan man sich vom mittage gegen morgen zu wändet, so kömt man widerüm an drei schnäkken-gänge, durch welche man in des Herzogs Schlahf-zimmer und auf di Raht-stube gähen kan. Das Raht-haus stähet an der ohst-seite däs Schlosses über einem balken-wärke von grohssen bäumen, welches von aussen sehr herlich an zu sähen, zwüschen den häubtern vergüldet, und mit schönen entworfenen geschichten aus=gezihret ist.

Alda ist der gemeine Siz des Herzogs, und in der mitte sein ehren-stuhl: da man pflägt raht zu halten in hohch-wüchtigen sachchen; da wärden fremder Herren, wi auch ihrer untertahnen, gesandten [208] verhöret. In disem[158] Rahthaus' ist ein weiter sahl, dahr-innen alle der Venediger Länder, Fästungen, In-länder und Stäte, nahch däm läben entworfen sein. Auch stähen alda eilf käserliche bilder-säulen, aus gemängtem ärz-wärke, welche wägen ihrer kunst eines grohssen schazzes währt sein.

Der Sahl, da der grohsse Raht zusammen kömmt, würd hundert und funfzig schuhe lang, und 73 breit geschäzzet; und ist im 1309 jahre nahch Kristus gebuhrt erbauet worden. Dahr-innen sihet man alle schlachten der Venediger, wi auch di bildnüsse aller ihrer Herzogen, Zehnder- und Rahts-herren, mit vihlen gelährten und kriges-leuten, auf das aller-künstlichste ab-gebildet.

Von dannen gähet ein gewölbter gang bis an das grohsse zeug-haus däs fürstlichen Schlosses, das nuhr allen führnähmen Herren, di zu dähm ände nahch Venedig kommen, daß si was seltsames und sonderbares sähen wollen, gezeuget würd. von disem baue sühd-wärts nahch däm mehre zu, kömt man zu den gerüchts-stuben der Zehender-herren, oder Stat-vögte; da wider-üm aller-hand lustige fohr-höfe, lustgänge, dahr-innen di bürgerschaft, di etwas fohr gerüchte zu tuhn hat, auf und ab zu wandeln pfläget, und sonsten vihl wunder-schöne sachchen zu sähen sein.


Beschreibung däs Gottes-hauses des

heiligen Marksens.


Wan sich nuhn mein Her hinter das Schlos wändet, nahch mitter-nacht zu, wo di fünf rundten Dächcher här-führ-blikken, da sihet er das weit-berühmte Gottes-haus des heiligen Marksens (welches so wunder-schöhn ist, daß man däs=gleichen in der Kristenheit nicht fündet) auf dem rächt- und vihrten teile des Marks-plazzes stähen: welcher teil alein 470 schuhe lang, und 120 breit ist. [209]

Diser bau ist im 829 jahre nahch Kristus gebuhrt angefangen worden, und man hat sehr vihl marmel-stein und über-aus-künstlich-gehauene säulen von Atehn und andern orten aus Grichen-land dahrzu gebracht. Der fuhs oder grund-saz ist gleichsam als ein kreuz, und es wärden dahr-an so wohl aus- als inwändig fünf-hundert säulen[159] gezählet. Man gähet von allen seiten durch einen mit vihl-färbigen marmel-steinen gepflasterten Fohr-hof hinein, dessen güldnes schnäkken-gewölbe mit aller-hand geschichten des Alten und Näuen Bundes von aus-gehauener arbeit ge-zihret ist.

Der Bau an sich selbst ist von lauter marmel=steinen sehr künstlich auf-geführet; der boden mit topas und porfiren belägt; di gewölbte bogen und wände mit Ofiht und andern köstlichen steinen über-zogen; da alles von wunder-schönem bilder=wärke flinkert und blinkert. unter welchen man etliche verborgene Sünnen-bilder, sehr ahrtig aus=gehauen, sihet, deren ein gutes teil der Einsidel-meister zum heiligen Floriahn, Jochim Kaliber, aus einem wahrsager-geiste (indähm er auf di künftigen veränderungen und krige sein absähen gehabt) angegäben hat. Man sihet al-da unter andern zwe hähne mit langen schnäbeln, welche einen fuchs beissen, und verwunden. Dadurch sollen di sige zweer königen in Frankreich, Karls des achten, und Luhdwigs des zwölften, dises namens, angedeutet wärden; daß si nähmlich den Luhdwig Sforzien aus seinem Fürstentuhme verjagen würden. Färner sihet man einen sehr magern leuen, welcher das zeuchen des heiligen Marksens führet, auf der ärden krüchen, und einen andern, sehr fet und wohl-leibig; damit man der Venediger (welche zum wahl- und wapen-bildnüss' einen Leuen führen) verhängnüs und glükke bedeuten wül; daß si nähmlich auf däm lande keinen stärn, zu wasser aber das [210] bäste glük haben würden. Etliche wollen zwahr dise Sün-bilder anders aus-lägen, di meisten aber stimmen auf itst-erzählte entknöhdtelung.

Di wände sein inwändig alle mit den ädlesten marmel-scheiben überzogen, und so künstlich, daß man im geringsten keine fugen dahr-an märken kan. Auf der einen seite sihet man zwo schne-weisse tafeln, aus einem stükke gehauen, in welchen man etliche schwarze züg' und strichche fündet, di eines mänschlichen glides gestalt so eigendlich ab-bilden, daß es auch ihrer vihle fohr einen ab-ris eines künstlichen mahlers angesähen haben, da es doch nuhr ein selb-entsprungenes wärk ist. Dem Al=brecht Magnen haben dise beide tafeln so wohl gefallen, daß er si mit unter di[160] wunder-wärke der grohssen Zeuge-mutter aller dinge gerächnet hat.

Das gewölbe dises grohssen baues, welches über=al mit schönem bild-wärke geziret ist, ruhet auf sechs und dreißig marmel-steinernen säulen, welche eines mannes hohch, und zwe schuhe, dem durch=schnitte nahch, dikke sein. Durch vihr fohr-tühren, da eine ihde vihr pfeiler hat, kan man hinein gähen.

Di aus-wändige Blöhsse dises baues (dan es lahssen sich drei teile desselben mit kränzen blohs sähen) ruhet auf 115, teils porführ- teils ofiht- teils marmel-steinern pfeilern, welche funfzehen fühsse hohch sein; auf disen stähet noch eine reihe, nicht zwahr äben so grohs als di untersten, ihdoch gleiches währtes, von 146 säulen; welche oben über dem eingange einen eröfneten lust-gang machchen, und den bau an sich selbst von aussen üm-ringen. Auf disem gange pflägen di Geistlichen, in beisein des Rahts und Herzogs, am Palm-sontage, sonderliche gepränge zu halten.

Di grohsse thüre gegen den Marks-plaz, welche nahch grichischer ahrt erbauet ist, hat fünf zimliche von ärz gegossene flügel, deren di ehrsten zwe tähg-[211]lich, di andern zwe nuhr an den hohen feier-tagen, eröfnet wärden, und di lätste bleibet allezeit geschlossen. Oben auf däm haubt-gerüste diser tühre, stähen vihr pfährde, der gestalt und gröhsse nahch den türkischen gleich, mit einem sigeswagen, von korintischem ärze gegossen; welche ehrstlich von Rohm nahch Konstantinopel geführet; härnahch aber, als di unsrigen izt-ermäldete stat einsmahls eroberten, widerüm von dannen nahch Venedig gebracht, und über das tühr-gerüste dises baues sein gesäzzet worden. üm dises ganze gebäue ringst härüm sihet man nichts als schnits- und dräh-wärk, als kränze von marmel, als bluhm- laub- und bild=wärk; welches alles von golde, sonderlich bei auf=fallen-den sonnen-strahlen, so träflich schimmert, daß man fohr grohssem glanze fast gahr verbländet würd. Jah inwändig in däm gebäue selbst sihet man nichts als alles von gold, türkissen, albaster, onich- und andern köstlichen steinen blinkern und flinkern: Es ist über-al so fol bilder-wärk und prunk=säulen von ärz und marmel-stein, daß man im[161] ehrsten anblikke fast ganz erstarret; und ob-wohl diser Bau so gahr köstlich und prächtig ist, daß er nuhr seines inneren zihr-rahtes wägen unter di wunder=wärke der wält könte gerächnet wärden, so ist er doch innerhalb 20 jahren angefangen und foländet worden.

Wan man in disen Gottes-bau hin-ein-kömt, so erblikt man straks das bildnüs des heiligen Marksens, welcher den einen arm sünken lässet, und den andern erhöbet. von dannen gähet man durch etliche träppen von ädlen steinen hin-auf, nahch dem hohen Gottes-tische, dahr-auf man mit grohsser verwunderung einer köstlichen tafel gewahr würd, welche von Konstantinopel nahch Venedig ist gebracht worden. Dise tafel ist von lauterem gold' und silber, mit aller-hand ein=gegrabenen bildern, und so vihlen unerschäzlichen [212] ädlen steinen und perlen gezihret, daß man solchen schaz ohne bestürzung nicht anschauen mahg. Der erwähnte hohe Gottes-tisch, würd mit einem kreuz=gewölbe von den schöhnsten marmel-steinen bedäkt, welches auf vihr künstlich aus-gearbeiteten säulen ruhet.


Beschreibung der Schaz-kammer des

heiligen Marks-baues.


Straks zur rächten hand mitten in däm gebäue bekömt man eine grohsse mit güldnen blächchen überzogene tühre zu sähen, dahr-innen man unter anderem bilder-wärke di bildnüsse des heiligen Dominikus und Franzen sihet, welche fohr-ermäldeter Jochim vihl jahr zufohr, ehe si sein gebohren worden, also angegäben hat. Durch dise tühre kömt man in di Schaz-kammer, welche von den sechs Fohr-ständen des heiligen Marksens, di straks nahch dem Herzoge ihren siz haben, verwahret würd.

Ich habe solche über-träfliche schäzze sehr vihl=mahl gesähen, weil mein Her Vater einer von den Fohrständen mit-wahr! und weus mich wohl zu erinnern (ob ich gleich dazumahl nuhr ein kind von acht jahren gewäsen bin) alles dässen, was mihr ist gezeuget worden.

Es wärden dahr-inne verwahret allerlei bildnüsse der heiligen, sehr vihl güldene Reichs-kränze, vihl häubter von[162] arabischem golde, welche mit über=aus-köstlichen ädlen steinen versäzzet sein. Man fündet aldahr eine grohsse mänge rubinen, schmaragden, topaser, gold-steine, karfunkeln, perlen, demanten, hiazinten, und andere, in träflicher gröhsse. wi auch aller-hand köstliche gefähsse, als muscheln, aus agat, onich und jaspen gemacht. Dominikus Grimman hat einen grohssen karfunkel dahr-ein verehret, welcher fast unerschäzlich ist. [213]

Man sihet ingleichen auch vihl andere ehren-geschänke, welche den Venedigern von grohssen Herren und Königen sein überschikket worden; als ehrstlich zwei hörner von einem einhorne, einer mächtigen gröhsse, und noch eines, welches etwas kleiner ist; dahr-nahch einen kruhg von den aller-köstlichsten ädlen steinen, welchen Usun-kassan der könig in Persien unserer Stat-herschaft zur verehrung zugesandt hat; mit vihl-anderen köstlichen geschürren. Lätslich würd einem auch des Herzogs ehren=huht gezeuget, welcher ihm an dem ehren-tage seiner wahl und bestätigung aufgesäzt würd. Diser Herzogs-huht ist über und über mit gold und ädlen steinen bedäkt, dahr-unter ein solcher karfunkel härführ-leuchtet, dehr seiner gröhsse wägen nicht mahg geschäzzet wärden. Ja es sein dahr-innen so vihl güld- und silberne bächcher, schüsseln, bäkken, und andere gefähsse; so vihl rauch-pfannen, leuchter, lücht-näppe, und heilige prunk-gewänder, daß man dise gühter vihlmehr fohr einen schaz der ganzen wält, als einer einigen Stat, halten möchte. kurz, es sein alhihr und in däm ganzen gebäue noch so vihl köstliche sachchen zu sähen, daß man wohl drei tage dahr-zu haben müste, wän man alles so eigendlich beschreiben wolte.

Disem baue rächt gegen-über hangen drei tafeln von ärz an sehr hohen Dannen-bäumen, dahr-auf vihl verstäkte Sünnen-bilder zu sähen sein, welche der Stat Venedig freiheit zu verstähen gäben. Hinter disem baue ist der dritte teil des Marks-plazzes, welcher sich bis zu des heiligen Geminiahns Gottes-haus' ersträkket; da zur rächten hand, wi mein Her alhihr sihet, der mächtige lust-gang här=führ-blikket, welcher drei reihen pfeiler, von lauter marmel-stein über ein-ander gesäzzet, sähen lässet.

Auf der seiten, und gerade gegen däm wasser über,[163] stähet das köstliche tohr, welches nahch dem [214] markte zu gähet. Das tohr-gerüste ist von lauter marmel erbauet, und hat in der höhe ein herliches uhr-wärk stähen, dahr-an der stunden, der himlischen zeuchen und der sonnen lauf, samt dehr-gleichen künstlichen sachchen, zu sähen sein.

Zur seiten dises tohres, ohn-gefähr achtzig schuhe von dem Marks-baue, steigt ein schöner glokken-tuhrn über sich, welcher von lautern vihr=ekkichten stükken auf-geführet, und auf allen seiten vihrzig wärk-schuhe breit ist. Seine höhe von dem grunde bis zum mittelsten Stok-wärke würd auf hundert und vihr und sechszig schuhe gerächnet, von dannen bis zum vergüldeten himmels-boten hundert zwei und funfzig. Sein grund sol im 888 jahre sein gelägt worden; und nahch-dähm er eins-mahls abgebrant ist, so hat man ihn wider=üm gebässert, und an vilen änden vergüldet. In däm 1517 jahre nahch Kristus gebuhrt ist zu oberst auf di spizze diser hölzerne Himmels-bohte mit vergüldetem kupfer überzogen, gesäzt worden, welcher sich von dem winde, wi ein wetter-hahn, härüm-treiben lässet. Das dach ist von kupfer und vergüldet, welches, wan di sonne dahr-auf scheinet, einen träflichen glanz von sich gibet, sonderlich wan man von Isterreich und Dalmazien zu schiffe nahch Venedig fähret. Man gähet in einer schnäkken bis zu oberst hin-auf, von dannen man di ganze Stat, samt den härümligenden Inländern über-sähen, und di Se-ärme fohr den strahssen gahr leichtlich erkännen kan. Auf disem tuhrne sihet man fast alle Gottes-häuser, deren sechs und sechszig, fast alle Stifte, deren sechs und zwanzig, schihr alle Mans- und Jungfer-zwünger, deren vihr und funfzig, alle kleine stifts-häuser führ so vihl brüderschaften, deren achtzehen in der Stat sein, und fast alle Schlösser und Herren-häuser.

Man sihet auch färner von diser höhe das [215] Kreintische Gebürge, di Mehr-spizze von Hister=reich, das Appenninische Gebürge, so sich durch ganz Wälschland er-sträkt; den Auslauf der Etsch und Po, deren jenes aus Deutschland, dises aus Italien, in das Adriatische Mehr läufft.

Hinter disem Turne gegen däm tohre däs Schlosses, zeugt sich der über-aus-prächtige kreuz=gang, von Korinter[164] wärk, mit aller-hand verborgenen bildnüssen gezihret. Alda kommen di Rächts=verpfläger zusammen, so oft man raht hält.

Hihr här-unter-wärts gegen dem Marks-plazz' über, ohn-gefähr fünf-hundert schritte von der Stat, da diser schlanke turn über sich steiget, ligt des heiligen Gregoriens Inland, dahr-innen ein prächtiger marmel-steinerner Gottes-bau ist, in welchem vihl schöne bilder und gemälde gesähen wärden, samt etlichen begräbnüssen der alten Her=zoge von Venedig. Der Herzog und andere grohsse Herren in der Stat, pflägen oft-mahls hin-aus lust-wandeln zu fahren, weil es ein so-gahr lustiger ort ist.

Al-hihr auf diser seiten däs Fürstlichen Schlosses stähet auch di Schaz- und Kunst-kammer der Stat von marmel-stein, so ahrtig zusammen-gesäzt, daß man keine fugen dahr-an sähen kan.

Dort hinter der Dohm-herren häuser, da solche köstliche gebäue stähen, ligt unser Schlos, dahr=innen mich, nuhn-mehr fohr sechszehen jahren, den ehrsten tahg des Rosen-mahndes, meine Frau Mutter, di Oktavie, zur wält gebohren hat. Weiter hihr-hähr, gleich gegen däm Schlosse des Her=zogs über ist di Buhch-kammer der Stat Venedig, welche von des wält-bekanten und zu Rohm bekränzten Franz-Petrarchens büchern, di er dem Rahte fohr seinem abstärben vermacht hat, den anfang genommen: dahr-innen noch vihl seiner hand-schriften [216] fohr-handen sein, und etliche gedichte, di er seiner, teils noch beleibten, teils schohn ab-gelähbten härz=allerlihbsten Laure zu ehren geschriben hat. Näben andern zihr-rahten sein auch in disem gebäu fünf und zwanzig künstlich-gehauene bilder, in rächter mannes-gröhsse, auf di alte grichische ahrt.

Gegen den plaz ist es zum aller-prächtigsten, und ersträkket sich bis an des heiligen Geminiahns Gottes-haus, und fürters bis an den stunden-tuhrn. Jah der Marks-plaz würd durch dise, und noch vihl andere köstliche gebäue so verherlicht, daß ich mit dem ob-ermäldten Petrarchen wohl sagen mahg, daß man dehr-gleichen in der ganzen Kristenheit nicht fünden könne.


[165] Das Schlos des Erz-vaters

von Aglar.


Unter andern dänk- und besähens-würdigen wärken diser Stat, ist auch jenes alte Gebäu, welches des Erz-vaters von Aglar Schlos genännet würd, nicht das geringste; in welchem eine grohsse mänge gehauener und geschnizter bilder der alten römischen Fürsten und Erz-herren, aus marmel zu sähen sein. Etliche sein auch aus ärz=wärk oder kupfer gegossen. Da sihet man vihl bildnüsse der heidnischen Ab- und Als-götter, als des wein-Gottes Bachchus, des donner-Gottes Jupiters, des beschwazten Merkuhrs; der Als-göttin Himmelinnen, der Kluginnen, der Libinnen: wi auch di abgestaltnüsse däs glüks, däs wohl-läbens, und des verschalkten lust-kindes Lihbreizes, von korintischem ärz gegossen; welche Marihn Grimman, ein träflicher lihb-haber der alten seltsamkeiten, alle mit einander aus Grichenland und Italien gesamlet, und keine kosten gespahret hat, damit er nuhr dises Schlos rächt aus-zihren möchte. Man sihet [217] alhihr manches schönes stükke, so nahch zerstöhrung der schönen Stat Aglar (welche der Hunnen könig Attila nahch einer drei-jährigen belägerung erobert, und in di siben und dreißig tausend von der bürgerschaft hat enthaubten lahssen) gen Venedig gebracht worden. In den innersten zimmern dises Schlosses zeugt man etliche kleine bet-laden, welche di alten Heiden in ihren Heilig-tühmern gehabt haben, daß ihre Abgötter dahr-innen ligen solten, samt etlichen kleinen Gottes-tischen, mit ihren zeuchen und schriften, wi man si zu Aglar hat zu gebrauchen pflägen: wi solches der Juhl Kapitolihn bezeuget. unter andern ist auch dahr-innen di=jenige tafel mit einer uhr-alten schrift zu fünden, dehren Herodiahn im achten buche seiner Geschichte gedänket; welche der Erz-vater Grimman gleiches falles hin-ein-gebracht hat.

Dort üm jene gegend liget das Deutsche Haus, ein über-aus-grohss- und prächtiges gebäue, welches 512 schuh in seinem ümkreise hält. von innen ist es über-aus-schöhn gemahlet, und mit vilen lust-gängen auf das prächtigste gezihret. Es begreiffet in sich 200 gemächcher, in denen[166] di deutschen Kauf-leute ligen können, dehren stähts sehr vihl in der Stat sein.


Beschreibung däs Zeug-hauses, und

Schif-fahrt der Venediger.


An jenem spizzen und hohen ände der Stat, da di vihr einzele türne nahch jenem Mehre zu stähen, ligt das Rüst- und Zeug-haus der Stat=herschaft, welches nicht alein ein grohsser und weit=läuftiger bau ist, sondern auch so über-aus-schöhn, daß däs gleichen in der wält kaum mahg gefunden wärden. Es ist ringst härüm mit mauren verwahret, und es ligen dahr-innen allezeit 200 wal-schif-[218]fe, ohne di vihrzig, di stähts auf däm mehre här=üm kreuzen; unter welchen zwanzig grohsse zu fünden sein, welche man wohl mit rächt kriges-schiffe nännen könte; si sein zwahr so flüchtig nicht als di andern, doch gleich-wohl wan si guten wind haben, so kan man mit disen 20 Walleien wohl hundert kleinere angreiffen, und mit sige bestreiten; si wärden auch vihl bässer gehalten, als di schiff' ohne rimen, weil man damit sonder wind schiffen kan. Man hat alhihr einen solchen fohr-raht an kri ges=rüstung, daß man wohl ein kriges-hehr von vihl tausend stark aus-rüsten kan; auch eine solche an=zahl von groben stükken und ge-schüzzen, daß man deren zu land' und zur Se über-flühssig gnug hat. Da fündet man eine grohsse mänge an eisen, ärz, holz, hanf und flachs, an schif-haken, ketten, säulen, rudern, segeln, und was mehr fohr gerähte zu den schiffen von nöhten ist, dässen noch alle-zeit mehr gemacht würd. Dan es arbeiten dahr-innen tähglich di aller-erfahrnesten wärk-meister, an der zahl vihr hundert, mit solchem fleisse, daß auch bis=weilen in zehen tagen dreißig wal-schiffe sein färtig gemacht, und fohr den feind geführet worden: ihre besoldung ist wöchchendlich zwölf-hundert gold=gülden.

An ruder-knächten und soldaten zu den walleien ist kein mangel. Di Schifs-haubt-leute sein meisten–teils Venedische von adel, deren so vihl sein, daß auf einem ihglichen wal-schiffe zwe zu fahren pflägen.

Zu erhaltung des Mehr-hafens und versichcherung der Inländer im grichischen Mehre halten si alle-zeit vihrzig[167] wal-schiffe mit einem Befählichshaber, oder Stat-halter, wor-auf ihnen jährlich, di zwi-bakken mit-gerächnet, funfzig-tausend kronen gähen. Durch dise Fluht würd nicht al=ein das Mehr von den Se-räubern rein gehalten, [219] sondern der Venedische adel hat auch da-durch mittel sich in den Se-krigen zu üben, wan es di gelägenheit gihbt, daß si dem feind' eine schlacht lüfern müssen.

So oft man höret, daß sich der feind zur Se rüstet, so wärden noch eins so vihl walleien aus-geschikt, und ein Se-held oder Kriges-haubt erwählet, wo-führ sich di Türken so sehr entsäzzen, daß si sich nicht ein-mahl zum Adriatischen Se-winkel nahen dürfen, vihl-weniger zur Stat Venedig. Si haben schohn fohr zwei und drei hundert jahren eine fluht von zwei-hundert schiffen, nahch däm heiligen lande zu, abfärtigen können, da si, mit hülfe der Franzosen, Konstantinopel einnahmen; dehr-gestalt, daß man ihm leichtlich einbilden kan, was si izund tuhn könten, da si noch drei, ja mehr, mahl mächtiger sein, als si damahls waren.

Ich habe mich zimlich weit verlauffen, und mehr auf der Se, als in däm Rüst- und Zeug-häusern ümgesähen. Damit ich aber meine räde so vihl als mühglich verkürzere, so sol er noch wüssen, daß in disem zeug-hause sehr vihl fahnen, so si dem Türken und Mehr-räubern ab-genommen, samt den reichen beuten, di si im 1571 jahre bei Näupakt bekommen haben, verwahret wärden: wi auch das grohsse schif, Bucentaurus genant, auf welchem der Herzog mit dem ganzen Raht' und den führnähmsten aus däm folke, alle jahr ein-mahl auf das Mehr fähret, mit welchem er sich vermählet, und zu bestähtigung solches gepränges einen güldnen ring dahr-ein-würfet.

Di anzahl der bürgerschaft diser gewaltigen Stat ist sehr grohs, und würd über drei-mahl hundert tausend ge-schäzzet! dehr-gestalt, daß man ein starkes kriges-heer aus ihnen alein auf-bringen kan, und keine fremde dahrzu bedarf. Nichts däs zu [220] weniger aber, weil ins gemein alle Wälschen, sonderlich di Venediger, zum krig' auf däm lande nicht so wohl dinen als di Hohchdeutschen, oder andere fölkerschaften; so pflägen si gemeiniglich einen aus=ländischen zum Feld-krihgs-haubte zu machchen, dehm si[168] nahch seinem Stand' und Würden gebührlich auf-warten, und zwe wohl-verdihnte Rahts-herren zu-gäben, welche si Ober-aufsäher nännen; ohne deren bewülligung der Feld-her keine schlacht lüfern darf. Di soldaten auch müssen meisten teils hohch-deutsche sein, weil si in den feld=schlachten am bästen stand halten: da-hähr haben di Venediger auf eine zeit 15000, meisten-teils Deutsche, zu felde gehabt.

Solche grohsse krige zu führen, haben si an der steuer, schazzung, und jährlichem einkommen über-genug. Dan di Stat-herschaft pflägt jährlich aus ihren Städten und Ländern, wan si im fride läben, zweimahl hundert-tausend Reichs-tahler zu höben. Als, aus den Ländern und Städten in Wälschland 800000 kronen, dahrzu alein di zu Bres und Bärgam 300000 bezahlen. Aus den Zöllen der Stat Venedig 700000 kronen; dan der wein-zol alein träget 130000. über dis bekommen si auch ein grohsses gäld aus den zehenden und auf=lagen, welche so-wohl auf di vom adel, als das Stat-folk geschlagen wärden. Gleich-so auch vom salze, welches aus däm wasser gemacht würd, und aus der steuer, so di Se-stät' erlägen, welches zu=sammen jährlich in di 500000 kronen aus-träget. äben so vihl hat auch fohr disem das Inland Zipern, welches nuhn in der Türken gewalt ist, auf=gebracht.

Wan aber ob-gemäldete gälder zu unterhaltung des kriges nicht reichen können, so wüssen si, im noht-falle, mit sonderlicher list und verschlagenheit, gäld genug auf zu bringen, in-dähm si di unter-[221]tahnen, welche überflüssig reich sein, nicht zwüngen, sondern alles mit glimpf und kluhgheit an zu greiffen pflägen. Ehrstlich erhöhen si di zölle, und di steuren, nähmen gröhssere schazzung von den wahren, welche nahchmahls di kauf-leute schohn so zu verkauffen wüssen, daß si auch keinen schaden dahr=an leiden, und also der käuffer unvermärkt das-jenige wider erlägen mus, was ihnen di Stat-her=schaft zu gäben auf-erlägt hat. Dahr-nahch, wan das ob-gedachte nicht gnug ist, so gähen si noch einen andern wähg, und verkauffen di fohrnähmsten ehren-ämter und würden, welche sonsten den wohl=verdihnten vom adel ohne gäld gegäben wärden. Ihdoch gäben si auch selbige nicht dehmselben, dehr am meisten bühtet, sondern[169] dem würdigsten unter den kauf-leuten, ob si schohn weniger büten als andere. Auf dise weise sein da-zu-mahl, als sich di gröhssesten Herren der Kristenheit zu Kammerich wider di Venediger verbunden hatten, in di 500000 krohnen zu wäge gebracht worden. Si nähmen auch wohl, im falle der noht, gäld, und erklähren der grohssen Herren und Geschlächter Söhne, ob si schohn noch zu jung sein, führ tüchtig, daß si zu rahte gähen, und däs zu zeitlicher zu ämtern gelangen mögen; wi dan meinem Hern Vater, welcher schohn im zwanzigsten jahre di Raht=ställe beträten hat, auch widerfahren ist. Drittens, so lahssen auch di Obrigkeiten und Amt-leute ihre besoldung eine zeitlang fallen; und wan dises alles nicht reichen mahg, und di Stat in höchsten nöhten ist, so greiffen si auch der Bürger gühter an, im fal si jah mit gühte nicht wollen, vnd verkauffen den dritten teil dahr-von: doch geschihet solches auch mit keiner unbilligkeit; dan si gäben dem Gläubiger eine versichcherung, daß ihm solches gäld zu gewüsser zeit wider sol erstattet wärden, und lahssen ihm auch über das einen zimlichen wucher genühssen. [222]

An läbens-mitteln gebrücht es der Stat nih=mahls, weil ihr ein grohsser überflus an wein, öhl, korn, weizzen und anderem getreide aus der nähe zugeführet würd. Das ganze jahr durch fündet man auf ihren märkten über 200 ahrten von baum-früchten, ohne di küchchen-kräuter, fisch=wärk, und andere speisen und zu-gemühse, damit di Reichen ihre tische beladen; wi dan der fürstlichen und ahdlichen geschlächter in diser Stat eine grohsse zahl ist.

Mein Her sihet nuhn, was mein vaterland und meine gebuhrts-stat fohr herligkeit, pracht, gewalt und reichtühmer hat; Ich kan ihm di hälfte der aller-führnähmsten dinge nicht erzählen, dan di zeit würde vihl zu kurz sein. Wehr wül di beschaffenheit und pracht aller schlösser beschreiben, derer hundert und ein und vihrzig, jah noch hundert Herren=häuser, di man auch wohl Schlösser nännen könte, gerächnet wärden.

Es wärden in diser Stat funfzig gerüchts-stühle, zehen Ehren-tohre, siben und zwanzig gemeine schlahg-uhren, siben und zwanzig öffendliche bedäkte Lust-gänge, drei und funfzig[170] wandel-pläzze, hundert und vihr-zehen glokken-türne, zehen grohsse gegossene pfärde, hundert fünf und funfzig gemeine züh- und wasser-brunnen, hundert fünf und achtzig lust-gärten, und dehr-gleichen sachchen eine grohsse mänge gefunden. Kurz, Venedig ist di einige zihr des ganzen Italiänischen namens, si ist di Käserin der Städte, di überwünnerin so viler mächtigen fölker, und di einige unüberwündliche Jungfrau, di ihr mahgd-tuhm in so vihl tausend jahren unverrükt behalten hat.

Als nuhn di Rosemund in ihrer erzählung bis hihr-hähr kommen wahr, so schwihg si eine guhte zeit stille, und sahe den Markhold gleichsam mit lächlendem gesichte an; dehr-gestalt, daß er auf-[223]stähen, und sich gegen dise Schöne, wägen gehahbter mühe, bedanken wolte. Aber si kahm ihm zufohr, und huhb widerüm an; Mein Her (sahgte si) wolle noch ein klein wenig geduld haben, damit ich nuhr di gebrächchen, welche man unserer fölkerschaft andichtet, entschuldigen, und das gegen-teil erweisen möge.

Man wül den Venedigern (fuhr si fort) schuld gäben, daß si stolz und hohch-mühtig sein, und gärn nahch fremden gütern trachten; daß das Frauen-zimmer sich nicht in den schranken zu halten pfläge, daß es sich gern nahch fremden, und sonderlich hohch-deutschen, üm-sähe, und si durch verehrung und dihnst-färtigkeit zur libe bewäge, daß es in eitelen wohl-lüsten läbe, und keine andere sorge trage, als seine lüsterne begihrden zu bühssen. Das ehrste kan ich mit vihlen beweis-tühmern und zeugnüssen widerlägen, sonderlich aber mit dem Andresen Kontarenen, dem vihrzigsten Herzoge der Stat Venedig, welcher däs-halben, daß er sich besorgte, di Väter würden ihn zum Fürsten erwählen, gen Padue entwich, und gleich=wohl solcher würden nicht entgähen konte: welches jah wahrlich kein zeuchen eines hohch-muhts ist. Jah diser kluhg-sünnige Her, hat noch dahrzu, ob er schohn so vihl tapfere tahten getahn, auf seinem sühch-bette befohlen, daß man seinen grahb=stein, welcher noch izund bei dem Stefahns-baue zu sähen ist, weder mit des Herzohgs, noch der Stat wapen, zihren solte; und da-hähr kömt es, daß auch dem tausendten das grahb dises grohssen und berühmten Fürstens nicht bekant ist.[171]

Ich mus zwahr auch gestähen (rädete si weiter) daß ihrer vihl unter uns gefunden wärden, welche dem hohch-muht gahr sehr nahch-hängen. Aber di meisten, weus ich wohl, sein also nicht gesünnet, und bemühen sich, sonderlich unter däm Frauen-zimmer; [224] (dan von däm mans-folke wül ich nicht so äben uhr=teilen, weil ich dem wälschen gebrauche nahch, wenig mit ihnen ümgangen bin) ihrer sehr vihl der tugend nahch-zu sträben.

So hör' ich wohl (fihl ihr di Stilmuht in di rüde) daß du den hohchmuht mit unter di untugenden rächnen wültst, da er doch, meinem bedünken nahch, eine von den führ-träflichsten und tapfersten tugenden ist. Ja wohl! (gahb ihr di Rosemund zur antwort) sol es nuhn eine tugend sein, wan ich hohch-mühtig bin; und noch dahr-zu eine von den aller-führträflichsten! Oh nein, du würst mich dässen nimmer-mehr über-räden; Du gedänkst si vihl=leicht däs-halben dahr-unter zu zählen, weil du auch ein wenig disem laster ergäben bist. ho; laster! (fing ihr di Stilmuht das wort auf) sol man dise tugend lästern, so darf keiner mehr gesünnet sein nahch ehren zu sträben; so müssen wihr in der stünkenden faulheit und trägen un-ehre, wi di säu' in der schwämme, ligen bleiben, und nimmer-mehr durch tugend erhoben zu wärden gedänken. Hat nicht jener berühmte Feld-her gesagt; daß, wan er wüsste, daß der geringste unter seinen soldaten nicht einmahl eines Obersten plaz zu beträhten gedächte, so wolt' er ihn straks aus seinem Hehre verjagen, und hin=sänden, wo-hin er gehörete, und wo di Tugend in faulheit verschlummert würde. Jah welche tugend, oder was fohr eine sachche, würket wohl so vihl träfliche tahten, als der hohch-muht? wan di gemühter der mänschen, üm einer rühmlichen ehre wägen, auch di gefahr selbst nicht achten, und mit allen kräften den muht, samt der faust, entpohr-höben. unser Statwäsen wäre nimmer-mehr so träflich gewachssen, wo nicht unsere fohr-fahren, durch den hohch=muht gerühret, ihre ehre beobachtet, und nahch der höhchsten gewalt gesträbet hätten. und daß du den Andresen Kontarenen anzühest, daß er nicht Her-[225]zog habe sein wollen; solches ist däs-halben keines wäges geschähen, daß er nicht hohch-mühtig gewäsen sei, und nahch[172] ehren gesträbet; sondern er fürchtete sich fohr den instähen-den unglüklichen krigen, di er zeit seiner herschaft würde führen müssen: und dises wahr äben di rächte uhrsachche, wahrüm er nahch Padue geflohen wahr.

Wan du jah beweisen wültst (huhb di Rosemund an) daß der Hohch-muht eine tugend sei, so must-du nicht so gahr ins gemein hin-räden, und den Hohch=muht von dem hohchmuht' in etwas unterscheiden: wi sol man dan den hohch-muht von dem hohch=muht' unterscheiden? (fing Stilmuht an) und wi sol dises geschähen? ich kan nicht begreiffen, wi du es meinest.

Den Hohch-muht (gahb di Rosemund zur antwort) soltest-du in einen ädlen und unädlen, oder in einen zihmlichen und unzihmlichen geteilet haben. unter dem ädlen hohch-muht verstäh' ich di grohs=mühtigkeit und wachsamkeit zur unstärblichen tugend, welche den ädelen wohl anstähet. unter dem unädlen oder unzihmlichen, verstäh' ich den stolz, (dehn ich auch zugleich mit-anzohg) di hoh-fahrt, den auf-geblasenen geist, dehr sich inner den schranken der tugend nicht halten kan, dehr andere näben sich verachtet, und keinen hohch-hält als sich selbst.

Si hat über-aus-klühglich geantwortet, (fing Markhold zur Rosemund an) und, o kluhg-sünniges Fräulein, wehr wül ihre kluge gedanken verbässern? wehr wül sich auch unter-stähen, solch-einen ädlen hohchmuht an der grohs-mühtigen Stil=muht zu tadeln? Ich habe, von meiner ehrsten jugend auf, disen ädlen hohchmuht nicht alein selbst entfunden, sondern auch bei andern über-aus gelibet. Ja ich hab' ihn auch selbst an meiner Schönen sehr geprisen, und kan mich nicht gnug wundern, daß si ein solches tugend-rüngendes und grohsses [226] härze, welches si täht- und würklich märken lässet, unter solchen leutsäligen, lustigen und zugleich ein=gezogenen gebährden verbürget. Aber hat nicht ihre Jungfer Schwäster (wo mihr anders rächt ist) versprochchen, daß si auch etwas von ihrem vater-land' erzählen wolte? und solchem versprächchen könte si nahch-kommen, wan si di beschaffenheit der Ordnungen, Gebräuche, wahl- sazz- und beherschung ihres Stat-wäsens beschribe.

Mein Her (fing di Stilmuht hihr-auf an) ich wül[173] meinen worten, ob ich si schohn nicht so eigendlich von mihr gegäben habe, gärne nahch-kommen, wan nuhr meine Schwäster noch zufohr das einige möchte behaubtet haben, daß sich das Venedische Frauen-zimmer nicht gärn nahch jungen, und zu=fohr-aus fremden, mans-bildern üm zu sähen pflägte, und daß ihnen solches zur schande gedeien könte.

Markhold begunte hihr-über zu lachchen, und sahe di Rosemund an, welche sich fohr schahm erröhtete, und di augen nider-wärts schluhg. Als aber di Stilmuht dässen gewahr ward, so sahgte si in lachchendem muhte; o meine schwäster, hat dich nuhn dein' eigne zunge so beschähmt und strahfwürdig gemacht! wi wüllst-du nuhn behaubten, daß du selbst nicht nahch jungen mänschen schauest; und wültst-du dich dan also zu schanden machchen, wan du solches an andern mis-preisest?

Ich mis-preise solches keines wäges, (gahb ihr Rosemund zur antwort) wan es nuhr mit keuschen sünnen geschihet. Meine Schöne verzeuhe mihr (fihl ihr der Markhold in di räde) daß ich fragen mahg, was solches fohr keusche sünnen sein? und ob man auch mit keuschen sünnen lihb-äuglen könne?

Si kommen mihr alle-beide vihl zu weit in das gehäge, (gahb Rosemund zur antwort) und ich weus nicht, was ich aus seiner lätsten frage machchen sol. Sonsten weus ich wohl, daß uns das lihb-[227]äuglen als eine angebohrne eigenschaft zu-geschriben würd, und daß es zweierlei ist, entweder ein leut-säliges, oder ein wält-säliges; das leut-sälige lihb-äuglen kömt der Kluginne zu, das wält-sälige der Libinne; welches lätstere widerüm kan geteilet wärden in ein keusches, welches einer ehrlichen Jungfrauen und jünglinge oder jung-manne gezihmet; und dahr-nahch in ein geiles, welches un=keusche gemühter ver-uhrsachchen; und dises ist es äben, welches mit keuschen sünnen nicht geschähen kan. Di keusche sünnen nuhn (wan ich seine ehrste frage beantworten sol) sein di-jenigen, welche mit einem rein- und lauteren härzen gebraucht wärden. Als, ich kan eines stimme wohl gärn und mit grohsser begihrd' hören, und dadurch auch zur libe bewogen wärden; ich kan eines lihbliche gebährden und ahrtige leibes-gestalt,[174] samt der schöhnheit, wohl mit entzükkung anschauen; aber indähm mein härz keusch ist, so ist auch dässelben würkung untadel=haftig. Ich kan eines jünglinges lippen und wangen noch wohl an di meinigen kommen lahssen, und gleich-wohl ein unverrüktes härze behalten.

Das weus ich nicht (fihl ihr Markhold in di räde) ob das härz nicht ein wenig wanken solte, nahch=dähm ein kus (dan disen verstähet si jah durch di berührung der wangen und lippen) der anglümmende zunder einer inbrünstigen Libe sein sol. Jah di lippen (wi jener fohr di wahrheit aus-gibet) sein di anfäng' und di aller-kühnesten wärk-zeuge der Libe, von denen es zu den händen kömt, welche das sühsse libes-gift, das di lippen dem munde gleich=sam eingeflöhsset haben, halb-zitternde entfünden, und sich aus däm gehäge nicht leichtlich halten lahssen. Aber mit was führ gedanken, möcht' ich wohl gärne wüssen, di Holländischen Jungfrauen einem jünglinge den abschihds-kus gäben, und ob sich ihr härz auch so schne-rein und so un-verrükt dahr-bei befündet? [228]

Ich wül zwahr fohr andere nicht streiten, gahb Rosemund zur antwort, damit ich nicht etwan eine mis-verträhtung tuhe: ihdoch kan ich meinen Hern noch wohl versichchern, daß ihre gedanken (wo nicht aller, doch der meisten) von der keuschheit nicht ab-geneu get sein. Jah, wan es alle-zeit Amsterdamische wären (huhb Markhold an) welchen ihres trüben und fast stähts-gewölkten himmels schlähfrige würkung aus den augen ab zu nähmen ist; so wül ich's noch wohl in etwas gläuben. Aber wihr wärden mit unseren wächsel-räden di zeit verschärzen, daß mihr härnahch di schöne Stilmuht ihre schuld nicht würd können abzahlen; dan, der abänd würd mich bald widerüm nahch Amstelgau fortern. Mein Her hat dahrüm nicht so zu eilen, (huhb di Rosemund an) ist er doch alhihr äben so wohl daheim' als dort; und di Stilmuht würd ihre räde nicht lang machchen.

Indähm si solcher gestalt mit einander kurz-weileten, so kahm äben ein diner hinein, welcher ihnen ansahgte, daß der alte Her, der Sünnebald, angelanget wäre, und izund zu ihnen hin-auf-kommen würde. Markhold erhuhb sich[175] mit disen zwo Schönen, ihm entgegen zu gähen; aber si waren kaum an di tühre kommen, daß si hin-aus auf den Sahl trähten wolten, da kahm der Sünnebald schohn hin-ein, und hihs den Markhold mit grohssen fräuden wül-kommen. Er erkundigte sich, wi es ihm auf der reise gangen wäre? ob er auch einige unbäsligkeit verspüret hätte? und nahch vilen dehrgleichen fragen lihs er so wohl seine töchter, als den Markhold, bei sich nider-sizzen.

Er frahgte si lätslich, wo von si nahch däm ässen sprache gehalten hätten? dahr-auf ihm Rosemund zur antwort gahb, daß si dem Markhold di Stat Venedig nahch ihrem bau' und ansähen beschriben hätte; und ihre schwäster, di Stilmuht, solte noch [229] di beschaffenheit ihres Statwäsens erzählen; welches si gleich izund hätte begünnen wollen, als der Her Vater ankommen wäre.

Nuhn wohl! (huhb der Sünnebald hihr-auf an, und wändete sich nahch dem Markhold zu) weil ihm meine tochter di beschaffenheit unserer Stat=herschaft hat beschreiben wollen; so wül ich izund, damit ich disen wähg gleich-wohl nicht ümsonst getahn habe, solche lust-waltung auf mich nähmen, und meines Hern verlangen aufs mühglichst' und kürzeste vergnügen.

Der Markhold bedankte sich solches seines an=erbühtens wägen, und sahgte, daß es ihm sehr lihb wäre, di beschaffenheit däs Venedischen Stat=wäsens, von einem solchen hohch-berühmten manne zu erfahren, dehr selbsten eines von den fohr=nähmsten Glidern ihrer Stat-herschaft gewäsen wäre; mit der versichcherung, daß er ihm widerüm anderwärts, wan er sein geboht, oder nuhr sein blohsses winken, vernähmen würde, in dehr-gleichen fällen wüllig gehorchen wolte.

Der Sünnebald gahb hihr-auf zur antwort, daß es nuhr seine höchste lust wäre, dehr-gleichen sachchen zu erzählen, und fing ohne weiteren üm=schweif folgender gestalt an.


Kurzer entwurf

Der Beschaffenheit däs Venedischen

Stat-wäsens.


Nahch-dähm das Stat-wäsen der alten Venediger anfänglich auf dem stande der al-gemeinen herschaft däs ganzen[176] folkes eine zeitlang beruhet hatte, und sich aus vihlen streitigkeiten und spaltungen der gemühter in eine wüterei verändert; so hat man ändlich, disem übel fohr zu bauen, ohngefähr üm di zeit däs 536 jahres nahch Kristus gebuhrt, den al-herschenden stand verworfen, und [230] den vihl-herschenden erwählet; da man nähmlich alle jahr einem ihden inlande einen zunft-meister fohr-gesäzt, welchem di höhchste gewalt über läben und tohd gegäben ward.

Als nuhn dise zunft-meisterschaft in di zwei-hundert jahr gewähret hatte, und di gränzen der Stat=herschaft von den benachbahrten fölkern so hart an=getastet warden, daß auch di Venediger in ihren Inländern, aus unachtsamkeit und verwahrlosung der zunft-meister, fast nicht sichcher sein durften; so haben si widerüm eine näue herschaft auf-gerüchtet. Dan als di Mehr-räuber Grahd und Heraklee beraubet, und des nachts auf dem hohen Se-arm' etliche last-schiffe geplündert hatten (da di wachche, welche di zunftmeister zur auf-sicht bestället, selbige nicht eher abgetriben, als bis si schohn mit einem unheimlichen geschrei di ganze stat in ruhr gebracht hatten) so lühf das ganze folk zu, und trihb di Mehr-räuber zwahr zu rükke, aber mit grohssem verlust, in-dähm vihl von den Venedigern verwundet warden, und etliche gahr toht bliben. Dise harte nider-lage verdros si so häftig, daß si auch di zunft-meister, gleichsam als wan der Stat freiheit und ruhe wäre verlätset und gestöret worden, ab-schaften, und einen Fürsten, unter dem namen eines Herzogs, zum haubte machten.

Zu diser zeit huhb sich der ein-häubtige stand ihrer beherschung an, und hatten di Herzoge, nahch aussage des Janots (welcher den zustand diser Stat-herschaft vom ehrsten begün an, aus den aller-verborgnesten jahr-büchern, ganz eigendlich beschriben hat) di folle gewalt bis auf den Sebastiahn Zianus, welcher ohn-gefähr fohr 300 jahren geherschet hat; dahr-innen sich dan Paul Manuzius mit dem Kontarehn irret, in-dähm si fohr-gäben, daß di Venediger nihmahls der ein-häubtigen beherschung wären unter-worfen gewäsen. [231]

Es ist aber im 697 jahre nahch Kristus gebuhrt, und nahch erbauung der Stat im 276, Pauluzius Anafestus[177] zum ehrsten Herzoge in Heraklee erwählet worden, welcher der herschaft 20 jahr und 6 mahnden fohr-gestanden hat. Disem ist gefolget Marzellus Tegaliahn zu Heraklee. Der dritte wahr Horleus Ursus Hipatus ein Herakleer, welcher von däm gemeinen manne, dehr seine stränge gewalt nicht vertragen wolte, in einem aufruhr' erschlagen ward.

Weil nuhn di Stat-herschaft über solcher verfahrung, sehr bestürzt ward, so wolte si keinen Her=zog mehr wählen, sondern nuhr einen Ritmeister, dessen beherschung jährig sein solte; welches im 737 jahre fohrging. Der ehrste Ritmeister wahr Dominikus Leo; der andere, Feliks Kornikula; der dritte Teodatus, des Ursus sohn, welcher verjahgt und wider beruhffen ward. Dise verwaltung aber währete nicht länger als bis in das sechste jahr, da di Stat-herschaft, im 742 jahre widerüm einen fol=gewaltigen Herzog er-wählete; dan di Rit-meister waren alzu hohch-mühtig in disem amte worden.

Bei solcher ein-häubtigen herschaft des Herzoges ist es verbliben bis auf den neun und dreißigsten, namentlich Sebastiahn Zianus, welcher der ehrste gewäsen ist, dehr durch di zehen wahl-Hern erkohren worden. Mit disem nuhn, im 1164 jahre, hat sich widerüm angefangen das vihl-häubtige Stat=wäsen, und ist auch also verbliben bis auf gegen=wärtige zeit.

Wahrüm uns aber der Kontarehn, des Meriahns verfasser, Joh. Kotovius und andere mehr, ein vermischtes von allen dreien ständen, als dem ein=häubtigen, welcher bei dem Herzoge; dem vihl-häubtigen oder vihl-herschenden, welcher bei dem Rahte; dem al-herschenden, welcher bei dem folke bestähen sol, zuschreiben wül, solches kan ich nicht begreiffen. [232] Dan wi mahg des Herzogs gewalt einhäubtig genännet wärden, in-dähm er nicht ein-mahl so vihl bemächtiget ist, daß er einen brihf, dehr di Stat=herschaft angähet, auf-brächchen darf, wan der ganze Raht nicht dahr-bei ist; jah keine stimme mehr hat, als ein anderer Rahts-her, und nichts fohr sich selbst tuhn und schlühssen kan, wo es nicht mit des ganzen Rahts bewülligung geschihet, welcher einig und alein, mit einhälligen stimmen, den schlus machchet.[178]

Ich mus zwahr gestähen, daß er das äusserliche ansähen eines königes führet, in-dähm er in königlicher herligkeit, pracht und kleidung von purpur, auf einem erhobenen ehren-stuhle zu sizzen, und in dem ganzen Rahte di ober-ställe zu haben pfläget; aber di königliche folle gewalt kan ich ihm ganz nicht zu-schreiben.

Wan königliche oder anderer Herren gesandten an di Stat-herschaft verschikket und verhöhret wärden, so pfläget er ihnen zwahr öffendlich bescheid und antwort zu gäben; aber nicht nahch seinem wüllen und guht-dünken, sondern nahch des ganzen Rahtes einhälligem schlusse. Er mahg auch wohl in alle Rücht- und Raht-häuser gähen, und seine meinung sagen; aber doch also, daß ihm ein ihder aus den andern wider-sprächchen darf. Di öffendlichen Aus-schreiben der Stat-herschaft wärden zwahr in seinem namen ausgegäben und versigelt, aber gleich-wohl mit des ganzen Rahts fohr-bewust und bewülligung. Dehr-gestalt, daß der Herzog in der taht nicht mehr ist, (ob er gleich den namen und das äusserliche ansähen eines königes hat) als ein anderer Rahts-her, und dannen-hähr dise Herschaft izund nicht anders als eine vihl-häubtige kan genännet wärden.

Der Raht, welcher dem Herzoge folget, und izund in unterschihdliche versamlungen geteilet [233] würd, hat von zeit zu zeit an Rahts-herren zu-genommen. Zu-ehrst ist der Hohe oder Ober-raht, welcher näben dem Herzoge das ganze Stat-wäsen verwaltet, und ohn-gefähr auf vihrzig Rahts=herren bestähet, welche jährlich von den aller-ädlesten der Stat erwählet wärden. Di obersten und nähesten nahch dem Herzoge, sein di sechs fohrstände des h. Marksens, welche aus den untersten Rahts-herren meisten-teils, wan si sich wohl verhalten haben, zu disen Würden erhoben wärden. Disen folgen di sechs Rahts-herren und Zehender=herren; welche sämtlich folle macht zu veruhrteilen und zu schlühssen haben, und ihren spruch von keinem wider-ruhffen lahssen.

Nahch dem Ober-rahte kömt der Grohss'- oder unterraht, dehr auf keiner gewüssen zahl bestähet, und bisweilen in di 225 häubter, aus der verständigsten und weisesten bürgerschaft, begreiffet. Dise Rahts-herren nännet man zu[179] Venedig li Pregadi, di Erbähtenen (wi fohr alters zu Rohm di Patres Conscripti, di Verschribenen genännet warden) weil man fohr disem di verständigsten unter den Bürgern, in dem noht-falle, zum rahte bitten lihs.

Solche unter-Rahts-herren nuhn, haben nicht mehr als mit der blohssen Stat sachchen zu tuhn, und dürfen sich üm di Herschaft nicht bekümmern, weil selbige nuhr alein den ädelen zu-kömt; welche von dem zwanzigsten jahr' ihres alters, bis in das fünf und zwanzigste, durch das lohs dahrzu gelangen, daß si in den Raht kommen dürfen: wan si aber dasselbige mündige alter erreichet haben, so wärden si ohne lohs hin-ein-genommen. Solcher Geschlächter und ädelen, di zu rahte gähen mögen, sein zusammen 2500. weil aber ein grohsses teil dehrselben, ausserhalb der Stat, in ämtern ist, [234] oder sonsten in gemeinen geschäften von hause verreiset; so kommen gahr selten über 1500 zusammen. Man lässet auch bisweilen di jungen ädel=leute mit in den Raht kommen, damit si teils von den kindischen dingen ablahssen, und sich zu ernst=haftern, der gemeinen wohl-fahrt zum bästen, von jugend auf gewöhnen möchten; teils auch ihrer jugend hizzige raht-schläge durch der Alten sitsamkeit mähssigen lärneten.

Es ist insonderheit sehr preis-würdig und rühmlich, daß man in austeilung der ämter (welche son=tähglich, auch alle feiertage, des morgens geschihet) weder auf reichtuhm noch armuht sihet; dahähr dan das gemeine folk dem Adel sehr gewogen ist, und mit aller ehr-erbütung begegnet. Di ädelen auch erzeugen sich widerüm gegen das folk sehr glimpflich, lahssen es bis-weilen zu ehren-ämtern, welche sonsten den geschlächtern gegäben wärden, kommen, und beschüzzen si mit sonderlicher sorgfältigkeit; welches si bei ihderman belihbet und belohbet macht. Dan, wan solches nicht geschähen wäre, wi hätte dise Stat-herschaft so träflich wachsen und zu-nähmen können; wi hätte si in so vihlen feindlichen anstöhssen so unbewähglich, eine so lange zeit, bleiben und bestähen mögen! Der Römer herschaft ist zwahr so hohch gestigen, daß si ihr auch fast den meisten und gröhssesten teil der wält unterwürfig gemacht hat, aber[180] ihre macht und freiheit währete kaum 700 jahr; da härgegen di Venediger di ihrige, wi sehr si auch oft-mahls auf allen änden und seiten sein bedränget worden, nuhn-mehr über 1200 jahr erhalten haben, und däm Ottomannischen wühten vihl-mahls ohn' einige hülfe widerstand getahn.[235]


Di Wahl des Herzoges zu

Venedig.


Zum beschlus diser erzählung wül ich meinem Hern auch di Herzogs-wahl der Stat Venedig kürzlichst entwärfen; und geschihet selbige auf folgende ahrt. Wan der kuhr-tahg här-zu genahet ist, so kommen alle geschlächter und ädel-leute der Stat, welche das dreißigste jahr erreichet haben, an einem orte zusammen; und wan di tühren verschlossen sein, so würd ein kruhg auf-gesäzt, in welchem so vihl kugeln zu fünden, als häubter fohr=handen sein; unter disen wärden nicht mehr als dreißig vergüldete gefunden, und di andern sein alzumahl silbern.

Aus disem kruge nümmt ein ihder ädel-man eine kugel häraus; und welche versilberte bekommen, di träten bei seite, di andern aber, so vergüldete höben, wärden in ein sonderliches zimmer geführet. In selbigem zimmer würd widerüm ein gefähss' oder kruhg gesäzt, in welchem dreißig kugeln, und dahr=unter neun vergüldete, sein; di Herren nuhn, welche di neun vergüldete häraus-nähmen, benännen vihrzig männer, di man di ehrsten Wahl- oder Kuhr-herren zu nännen pfläget. Dise vihrzig wärfen aber-mahl vihrzig lohs-kugeln in einen kruhg, dahr-unter zwölf vergüldete sein; und dijenen, so selbige bekommen, nännet man di zweiten wahl=herren. Dise nuhn benännen widerüm fünf und zwanzig andere, welche äben so vihl glüks-kugeln aus dem kruge höben, dahr-unter neun vergüldete sein; und welche selbige bekommen, di heisset man di dritten wahl-herren.

Dise bestimmte ein und vihrzig männer nuhn kommen auf däm grohssen Raht-hause zusammen, und erwählen aus ihrem mittel dreie, so fohr andern eines grohssen ansähens[181] sein, welche si di Ober-herren der Versamlung nännen; näbenst zween geheim-schreibern. [236] Di andern sechs und dreissig aber, welche noch übrig sein, gäben ihre wahlstimme auf folgende weise:

Di drei gedachte Ober-herren sizzen auf drei stühlen, etwas höher als di andern; und di Geheim-schreiber, oder Schreinhalter, fortern di sechs und dreissig wahl-herren, immer einen nahch dem andern, daß ein ihder ein brihflein, dahr-auf er dehn-jenigen, welchen er zum Herzoge wählet, geschriben hat, in den schrein wärfe. Wan solches geschähen ist, so gähet ein ihder widerüm an seinen ort.

Hihr-auf läsen di Schreinhalter ein brihflein nahch däm andern, in gegenwart der drei Ober=herren; und wan schohn einer vihl brihflein hat, so würft man si doch alle zusammen gewikkelt in einen huht, dahr-aus si widerüm gezogen, und ordentlich auf den tisch geläget wärden.

Wan nuhn dehr-jenige, dessen name zum ehrsten häraus gezogen würd, einer von den ein und vihrzig wahl-herren ist, so heisst man ihn in ein sonderliches zimmer gähen, und di Ober-herren fragen di andern, ob ihmand etwas wider ihn zu sagen habe. Wan nuhn eines und das andere fohr-gebracht würd, so fortert man ihn zur verantwortung: kan er sich nicht entschuldigen, so würd er von der kuhr aus-geschlossen, daß er nicht Herzog wärden kan. verantwortet er sich aber, so heisset man ihn widerüm zu den andern trähten; und also macht man es auch mit dem folgenden.

Zum beschlus wärden zwe krüge näben ein-ander auf eine bank gestället; in dem einen ist das Jah, in dem andern das Nein. Solcher gestalt nuhn loset man so lange, bis ändlich, durch fünf und zwanzig stimmen, einer zum Herzoge erwählet wird.

Als nuhn der alte Her seine räde geändigt hat-[237]te, so bedankte sich der Markhold gegen ihn, wi auch gegen seine zwo töchter zum höhflichsten, und wolte nuhn-mehr seinen abschihd nähmen, damit er noch fohr abändes nach Amstelgau gelangen möchte. Aber der Her Vater wolt' ihn nicht von sich lahssen; was, sahgt' er, wül er mihr solche lust, daß ich ihn nahch so langem ab-wäsen sähen[182] möge, nuhr einen augen-blik vergönnen? nein, nein! di geschäfte di er zu Amstelgau hat, wärden so nöhtig nicht sein; wihr wollen noch so lange (fuhr er fort) bis es foländ ässens zeit würd, hin-unter in den garten gähen, und uns an den frisch-auf-geblüheten tulpen erlustigen.

Markhold lihs sich also bewägen, und ging mit dem alten Hern hin-unter; Rosemund aber, di dässen sehr froh wahr, blihb noch ein wenig auf ihrer kammer, damit si sich mit ihrer Jungfer schwäster zufohr verschleiren lihsse. Si hatten di wenige zeit über, als si in dem garten sein konten, noch aller-hand kurz-weil' und ergäzligkeit: Sonder-lich belustigte sich der alte Her mit den lihblichen strahlen der nider-steigenden sonnen, welche da-zu=mahl äben auf di Lust-höhle stühssen, und durch ihren zu-rük-prallenden schein, di wasser-strahlen an dem lust-brunnen, welcher straks gegen über stund, so ahrtig vergüldeten, daß man nicht anders vermeinete, als wan si solcher gestalt aus den brüsten und munde der Holdinnen geriselt kähmen. Di ahrtigen schnäkken-häuser und muscheln, welche diser Her aus Ohst- und West-Indien bekommen hatte, und auf unterschihdliche ahrt, an der Lust=höhlen zu sähen waren, flinkerten und blinkerten wi lauter gold und perlen, von dem auf-fallenden scheine der sonnen; und es hatte gleichsam das an=sähen, als wan si di sonne an sich zögen, und nicht wolten unter-gähen lahssen. In solcher betrachtung hihlten si sich sämtlich auf, so lange, bis man [238] ihnen andeuten lihs, daß di tafel gedäkt und di speisen färtig wären.

Der alte Her nahm den Markhold, seinem gewöhnlichen gebrauche nahch, in den arm, und führet' ihn mit sich in di tafel-stube. Di Rosemund, welche liber alle-zeit bei ihrem Trauten gewäsen wäre, ging näben ihm hähr, und wahr immer-zu di nähste; jah über der tafel selbst, kahm si ihrer schwäster zufohr, und sazte sich also-bald näben ihn, damit si jah seiner beiwäsenheit rächt genühssen möchte.

Dise mahl-zeit ward nicht weniger als der lust=wal mit aller-hand kurz-weiligen gesprächen fol=bracht, welche[183] sich auch so lange verzogen, daß es schon mitternacht wahr, als si sich zu bette begaben, und di Rosemund ihren Lihbsten verlahssen muste: welches ihr in wahrheit über alle mahssen verdrühslich und so widerwärtig fohr-kahm, daß si fast di ganze nacht schlahf-lohs und in stähtigen libes-gedanken zu-brachte.


Aende däs vihrten Buches.

[239]

1

Archontologia Cosmica Meriani pag. 487. Casp. Contarenus Venet. de Republ. Vea. p. 82. Veneti dominii chorograph. descript. p. 10.

2

Ven. dom. chor.desc. p. 11. 12. etc.

3

Ioh. Bapt. Verus Rer. Venet. p. 2. etc.

4

Ven. dom. chor. descr. p. 12. Mercator in Atl. p. 450, etc.

Quelle:
Philipp von Zesen: Adriatische Rosenmund. Halle a.d.S. 1899, S. 151-184.
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